Deutschlands Mittelständler sind sauer auf Peter Altmaier. Die Familienunternehmer laden den Bundeswirtschaftsminister schon gar nicht mehr ein. Für den erfolgsverwöhnten Saarländer läuft es im neuen Amt nicht wirklich rund.
Spontan ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aus seinem Ministerium gestürmt und steht nun auf dem großen Platz vor seinem Amtssitz unweit des Berliner Hauptbahnhofs. Vor ihm eine riesige Menschenmenge demonstrierender Teenies, „Fridays for Future" trifft sich. Der Minister wollte ganz unkonventionell Kontakt aufnehmen, was aber am gellenden Pfeifkonzert scheitert. Altmaier zischt seinen Referenten zu: „Das war eine Scheiß-Idee."
Trotzdem beschreibt die Szene Peter Altmaiers typisches Arbeitsverständnis: Nicht lang drum rumreden, sondern zupacken, vor allem mit den Leuten reden. Über 20 Jahre lang war das seiner politischen Karriere förderlich. Vom Staatssekretär über Kanzleramtsminister hin zum Wirtschaftsminister. Der 61-Jährige ist es gewohnt, als Fremder zu kommen und als Freund zu gehen.
Doch seit bald einem Jahr funktioniert diese kumpelhafte Hemdsärmeligkeit nicht mehr so recht. Zu Tage trat das bei der „Nationalen Industriestrategie 2030" mit der Idee, Zusammenschlüsse europäischer Unternehmen zu EU-Champions voranzutreiben, „feindliche" Übernahmen von außerhalb Europas auch durch staatliche Beteiligung an Unternehmen zu verhindern.
„Wenn man einen Stein in den See wirft, dann darf man sich hinterher nicht wundern, wenn er Wellen wirft", kommentierte Altmaier die Reaktionen auf sein Papier – und die waren heftig. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erarbeiteten umgehend jeweils eigene Gegenvorschläge. Auch der Verband Deutsche Start-ups, der Verband der Automobilindustrie und die IG Metall sparten nicht mit heftiger Kritik. Am lautesten schimpfte Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands der Familienunternehmer (siehe Interview). Hauptkritikpunkt der Verbände: Die extrem hohen Energiepreise in Deutschland. „Allein die EEG-Umlage ist in Deutschland so hoch wie der gesamte Strompreis in den USA" bringt es BDI-Vizepräsidentin Ingeborg Neumann auf den Punkt. Diese Kritik trifft nach ihrer Ansicht Altmaier im doppelten Sinne. Die Unternehmer fordern weitere Ausnahmen für Betriebe von der EEG-Umlage, weil der hohe Strompreis die Produktpreise verteuere: ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Rest der Welt.
Peter Altmaier ist dank seiner diversen Funktionen in vier Merkel-Regierungen mitverantwortlich für das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Derzeit versucht er als Bundeswirtschaftsminister den Ökostrom von der Küste schneller in den Süden der Republik zu bekommen. Im FORUM-Interview bekannte Altmaier bereits im vergangenen Herbst: „Das ist nicht ganz einfach, da müssen sehr viele Menschen mit unterschiedlichen Lebensansätzen von der Notwendigkeit der Stromtrassen überzeugt werden."
Blitzableiter für Zukunftsängste
Neben der EEG-Umlage ärgert vor allem die jungen Unternehmer die digitale Grundversorgung in Deutschland, Stichworte dazu sind Funklöcher und 5G. Die Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer, Sarna Röser, moniert im FORUM-Interview, dass gerade Start-ups in Deutschland bei dieser katastrophalen Netzabdeckung kaum eine Chance hätten. „Junge Unternehmer brauchen das Internet, haben damit nur eine Chance in den Ballungsräumen. Doch in den Städten sind die Mieten hoch. Darum brauchen wir eine vollständige Netzabdeckung, bundesweit", fordert die 31-Jährige aus Stuttgart. Auch sie ist mit der „Industriestrategie 2030" von Altmaier unzufrieden. „Wir haben bislang im internationalen Handel immer durch Entwicklungen gerade kleinerer Betriebe bestehen können. Wenn zukünftig die Fördergelder nur noch in Richtung Großkonzerne gehen, stirbt die mittelständische Innovation aus", befürchtet Röser. Sie beschreibt damit eine Angst, die viele Mittelständler erfasst hat. Je größer das Unternehmen, desto mehr Geld wird reingesteckt. Beim wirtschaftspolitischen Flügel in der CDU versteht man die Angst, mahnt aber zugleich: „Im internationalen Handel werden die Großen zukünftig noch mehr dominieren, da müssen wir in Europa aufpassen, dass wir nicht unter die globalen Räder kommen", mahnt der CDU-Bundestagsabgeordnete Markus Uhl. Er sieht seinen Parteifreund Altmaier derzeit so ein bisschen in der Rolle eines Blitzableiters für die Ängste des Mittelstandes, was die Unwägbarkeiten der globalen Zukunft angeht.
Dem Wirtschaftsminister unterlaufen aber auch vermeidbare Fehler. Eine Gesetzesänderung zur „bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung" von Windrädern hat kürzlich für Ärger gesorgt. In dem Gesetz wird eine Technik empfohlen, wonach die roten Warnlichter nur noch blinken, wenn tatsächlich Luftfahrzeuge in der Nähe sind. Doch die empfohlene Technologie ist von den Behörden gar nicht zugelassen. Die Mittelständler der Windradindustrie sind stocksauer, sie haben viel Geld in die Warnlichter ihrer Windmühlen gesteckt, die nun ausgetauscht werden sollen, gegen gar nicht zugelassene Warnlichter. Niemand kann sagen, ob Schusseligkeit oder Vorsatz zu den irreführenden Formulierungen im Gesetz geführt haben. Wohlwollende in der Regierung gehen von „handwerklichen Fehlern" aus. Doch genau die sind es, die Altmaiers Image als Politik-Hallodri wieder neue Nahrung geben.