Was Europas Rechtspopulisten mit dem zurückgetretenen FPÖ-Chef verbindet
Na und? Das weltweit Wellen schlagende Skandal-Video aus einer Ferien-Villa in Ibiza löst bei Europas Rechtspopulisten nur Schulterzucken aus. Die Äußerungen des zurückgetretenen österreichischen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache seien ein Ausreißer, heißt es unisono bei der italienischen Lega, dem französischen Rassemblement National oder der niederländischen Partei für die Freiheit. Strache hatte im Juli 2017 einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte öffentliche Aufträge gegen Wahlkampfhilfe angeboten.
Im Mittelpunkt des anvisierten Deals stand der Einstieg der Russin bei der einflussreichen Wiener „Kronen Zeitung". Der FPÖ ging es wenige Wochen vor der Parlamentswahl im Herbst um positive Berichterstattung. Dafür wollte sie sich danach – im Kabinett – mit lukrativen Bestellungen bei den Firmen der Investorin revanchieren. Unwürdiges Geschacher? Korruption? Käuflichkeit der Regierung? Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen weist alles weit von sich und spricht beschönigend von einem „singulären Vorgang".
Nun mag Straches alkoholisierter und enthemmter Ibiza-Auftritt die Entgleisung eines einzelnen Politikers gewesen sein. Doch ein „singulärer Vorgang" à la Meuthen ist er deswegen nicht. Denn die dahinterstehende Denkungsart lässt sich bei vielen Rechtspopulisten in Europa beobachten. Insbesondere, was das Verhältnis zur freien Presse, zum russischen Präsidenten Wladimir Putin oder die Verachtung des politischen Establishments angeht. Man kann es als das Strache-Syndrom bezeichnen.
Straches geplante Kontrolle der „Kronen Zeitung" dank russischen Kapitals unterstreicht, dass ihm unabhängige Medien ein Dorn im Auge sind. „Zack, zack, zack" sollen politisch unliebsame Journalisten ausgetauscht und durch handzahme Hofberichterstatter ersetzt werden. Mit der gleichen feindseligen Marschroute will die FPÖ den öffentlich-rechtlichen Rundfunksender ORF kujonieren. In Deutschland giftet die AfD in ähnlicher Schärfe gegen ARD und ZDF.
Das Idol bei der Schaffung einer stromlinienförmigen Presse ist Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Strache preist ihn im Ibiza-Video in den höchsten Tönen. Der starke Mann in Budapest ließ Zeitungen und Fernsehkanäle von politisch nahestehenden Unternehmerfreunden aufkaufen. Das Personal wurde mit regierungstreuen Medienleuten besetzt. Das Ergebnis: ein täglicher Lobgesang auf die Orbán-Politik.
Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen hat die Presse mit ähnlichen Methoden auf Kurs gebracht. Ein neues Mediengesetz erlaubte den direkten Zugriff der Regierung auf die öffentlich-rechtlichen Medien, die in „nationale Kulturinstitute" umgewandelt wurden. Deren Vorstands- und Aufsichtsgremien bestimmt nicht mehr der Rundfunkrat, sondern der Minister für Staatsvermögen.
Für Europas Rechtspopulisten ist Kritik an der Regierung Majestätsbeleidigung. Die Presse als Wahrerin der „vierten Gewalt", die den Mächtigen auf die Finger schaut und sich für eine Pluralität an Meinungen einsetzt, kommt einer Kriegserklärung gleich. Durchregieren heißt die Devise.
So erstaunt es nicht, dass der Ober-Autokrat Putin bei Europas Rechtspopulisten als großes Vorbild gilt. Strache und seine Gesinnungsgenossen predigen eine bedingungslose Öffnung nach Moskau; nur in Polen sieht man das aus historischen Gründen anders. Der Kremlchef erwidert die Bekundungen von Sympathie und Gefolgschaft mit demonstrativer Unterstützung.
In der Endphase des französischen Präsidentschaftswahlkampfs 2017 empfing er Marine Le Pen, die Spitzenkandidatin des rechtsextremen Front National. Nach verschiedenen französischen Presseberichten flossen bis zu 40 Millionen Euro von mit Putin befreundeten Bankern an den FN. Der russische Präsident kalkuliert kühl und strategisch: Die Stärkung der Rechtspopulisten, die gegen die Brüsseler „Mega-Bürokratie" poltern, bedeutet eine Schwächung der Europäischen Union. Putin ist dem Denken in Einflusssphären aus seiner Zeit als KGB-Offizier treu geblieben.
Alle Rechtspopulisten zelebrieren den starken Staat, Patriotismus und Nationalismus. Sie verbindet die Kampagne gegen die Institutionen der westlichen Demokratie. Ihnen geht es nicht um die Debatte, sondern um das rhetorische Niederholzen des politischen Gegners.