Von Jugend an verschrieb sich Peter Strickmann Geräuschen, Klängen und Tönen. Teil IV der Serie Absolventen der Hochschule der Bildenden Künste (HBK) Saar.
Wer in die Gedankenwelt von Peter Strickmann eintauchen möchte, braucht Zeit. Zeit, um zur Ruhe zu finden, tief durchzuatmen und die Sinne zu schärfen. Folgt der Hörer diesem Erfahrungsweg, mündet er in ein grenzenloses Meer, reich an ungewöhnlichen Lauten und neuartigen Klängen. So wie beispielweise bei der Rauminstallation „Klack Ding" aus dem Jahr 2018, bei der der Künstler durch Bewegung von Alltagsgegenständen eigenständige Rhythmen erzeugt. Konservendosen, Plastikbecher und Schraubverschlüsse von Wasserflaschen werden dabei von Strickmann zu kleinen Schlaginstrumenten umfunktioniert. Die Deckel platziert der Künstler auf unterschiedliche, flache Objekte mit Wasser, die wiederum durch Luftkompressoren angeblasen werden. Mit dem Luftstrom durch die schmalen, durchsichtigen Leitungsröhrchen bewegen sich die einzelnen Gegenstände auf dem Metall der Oberflächen und erzeugen mit diesen Vibrationen ihre eigenen, dezenten Töne. Rappelnde Geräusche vermischen sich dabei mit dunklen klackernden Klängen und verschmelzen mit der Zeit – wenn man genau hinhören möchte – zu einer eigenwilligen, sich immer wieder ändernden Komposition. Eigentlich ein künstlerisch-philosophischer Ansatz, den Strickmann in seiner Arbeit verfolgt. Zumindest könnte man davon ausgehen. Doch der Künstler selbst vertritt eine ganz andere Ansicht. „Ich bin nicht mit einer Mission unterwegs", betont Strickmann. „Vielmehr möchte ich Erfahrungen anbieten und Platz dafür schaffen. Klang – und Klang ist für mich gleichzusetzen mit dem Hören – hat meiner Meinung nach ein sehr hohes Erfahrungspotenzial. Man setzt sich mit sich selbst und seiner Umgebung auseinander und das nach Möglichkeit im Hier und Jetzt. Deswegen spiele ich bei meinen Performances beispielsweise auch keine einstudierten Musikstücke. Die Musik entsteht in dem Moment der Performance und ist frei improvisiert."
Erfahrungen anbieten
Was treibt also den Menschen an, der sich mit seiner ganzen Seele dem Klang verschrieben hat, um im Alltäglichen das Außergewöhnliche zu finden? Bei dieser Frage muss Strickmann lächeln. „Ich mache Kunst um ihrer selbst willen", beschreibt er die Essenz seiner Arbeit. „Ob sie nun angenommen wird oder nicht, ist für mich zweitrangig. Hauptsache ich kann diese Erfahrung anbieten." Ein Grundgedanke, der sich auch in seinem künstlerischen Lebenslauf widerspiegelt. Als Strickmann sich für das Studium der Freien Kunst mit Schwerpunkt audiovisuelle Kunst an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK Saar) im Jahr 2008 bewirbt, ist der in Würselen geborene junge Mann bereits ein Teil der deutschen Kreativszene. Parallel zu seinem ersten Studium – zunächst schreibt sich Strickmann an der Fakultät für Philosophie und Sozialwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen ein, bricht es jedoch nach einem Jahr wieder ab – etabliert sich Strickmann in seiner Heimat Nordrhein-Westfalen zum festen Bestandteil von unterschiedlichen Künstlerzusammenschlüssen. „Wir haben uns getroffen, um gemeinsam Kunst zu machen, Installationen und Ausstellungen zu planen und Konzerte zu spielen", erzählt Strickmann.
Dabei kommt er nicht mal aus einer traditionellen Künstlerfamilie. „Vielmehr aus einem Haushalt mit Kunstbüchern", beschreibt Strickmann humorvoll seine frühe Kindheit. Schon in ganz jungen Jahren greift der spätere Meisterschüler der namhaften Klangkünstlerin Prof. Christina Kubisch und des Visionärs Prof. Georg Winter zum Stift und kritzelt die ersten Zeichnungen von Tieren und Fantasiefiguren aufs Papier. Mit neun Jahren entsteht dann das erste bewusste Kunstwerk. „Zu diesem Zeitpunkt wollte ich unbedingt Kinderbuchautor werden", erinnert sich Strickmann, „das war der große Plan." Funktioniert hat er nicht. Dafür filterte sich mit der Zeit die Leidenschaft für eine bestimmte Kunstrichtung heraus: Arbeit mit Klängen. „Deswegen habe ich mich auch damals bei der HBK Saar beworben", erklärt Strickmann seinen Umzug aus dem Ruhrgebiet ins Saarland. „Neben Braunschweig war es die einzige Kunsthochschule, die einen solchen Studiengang angeboten hat." Strickmann überzeugt auf Anhieb und wird gleich als Student angenommen. „Das hat auch was mit Glück zu tun", kommentiert er fast schon etwas verlegen seinen Blitzstart in der saarländischen Kunstszene.
Und diese mischt Peter Strickmann ordentlich auf. Saarbrücken wird zu einer Begegnungsstätte für seine außergewöhnlichen Konzerte und Klanginstallationen, unter anderem sogar in der Besenkammer seiner ehemaligen WG. „Die Kunst muss sich an diesen Raum und seine Beschaffenheit anpassen. Viele Dinge sind nicht möglich; das ist die eigentliche Herausforderung für die Künstler und die Betrachter", beschreib er damals das Kunstprojekt im Interview mit der SZ. Nach dem HBKSaar Abschluss im Jahr 2013 und nach zwei weiteren Jahren als Meisterschüler schlägt sich Peter Strickmann 2016 zunächst mit mehreren Stipendien durch. Und davon hat er einige, unter anderem das Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf und Braunschweig Projects, ein Aufenthaltsstipendium des Landes Niedersachsen. Parallel arbeitet der Kreative an unterschiedlichen Klangprojekten: Ob nun eine Tonträgerveröffentlichung, Rundfunkbeiträge oder eigenkomponierte Hörstücke für Radiosender in London und Amsterdam. Sein Weg führt den Künstler in die unterschiedlichsten Kunstbereiche rund um das Thema Laute und Geräusche. „Ich hatte sogar das Glück im Rahmen eines Stipendiums nach Peru reisen zu dürfen", erzählt Strickmann. Seine Kunstreise sah Strickmann als eine Art klangjournalistische Recherche. „Mit diesem Projekt ‚Pututuuuut‘ reiste ich nach und durch Peru zu der archäologischen Stätte Chavín de Huántar, um dort die Gleichzeitigkeit einer 3.000-jährigen Vergangenheit und einem vagen Jetzt in einem einzigen Klangereignis, einem lang und dumpf gestreckten Pututu-Brumm, zu provozieren". Vor einem Jahr ist er nach Berlin gezogen. Neben der Kunst und experimentellen Musik widmet sich Strickmann zusammen mit vier anderen Künstlern auch dem künstlerisch-pädagogischen Kita-Projekt „Geräuschmusik": „So verdiene ich mein Geld, bleibe dabei aber in meinem Bereich, der mir wichtig ist."