Notfälle im Katzenhaus, ein Pinscher mit schlimmer Vergangenheit, süße Kaninchen-Babys, und ein cooles Schwein – ein Besuch im Tierheim in Pirmasens.
Gino schmeißt sich richtig in Pose, als die Fotografin die Kamera auf ihn richtet. Es scheint, als wüsste der wunderschöne goldfarbene Kater, dass ein gutes Foto von ihm seine Vermittlungschancen erhöhen kann. Gino lebt mit rund 50 anderen Stubentigern im Katzenhaus im Tierheim Pirmasens. Hell und freundlich sind die Räume, überall stehen Kratz- und Kletterbäume, und Spielzeug liegt herum. Durch eine Klappe können die Katzen auch nach Lust und Laune in ein Freigehege. So nett es hier auch aussieht, nichts ersetzt ein richtiges Zuhause. Und dass die Bewohner des Tierheims das finden, das hoffen Tierheim-Leiterin Lisa Neisius, Tierpflegerin Nicole Meyer und Tierschutzbeauftragte Cornelia Dewes-Strobel, die uns an diesem sonnigen Tag durch die Anlage führen.
Vor allem die sogenannten Notfälle liegen den Mitarbeitern am Herzen. Wie zum Beispiel die Katze Katja und ihre Tochter Murka. „Sie haben beide Katzenaids", erklärt Lisa Neisius, während sie Katja streichelt, die sie freundlich miauend begrüßt und schnurrend um ihre Beine streicht. Die Krankheit ist aber noch nicht ausgebrochen, Katja und Murka führen also ein ganz normales Katzenleben. „Sie sollten aber in der Wohnung gehalten werden, weil es ansteckend ist", sagt die junge Tierheim-Leiterin. Die meisten Katzen kommen als Abgabetiere ins Tierheim, ergänzt Cornelia Dewes-Strobel. „Oft weil sie krank sind, dann geben die Besitzer sie wegen der anfallenden Kosten ab."
Dass Tiere allgemein öfter abgegeben werden, sei ein trauriger Trend, meint Lisa Neisius. Gerade rüstet das Tierheim sich für die alljährliche Katzenschwemme, die normalerweise im Mai und Juni startet. „Wir haben schon die ersten trächtigen Kätzinnen und die ersten Babys", so die 29-jährige Chefin. Um all diese Tiere auffangen zu können, muss dringend angebaut werden. Neben dem momentanen Katzenhaus soll ein Neubau mit zusätzlichen Räumen, einer Quarantänestation und der neuen Tierarztpraxis entstehen. Das alles kostet Geld, genauer gesagt in diesem Fall um die 350.000 Euro. Deshalb ist das Tierheim dringend auf Spenden angewiesen. Doch die Mitarbeiter kümmern sich nicht nur um die Stubentiger im Katzenhaus. Auf dem Gelände begegnen uns einige Katzen, die gemütlich über die Wege schlendern oder sich in der Sonne räkeln. Es sind verwilderte Hauskatzen, die nicht mehr an das Zusammenleben mit Menschen zu gewöhnen sind. „Sie werden gefüttert und haben ihre Hütten, in die sie reingehen können", sagt Lisa Neisius.
