Serge Aubin soll als neuer Trainer die Eisbären Berlin wieder zu großen Erfolgen führen. Manche Fans sind skeptisch, die Clubbosse loben ihn aber über den grünen Klee.
Wenn Serge Aubin über seine neue Aufgabe bei den Eisbären Berlin spricht, huscht ihm immer wieder ein Lächeln über sein Gesicht. Man spürt förmlich die Vorfreude des Trainers, aus dem DEL-Rekordmeister wieder einen ernstzunehmenden Titelkandidaten zu formen. „Ich habe eine klare Vision", sagte der Kanadier bei seiner Vorstellung. „Ich will schnelles und dynamisches Eishockey spielen lassen. Ein Eishockey, das die Leidenschaft der Eisbären-Fans repräsentiert."
Es sei ihm „eine Ehre", den Hauptstadtclub trainieren zu dürfen, ergänzte Aubin. Dabei hat der 44-Jährige durchaus unschöne Erinnerungen an die Eisbären. Bei einem Spiel in der European Trophy im September 2012 gegen Berlin hatte sich der damalige Stürmer der Hamburg Freezers einen komplizierten Bruch des Daumens zugezogen. Trotz dreier Operationen und monatelanger Reha kam der ehemalige NHL-Profi nicht mehr aufs Eis zurück und beendete Anfang 2013 seine aktive Karriere. Doch Aubin verbindet mit den Eisbären auch positive Emotionen, deshalb fiel ihm seine Unterschrift unter den Zweijahresvertrag nicht schwer. „Die Liebe und die Leidenschaft der Fans hier habe ich schon immer gerne gespürt", sagt er.
„Ich habe eine klare Vision"
Es ist stark davon auszugehen, dass Sportdirektor Stéphane Richer eine der Triebfedern dieser Trainer-Verpflichtung war. Richer kennt und schätzt Aubin noch aus gemeinsamen Tagen in Hamburg, wo Aubin nach dem Ende seiner Profilaufbahn erste Erfahrungen als Trainer sammelte. Gerade wegen dieser Verbindung gab es auch Widerstand aus der Fanszene gegen die Verpflichtung. Doch Richer betonte, nur zum Wohle des Clubs und nicht aus persönlichen Befindlichkeiten zu handeln. „Im Eishockey gibt es keine Kumpels, es ist und bleibt ein Geschäft", sagte der Sportdirektor der „Berliner Morgenpost". Geschäftsführer Peter John Lee zeigte zwar Verständnis für die Aufregung unter den Fans, er stellte aber auch klar: „Letztlich müssen wir so entscheiden, wie wir es als richtig empfinden." Und Aubin scheint für die Clubbosse die absolut richtige Lösung in der langen Trainersuche gewesen zu sein. „Starke Führungsqualitäten, eine gute Kommunikation und offensives, erfolgreiches Eishockey" erhofft sich Richer von seinem neuen Mann an der Bande. Für Aubin sprach auch, dass dieser „gut in der Arbeit mit jungen Spielern" sei und er „auch während des Spiels auf der Bank genau weiß, was er tut".
Richers Erkenntnisse aus gemeinsamen Tagen in Hamburg waren sicher nicht schädlich für den neuen Coach. Allerdings war es vor allem sein Schaffen bei den Vienna Capitals (2016 bis 2018), das die Berliner Verantwortlichen überzeugte. Aubin führte die Capitals trotz eines überschaubaren Budgets in der österreichischen Liga zum Meistertitel im Jahr 2017. Ähnliches will Aubin auch in Berlin schaffen, ein Aus im Play-off-Viertelfinale wie in dieser enttäuschenden Spielzeit ist für ihn und die Ansprüche des Clubs zu wenig. „Jeder Trainer hat das Ziel, das letzte Spiel der Saison zu gewinnen, ich auch", sagt er. Bei seiner offiziellen Vorstellung stellte sich Aubin selbst die rhetorische Frage: „Wollen wir mit den Besten mithalten?" Seine Antwort nach einer kurzen Spannungspause: „Ja, natürlich!" Er wolle und könne nicht den Titel versprechen, „aber ich werde alles dafür tun, dass das Team bereit ist". Immer wieder sprach Aubin von „Passion", also einer Leidenschaft, die er bei seinen Spielern wecken wolle. Und das ist auch bitter nötig, denn die größtenteils missratene Vorsaison hat klar aufgezeigt, dass es den Spielern genau daran fehlt. Grundvoraussetzung dafür sei jedoch, „dass die Mannschaft wie eine Familie zusammenhält", forderte Aubin.
Doch Aubin ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass vor allem Ergebnisse zählen. Und die muss er trotz eines Umbruchs im Kader bringen. Neun Spieler haben die Eisbären verlassen, doch darin sieht der neue Trainer eher eine Chance als ein Risiko: „Manchmal ist Veränderung notwendig. Sie bringt eine neue Stimmung."
Prominente Neuzugänge sind der deutsche Nationalspieler Leonhard „Leo" Pföderl und sehr wahrscheinlich der dänische Auswahltorhüter Sebastian Dahm, die beide bei der Weltmeisterschaft in der Slowakei auf dem Eis standen. „Berlin hat mich schon immer gereizt", sagte der Ex-Nürnberger Pföderl, der bei Olympia vor einem Jahr sensationell die Silbermedaille gewonnen hatte und auf dem Spielermarkt heiß begehrt war: „Es gab auch andere Angebote. Aber ich habe mich für die Eisbären entschieden und freue mich jetzt über die neue Herausforderung." Dahm soll den Kanadier Kevin Poulin ersetzen, der dank starker Leistungen zum Publikumsliebling der Fans aufgestiegen war. Dahm ist aber aufgrund seiner deutschen Mutter im Besitz eines deutschen Passes, sodass bei den Eisbären eine weitere Ausländer-Lizenz für einen Feldspieler frei werden würde. Eine vergaben sie dann auch gleich an den Kanadier John Ramage. Er kommt vom AHL-Team Binghamton Devils, bei dem er in der vergangenen Saison in 74 Spielen 31 Scorerpunkte sammelte. Der 28 Jahre alte Verteidiger sei „ein harter Arbeiter mit Führungsqualitäten", schwärmte Richer.
„Veränderung notwendig"
Ramage, Pföderl und Dahm sind gestandene Spieler, ihnen muss Aubin nicht mehr viel beibringen. Die jungen Talente im Club soll er aber noch näher an die Profimannschaft heranführen. „Es ist an mir", sagt der Coach, „mit ihnen zu arbeiten und ihnen zu helfen, ihr Spiel weiterzuentwickeln."
Nach seiner Entlassung beim Schweizer Club ZSC Lions aus Zürich war Aubin unter anderem als Co-Trainer des kanadischen Teams bei der U18-WM tätig. Diese Rolle hatte er auch schon in der deutschen Nationalmannschaft beim Deutschland-Cup eingenommen. Aubin ist gut vernetzt, er kennt die Branche, gilt als ehrgeizig und sehr durchsetzungsstark. Schon als Spieler hatte sich Aubin eher zum Profi hochgekämpft, „mein Talent war überschaubar", wie er heute sagt. Dass er dennoch auf über 400 Spiele in der nordamerikanischen Profiliga NHL kam, beweist seinen absoluten Willen und seine unbändige Leidenschaft für den Sport.
Solche Eigenschaften haben die Verantwortlichen bei den Spielern in der vergangenen Spielzeit oft vermisst. Lange Zeit sei es „leblos" gewesen, gab Geschäftsführer Lee zu. Mit Aubin soll wieder neues Leben in die Mannschaft und den ganzen Club kommen.