So ganz warm wurden die deutschen Spieler in diesem kühlen Frühling nicht mit dem Spielen auf Sand an der frischen Luft. Trotz spektakulärer Highlights, wie Jan-Lennard Struffs Fast-Sieg in Barcelona gegen Sandplatzkönig Rafael Nadal. Sicher ist: Die French Open in Paris lassen sich heiß an.
Promi-Show-Match bei den BMW Open by FWU, diesem familiär heimeligen und dezent vervipten French-Open-Einspielturnier in München: „Ich wollte Euch noch sagen: Ich kann gar nicht Tennis spielen." – Allen Unkenrufen zum Trotz, die den 2017 und 2018 zur Nummer drei der Welt aufgestiegenen Hamburger in diesem Jahr beim zeitweiligen Straucheln begleiten, sagte dies nicht Alexander, genannt „Sascha", Zverev. Die deutsche Nummer eins, der erst jüngst von Roger Federer um ein paar Weltranglistenpunkte von Position drei der internationalen ATP-Zählung verdrängt wurde, kann durchaus mit der Filzkugel umgehen. Das betonte auch Rafael Nadal zu Beginn des 1.000er-Matches von Madrid: „Das ist kein Drama. Er hat ein paar Matches verloren. Trotzdem ist er ein großartiger Spieler."
Egal, dass sich in dieser Saison zunächst alles gegen ihn wendete, wie er meinte. In München hatte Zverev beim Schaukampf eine Mixed-Doppel-Partnerin an seiner Seite, die diesmal nicht Angelique Kerber hieß, sondern Lena Gercke. Ein Influencer-Model, das – keine Angst! – nicht bei Olympia mit ihm antreten wird, sondern einfach einen weiblich-herzlichen Akzent an Zverevs Seite und Stoff für Fotos und Storys bieten sollte, nachdem sich der gebürtige Hamburger gerade von seiner russischen Freundin, genannt „Olya", getrennt hatte. – Das ständige Herumreisen auf der Tennistour ist sicher nicht einfach, zumal wenn man nicht selbst mitspielt und sich mit 20 Jahren ein eigenes Leben aufbauen will. In München erzählte Zverev kurz von der Trennung, auch der vom Manager, von seiner Krankheit, der des Vaters, von so vielem, das ihn in den ersten Monaten des Jahres seiner verlässlichen Rahmenbedingungen beraubte. Aufmunterung tat Not.
„Das ist kein Drama. Trotzdem ist er ein großartiger Spieler"
Frisch war’s und fröhlich an diesem Vorturnier-Freitag unter wogenden Kastanien am Aumeister in München: Lena fror in ihrem schicken, knappen, blauen Tenniskleidchen neuester Kollektion, das es auch auf dem Gelände zu kaufen gab. Sie fröstelte zumindest, solange sie auf der Bank neben Sascha ihr Smartphone mit ihrer Aufmerksamkeit beglückte. Doch Mischa Zverev und Turnierdirektor Patrik Kühnen spielten ihr so geduldig Bälle zu, dass sie ein paar Erfolgserlebnisse hatte und sich warmlaufen konnte. Für Bruder Sascha hingegen hievte Mischa ein paar Bälle derart hoch, dass sich der Fast-Zweimeter-Mann ordentlich strecken musste.
Symbolisch für eine Saison, in der andere zur Dominanz-Hochform auflaufen und am Ende immer wieder Mal das entscheidende Quäntchen mehr aufbieten, als etwa Maxi Marterer und Sascha Zverev. Trotz deren starker Intermezzi in ihren Match-Verläufen. Etwa der 20-jährige Liebe-und Frieden-Shirt-Träger Stefanos Tsitsipas, mittlerweile Nummer sieben der Welt. Oder der durch seine Pferde ausbalancierte Roberto Bautista Agut und der zum Jahresanfang durch ATP-Präsidentschaftsstress formgeschwächte, doch regenerierte Madrid-Sieger und Weltranglistenerste Novak Djokovic. Dann wären da noch der selbstbewusste Sandplatz-Prinz Dominic Thiem, der fulminante, hochemotionale Tour-Aussteiger David Ferrer, der glorreiche Sandplatz-Rückkehrer Roger Federer oder auch der bislang weitgehend Unbekannte wie der BMW-Open-Sieger aus Chile, Christain Garin. Sogar Deutschlands 18-jährige Nachwuchs-Hoffnung Rudi Molleker, der die Ex-Nummer Fünf Tommy Robredo bezwang.
Philipp Kohlschreiber, der in Indian Wells Djokovic besiegt hatte, und Jan-Lennard Struff sind in dieser Saison gut dabei. Doch von Zeit zu Zeit reißt der Faden. Wie bei „Struffi", der in Barcelona noch Tsitsipas im Achtelfinale besiegt und Nadal im Viertelfinale mit 5:7, 5:7 den Verbleib im Turnier schwer gemacht hatte. Bei den BMW Open jedoch, am Tag nach der Geburt seines Sohnes, wartete der Warsteiner im strömenden Regen vergeblich auf sein Match und war am Morgen danach nicht so ganz er selbst auf dem Court.
