Vielfalt, Naturoasen, tolle Veranstaltungen – oder eine stressige Stadt voller Konsumtrottel? Unsere kleine Umfrage zeigt: Nur wenige wünschen sich aus Berlin wieder weg. Für die anderen ist es eine immer wieder entdeckenswerte Heimat.
Conny Asaad (60), medizinisch-technische Assistentin, Friedrichshain
Ich komme ursprünglich aus Stendal in Sachsen-Anhalt, wohne aber schon seit 1982 in Berlin. Inzwischen bin ich zur Berlinerin geworden. Allein die Zeit, die ich hier verbracht habe, zählt. Hier ist meine Tochter geboren. Hier kenne ich mehr Menschen als in meinem Geburtsort. Glücklicherweise gibt es in Berlin noch einige Naturoasen und jede Menge tolle Veranstaltungen. Berlin hat eigentlich in jeder Beziehung viel zu bieten. Natürlich hört man auch Negatives. Toi, toi, toi für mich persönlich trifft das glücklicherweise nicht zu. In meinem Umfeld ist noch vieles beim Alten geblieben.
Rosemary Banghardt (22), Au-pair aus Kalifornien, Friedrichshain
Im letzten Jahr kam ich auf einer Europareise nach Berlin und hatte sofort den Wunsch länger zu bleiben. Die Stadt, aus der ich komme, ist sehr konservativ. In Berlin hat man mehr Freiheiten. Hier kannst du so sein und so aussehen wie du willst. Ich möchte mindestens ein Jahr bleiben. Die Geschichte Berlins ist super interessant. Was mich aber am meisten hält, ist das Lebensgefühl. Im Moment ist Berlin meine Heimat. Hilfreich ist auch, dass inzwischen meine beste Freundin hierher gezogen ist. Hier treffe ich Menschen aus allen möglichen Ländern. Berliner waren bisher aber nicht dabei. Vielleicht weil ich kein Deutsch spreche? „Guten Tag“, „Hallo“, „bitte“, „danke“, ist alles, was ich sagen kann. Man kann hier leben, ohne Deutsch zu sprechen. Manchmal ist es aber schon frustrierend.
David Huber (22), Musiker aus Stockholm, Friedrichshain
Ich wohne seit August 2018 in Berlin. Ich brauchte eine Weile, um hier anzukommen. Jetzt könnte ich mir vorstellen, länger hier zu bleiben. Ich spiele Schlagzeug in Jazzclubs. Die Musikszene in Berlin ist wirklich sehr interessant. Die kulturelle Vielfalt der Stadt begeistert mich. Und die Mieten sind billiger als in Schweden. Außerdem kann man in Berlin leicht neue Leute kennenlernen. Aber Freundschaften entwickeln sich nur langsam. Außerdem spreche ich kaum Deutsch.
Frank Burghardt (59), Rentner, Lichtenberg
Vor 22 Jahren kam ich aus dem Havelland nach Berlin. Anfangs habe ich Berlin als neue Heimat empfunden. Mir gefiel die Freiheit und Vielfalt. Das Gefühl, dass in Berlin jeder sein Ding machen kann. Es war eine wilde Zeit. Die Träume von damals sind ausgeträumt. Heute fühle ich mich in Berlin nicht mehr zu Hause. Vor 20 Jahren war das Leben noch entspannter. Inzwischen ist alles hektischer und härter geworden. Das Schlimmste? Der Zuzug von Reichen, die Verdrängung von Alteingesessenen. Das ist Neoliberalismus pur. Die Diktatur der Wirtschaft und der Banken. Dabei ist Berlin alles andere als eine Glitzerwelt und eine Partystadt. Hier herrscht knallharter Kapitalismus. Immer häufiger sehe ich Leute ihr ganzes Hab und Gut in einem Einkaufswagen transportieren. Und die Konsumtrottel sehen weg. Eigentlich würde ich gerne ins Havelland zurück. Doch das kann ich mir derzeit nicht leisten.
Marianne Schröder (72), Rentnerin, Prenzlauer Berg
Ich bin gebürtige Berlinerin in dritter Generation und im Prenzlauer Berg aufgewachsen. Hier wohne ich noch immer. Berlin ist meine Heimat. Hier hat man Verwandtschaften, viele Freunde und jede Menge Kultur. Die Stimmung ist gut.
Problematisch ist die Zunahme des Straßenverkehrs. Besonders nerven mich die vielen Radfahrer. Früher konnte ich nach einem Konzert in der Philharmonie gemütlich durch den Tiergarten oder an der Spree entlang spazieren. Jetzt begegnen mir Horden von aggressiven und rücksichtslosen Radfahrern. Vor allem durch Leihräder aber auch durch E-Bikes und Elektroscooter hat sich die Situation verschärft. Das stresst und erhöht die Unfallgefahr. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel werden immer voller und fahren etwa durch Schienenersatzverkehr unregelmäßig. Dadurch habe ich schon zweimal ein Konzert verpasst.
Ich habe schon oft überlegt, ins Umland zu ziehen. Aber ich bleibe wegen meinem Sohn und den Enkelkindern. Außerdem liebe ich Berlin! Es gibt so viele schöne Ecken, so viel zu entdecken.