Nicht immer sind die Geschichten der Tiere bekannt
Auch am Zwinger von Shila streifen die kleinen Tiger vorbei. Doch die Kangal-Hündin interessiert das nicht besonders. Ruhig liegt sie in einer Ecke und wedelt uns freundlich an, als wir uns nähern. Ungewöhnlich für einen Kangal, sind doch diese großen Hirtenhunde als Schutzhunde gezüchtet worden und bekannt dafür, ihr Revier gnadenlos zu verteidigen. „Shila ist ein sehr netter Kangal", sagt Lisas Neisius und grinst. „Sie hat mit niemandem Probleme." Als wollte die Hündin das noch unterstreichen, kommt sie freudig auf uns zu, als die Tierheim-Leiterin sie aus dem Zwinger holt. Dass Shila noch nicht vermittelt wurde, liegt wohl daran, dass die fünfjährige Hündin gesundheitliche Probleme hat. „Sie hat eine schwere Hüftdysplasie, Probleme mit der Schilddrüse und einen empfindlichen Magen", sagt die Tierheim-Leiterin. Trotzdem hofft sie, dass Shila ein Herrchen oder Frauchen findet. „Sie müsste endlich mal in ein Zuhause", ergänzt Nicole Meyer mit Blick auf die schöne Hündin, die nun schwanzwedelnd auf einen Spaziergang hofft. Das freundliche Tier hätte ein Zuhause verdient, genauso wie ihre vierbeinigen Artgenossen, die uns aus ihren Zwingern heraus aufgeregt entgegenbellen. Etwa 40 Hunde warten derzeit im Pirmasenser Tierheim auf neue Besitzer. Und manche von ihnen tragen ein schweres Schicksal. Wie zum Beispiel der fünfjährige Sammy. Der kleine Pinscher wirkt nervös, als Nicole Meyer ihn an der Leine aus seinem Zwinger holt. Misstrauisch beäugt er die Fotografin und bellt sie schließlich an, als sie ihn fotografiert. „Er kam aus einem Haushalt, wo er schlecht gehalten wurde", erzählt Lisa Neisius. Zwei bis drei Wochen hätten sie gebraucht, bis Sammy sich anfassen ließ. „Dann kam heraus, dass er sexuell missbraucht worden war", sagt die junge Frau sichtlich betroffen. Doch trotz dieser unfassbaren Quälerei ist Sammy bereit, sich einzulassen. „Wenn er Vertrauen gefasst hat, orientiert er sich sehr gut an seinen Bezugspersonen."
Auch Nala braucht einen Moment, um fremde Menschen kennenzulernen. „Sie hat wohl in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht", glaubt Lisa Neisius. Nicht immer sind die Geschichten der Tiere bekannt, manche gehen erst durch mehrere Hände, bis sie im Tierheim landen. Die schöne Beauceron-Mischlingshündin lässt sich ruhig von uns begutachten und fotografieren. „Sie verteidigt ihr Futter und Körbchen", erklärt Lisa Neisius, „aber ansonsten ist sie kein schwieriger Hund und für hundeerfahrene Menschen machbar." Genauso wie Sunny. Entspannt kaut die schöne Hündin an einem Knochen, als wir vorbeikommen. „Sie hat aber einen starken Schutztrieb, man muss sie anleiten", erklärt Lisa Neisius.
Ehrenamtliche sind wichtige Helfer
Gerade für die misshandelten Tiere ist das Tierheim eine Chance auf ein besseres Zuhause. Doch manchmal passiert auch Unerklärliches. Bei einem besonders schweren Fall mussten die Tierheim-Mitarbeiter vor Kurzem hilflos zusehen, wie das Veterinäramt von Pirmasens den Hund wieder seinen Besitzern zurückgab. Und das, obwohl diese ihn aufs Schwerste vernachlässigt hatten. „Der Hund war in einem furchtbaren Zustand", sagt Eva Hopmeier, Geschäftsführerin des Tierheims. „Zehn Zähne mussten ihm gezogen werden, viele waren total vereitert, das Fell klebte am Körper, die Tierärzte in der Tierklinik brauchten zwei Stunden, um ihm die Krallen zu schneiden, sie mussten ihn dafür in Narkose legen. Sie sagten, so etwas hätten sie noch nie gesehen." Hopmeier ist sichtlich berührt von dem Schicksal des zwölfjährigen Rüden, der ihrer Meinung nach ein lang anhaltendes Leiden hinter sich hat. „Wir befürchten, dass es wieder von vorne losgeht."