Es menschelte mal wieder in München. Familie Zverev war mit Mischas Baby unterwegs. Saschas treuer Pudel unterstütze Herrchen diesmal von der Tribüne aus. Hund Lövik sprang auf und schaute verwundert ins Publikum, als die Zuschauer raunten, staunten und jubelten, während Sascha den Argentinier Juan Ignacio Londero mit 7:5, 6:1 vom Platz fegte. Löviks Körperhaltung schien zu sagen: „War doch klar, dass mein Herrchen in München wieder gut spielt." Stimmt. Bis zum vergebenen Matchball im Viertelfinale gegen Garin. Dennoch: Die Kurve steigt. Sein bestes Turnier in diesem Jahr spielte Zverev in Madrid, als er erst im dritten Satz seines dritten Matches von Tsitsipas gestoppt wurde. Als er nicht konditionell geschwächt, aber „vom Kopf her", wie er nach dem Spiel via Sky sagte, sein dominantes Spiel nicht mehr fortsetzte und seine starken Asse mit zu vielen Doppelfehlern mixte. Unter Druck: Nachdem Sascha in Runde zwei den zweiten Satz gewonnen hatte, wurde er in der Pause vom Schiedsrichter darauf hingewiesen, dass sein sonst so stoischer Vater weniger fluchen solle. Der saß mit brennenden Augen, hoch angespannt, in der Box, ganz nahe dem Spielfeld.
„Jeder hat mal eine Formkrise. Das macht ihn stärker"
Insgesamt geht es seit München aufwärts mit der Form und der Zuversicht von Zverev, der vergangenes Jahr beim 1.000er-Masters in Madrid ein fast perfektes Turnier spielte und kein Aufschlagspiel verlor, als er in der Höhenluft befreit aufschlug und siegte. Ende 2018 wurde der aktuell beste deutsche Tennisspieler ATP-Weltmeister, eliminierte auf dem Weg dorthin Federer und Djokovic. 2019 lief deutlich gebremster an: Auch ein 22-jähriger Schnellaufsteiger ist keine Maschine und bekommt den Kopf beim Spiel nicht so leicht frei von Problemen wie Krankheit, Management-Ärger und l’amour. Immer wieder verlor der Hamburger Matches, die er 2018 vor Muskeln und Selbstvertrauen strotzend gewonnen hätte. Doch allmählich kehren Kräfte lieferndes Gewicht und Durchhaltevermögen in der Psyche zurück. Deutschlands Zweitbester, Kohlschreiber, tröstete den Jüngeren via Sky: „Er ist noch so jung. Jeder hat mal eine Formkrise. Das ist seine erste. Es werden weitere kommen. Das macht ihn stärker."
Mit Augenschmaus-Tennis ist Federer nach drei Jahren Abstinenz zurück auf Sand: Wahnsinnig schnell und variantenreich hebt Federer seine Bälle scheinbar mühelos in oft unerreichbaren Winkeln übers Netz. Doch Gael Monfils, der in Madrid mit einer Zaubervorhand aus dem Sprung begeisterte, war der Legende im Spektakel-Spiel im zweiten und dritten Satz bis zu Rogers 6:5 ebenbürtig. Die Freundin des Franzosen, die WTA-Weltmeisterin Elena Svitolina, erlebte im Publikum mit, als Monfils vor seinem zweiten Matchball Späße in Richtung der Zuschauer-Stars von Real Madrid machte. Im Tiebreak gewann Federer doch noch: Nach Verwarnung, nachdem er einen Ball aus dem Stadion geschossen hatte. Umso mehr ärgerte es den Maestro, dass er im Viertelfinale seine Matchbälle gegen Thiem vergab und vorzeitig nach Rom weiter reisen musste.
Auch Federer hat heuer die French Open im Blick: Eine Tennisshow, spannender und vielfältiger als seit vielen Jahren, ist von 20. Mai bis 3. Juni in Paris beim Sandplatz-Grand-Slam mit seinen extrem anstrengenden drei Gewinnsätzen, in der an Störgeräuschen reichen Kulisse von Roland Garros, zu erwarten. Nachdem Sandplatzkönig Rafael Nadal, der hier elfmal gewonnen hat, in diesem Jahr noch in keinem Sandplatzturnier bis aufs Treppchen kam, haben frisch gestärkte, weitere Titelaspiranten besonders viele Chancen. In Madrid unterlag Nadal Tsitsipas. Der war allerdings in Indian Wells von Félix Auger-Aliassime aus dem Turnier geworfen worden. Der Kanadier war heuer mit 18 Jahren zum jüngsten Finalisten eines ATP-500-Turniers der Geschichte geworden und besiegte auf seinem Weg in die Top 40 einen Top-20-Spieler nach dem anderen.
Besonders empfehlen sich Thiem, Tsitsipas und Monte-Carlo-Sieger Fabio Fognini, der mit aggressiven Sandplatz-Qualitäten auf ATP-Rang elf hochkletterte. Und auch Federer, Djokvic, und mit „Jetzt-erst-recht"-Mentalität auch Zverev, der in diesem Jahr mit ganz anderen Baustellen als einer mageren Grand-Slam-Bilanz zu kämpfen hatte. Doch er fühle sich „gut für Paris", sagte er in Madrid. Immerhin plagen ihn nicht die Verletzungssorgen, mit denen die weiblichen Nummern Eins und Zwei von Deutschland kämpfen: Angelique Kerber, die so gern auch noch den Sandplatz-Grand-Slam gewinnen würde, und Julia Görges, die Halsmuskel-Probleme hat. Mal sehen, wie die Lebensgeister unterm Eiffelturm beflügelt werden. Vielleicht so, wie Saschas Physio Hugo Gravil seinen Schützling gerne anfeuert: „Allez, allez!"