Auf Nachfrage von FORUM erklärt Thorsten Höh, Pressesprecher der Kreisverwaltung Südpfalz und Persönlicher Referent von Landrätin Dr. Ganster, dass „der Hund unter Auflagen in die Obhut des Tierhalters zurückgegeben worden sei und regelmäßige, unangekündigte Kontrollen durch das Veterinäramt erfolgen, mit denen sich auch der Halter einverstanden erklärte. Parallel hierzu wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet". Welche konkreten Auflagen das sind und warum der Hund überhaupt wieder seinen Besitzern zurückgegeben worden war, wurde leider nicht erklärt.
Im Hundebereich schwillt das Gebell hörbar an, als die Gassizeit näherrückt. Ruhiger ist es im Kleintierhaus. Ingeborg Kleiner ist gerade dabei, eines der Gehege sauber zu machen. Die resolut wirkende Frau kümmert sich ehrenamtlich um die vielen Kaninchen, die durch die großzügigen hölzernen Gehege hoppeln. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen mal was." Mit diesen Worten lotst sie uns zu einem Stall, in dem eine Kaninchen-Mama mit ihren Babys wohnt. Die putzigen Kleinen sind gerade mal zwölf Tage alt. Die Mama war ein Abgabetier, so wie eigentlich fast alle der Langohren. Dann präsentiert uns Ingeborg Kleiner ein besonders schönes Kaninchen. Der puschelige Snow ist ein halbes Jahr alt und scheint es zu genießen, auf dem Arm gehalten zu werden. „Die haben mein Herz erobert", sagt Ingeborg Kleiner und lacht. Sie hat selbst zu Hause auch zwölf Kaninchen. „Die schwer Vermittelbaren", sagt sie und lächelt. Dass die Tierheim-Hasen bei neuen Besitzern in artgerechte Haltung kommen, darauf achtet sie streng. „Wir geben keine Tiere in Käfighaltung. Optimal ist ein Kaninchengehege mit mindestens vier Quadratmetern pro zwei Kaninchen."
„Schweine sterben oft auf Transporten"
Einen ganz besonderen Bewohner des Tierheims besuchen wir in seinem sehr großen Gehege im hinteren Bereich des Tierheims. „Wir müssen ihn erst mal wecken", sagt Nicole Meyer, lacht und stellt eine große Schüssel mit Salat, Obst und Spaghetti auf den Boden. Das motiviert. Langsam und leicht verschlafen kommt Gustl, ein großes Hängebauchschwein, aus seinem Holzhäuschen und widmet sich sofort den angerichteten Leckereien. Gustl lebt seit zwei Jahren alleine, seit seine Gefährtin gestorben ist. Der zwölfjährige Eber scheint sich aber wohlzufühlen. „Weil er schon älter ist, braucht er viel Ruhe", erklärt Nicole Meyer. Es gab schon die Überlegung, ihn an einen Gnadenhof abzugeben, wo er vielleicht mit anderen Schweinen leben kann. „Aber Schweine sind sehr empfindlich, sie sterben oft auf Transporten", gibt die Tierschutzbeauftragte Cornelia Dewes-Strobel zu bedenken. Deshalb wollen sie bei dem betagten Gustl keinen Transport mehr riskieren.
Mittlerweile sind die ehrenamtlichen Gassigeher dabei, mit den Hunden in den nahe gelegenen Wald zu gehen. Neben den sieben angestellten Mitarbeitern sind die freiwilligen Helfer unentbehrlich, sagt Lisa Neisius, die sich wünscht, dass nicht nur hier, sondern auch „draußen" die Leute mehr Verantwortung für ihre Tiere übernehmen. „Schon bei kleinen Problemen, die man gut in den Griff bekommen könnte, werden Tiere abgegeben. Es geht leider immer mehr in Richtung Wegwerfgesellschaft." Das Leid, das Tieren dadurch zugefügt wird, geht den Mitarbeitern manchmal auch an die Nieren. „Man hat Phasen, da kann man das gut wegstecken", sagt Nicole Meyer. „Und dann hat man Phasen, da geht man heim und weint."