Zum Erörterungstermin trafen sich Bürger, Verbands- und Gemeindevertreter, Ruhrkohle AG und das Oberbergamt im Zelt in Ensdorf: 6.800 Einwendungen wollen beim Verfahren, das Grubenwasser ansteigen zu lassen, berücksichtigt werden.
Nach Schätzungen einer Bürgerinitiative sind 600.000 Saarländer vom Anstieg der Wasserpegel unter Tage betroffen. Für über 1.000 Gäste war das Zelt bestuhlt, doch an diesem Montagmorgen waren es nur knapp 150, die den Weg nach Ensdorf gefunden haben. Beim Erörterungstermin der Ruhrkohle AG (RAG) zum Abstellen der Pumpen in den Wasserhaltungen Reden und Ensdorf war die Bevölkerung nur in sehr überschaubarer Zahl vertreten. An diesem und folgenden Tagen sollten sie die Gelegenheit haben, neue Argumente mit den Vertretern der RAG und des Oberbergamtes Saar auszutauschen. Unter den Anwesenden waren auch Bürgermeister von betroffenen Städten und Gemeinden, Landrat Patrick Lauer und Anwälte.
Ulrich Heinz, Justiziar des Oberbergamtes im Saarland und Leiter der Versammlung, fasste die 6.800 Einwendungen zusammen: Unter anderem ging es um die Qualität von Gutachten und deren Neutralität, die Datenbasis, das Verfahren an sich, zu lange, zu kompliziert, zu unverständlich für den Bürger, der doch etwas dagegen tun können muss. Vor allem geht es darum, „miteinander zu reden, sachlich und zivil", so Heinz. Dass der erste Fall nicht immer möglich ist, zeigen viele folgende Redebeiträge aus der Riege der Einwender. Die Experten sitzen auf der Bühne: die RAG, die auf geltendes Recht und Verträge abstellt, das Oberbergamt als Schiedsrichter und Entscheider. Im Publikum, abgesehen von den gewählten Volksvertretern, meist Laien. Deren Sorgen sind greifbarer Alltag. Es geht um Bergsenkungen und -hebungen, die nicht ausgeschlossen werden können, also um das eigene Häuschen oder die Umwelt drumherum. Die Kommunikation wirkt asymmetrisch. Lediglich einige Bürgermeister werfen das Gesetzbuch in die Waagschale.
Diese sorgten am ersten Tag der Anhörung gleich für Bewegung, indem sie die sofortige Einstellung des Erörterungstermins forderten. Prof. Holger Kröninger, Verwaltungsrechtsexperte, überstellte dem Oberbergamt eine Verfahrensrüge im Auftrag der Gemeinde Illingen. Darin kritisiert der Rechtsexperte sowohl die Struktur der Anhörung wie auch den Ort. Denn das Zelt steht auf RAG-Gelände und damit im Einflussbereich der Antragstellerin. Das verletze das Neutralitätsgebot. Zur Struktur der Erörterung sagte Kröninger, dass durch eine Blockveranstaltung wie diese nicht abzusehen sei, wer wann zu welchem Themenbereich sprechen könne. Im Grunde müssten sich die Bürger mehrere Tage freinehmen, um der Veranstaltung insgesamt zu folgen, die je nach Menge der Redebeiträge drei bis vier Tage in Anspruch nehmen könnte. „Das ist unzumutbar", schloss Kröninger und beantragte eine Aufteilung in Einzeltermine für Bürger und Gemeindevertreter. Großer Applaus im Publikum.
Auch der Anwalt Rolf Friedrichs beantragte im Auftrag mehrerer saarländischer Kommunen und Zweckverbände den Stopp dieses Verfahrens, ebenso Vera Wagenknecht im Auftrag der Stadt Dillingen. Wagenknecht stellte außerdem einen Befangenheitsantrag gegen das Oberbergamt, das die Veranstaltung leitete und gleichzeitig Entscheidungsträger im Verfahren sei. Doch der Termin wird letzten Endes nicht vertagt. Das Verfahren steht, rechtlich geprüft und ausgerichtet vom Oberbergamt, während der RAG die Kosten dieses Termins auferlegt werden.
Appell zur Zusammenarbeit
16 Millionen Euro jährlich kostet alleine das Pumpen, 40 bis 60 Millionen jährlich das Aufrechterhalten des gesamten Bergwerks- und Pumpbetriebs, rechnet die RAG vor. Das könnte der Konzern einsparen, wenn er die Pumpen in Reden und Ensdorf abstellen würde. Das Wasser, knapp 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr, würde direkt in die Saar geleitet und nicht mehr kleinere Flüsse und Bäche wie Sinnerbach, Klinkenbach und die Blies beeinträchtigen. Ein Gewinn für die Umwelt, so Michael Drobniewski, Betriebsdirektor der Grubenwasserhaltung. Er erinnert daran, dass die Steinkohle dem Saarland Wachstum brachte. Gleichzeitig, so Drobniewski, sei dies mit negativen Auswirkungen, den Bergschäden verbunden, die die Menschen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigten. Der Bergbau war eine Störung der Umwelt und des Wasserhaushaltes, mehrere Gewässer seien bis heute belastet. „Die ersten beiden, Bergschäden und Erderschütterungen, können wir nicht ungeschehen machen. Wir konnten lediglich die entstandenen Schäden bestmöglich regulieren und für die Erderschütterungen um Entschuldigung bitten."
Das sieht Armin König, Bürgermeister von Illingen und Gründer der Volksinitiative „Wasser ist Leben", anders. Er bemängelt unter anderem, dass der Betrachtungsraum willkürlich gewählt sei, 360 Quadratkilometer im Land, unter denen das Wasser steigen soll. RAG und das Amt halten jedoch dagegen. Das Gebiet sei geprüft, ausgewiesen und während des Verfahrens sogar erweitert worden. Zum Argument, das Gesamtvorhaben sei nicht geprüft, sondern nur die Phase eins, den Anstieg des Wasserpegels auf minus 320 Meter, sagt das Amt: Phase eins wurde beantragt, Phase eins wird geprüft. „Wir werden nichts prüfen, was nicht beantragt wurde", entgegnet Justiziar Heinz.
Der Volksinitiative „Wasser ist Leben" geht es jedoch nicht nur um das Verfahren an sich, sondern auch um Gesetzesverletzungen. So greife Bergrecht in die kommunale Selbstverwaltung ein, Schäden durch den Wasseranstieg seien nicht auszuschließen. Eine nachträgliche Regulierung sei kein Trost, so König. Er pocht auf die Einhaltung des Erblastenvertrages, nach dem die RAG zum Weiterpumpen verpflichtet sei, und prophezeit eine Verletzung europäischen Umweltrechts. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie sei nicht einzuhalten, wenn die Grubenwasser in die Saar eingeleitet werden würden. Die RAG kann diese Argumente teilweise entkräften, immerhin würden 70 Kilometer Fluss- und Bachläufe nicht mehr mit Grubenwasser belastet. Ungesagt bleibt, dass ein größerer Fluss wie die Saar auch zur Verdünnung der zutage geschwemmten Altlasten des Bergbaus beiträgt.
Für Steffen Potel, Vertreter des BUND Saar, ist auch der Hochdruckdamm der Gruben Warndt und Luisenthal ein Thema: Er verhindert, dass Wasser aus der vollgelaufenen Grube Warndt von französischer Seite in die Grube Luisenthal einsickert. „Wenn nicht gewährleistet ist, dass dieser Damm zwischen den Orten Großrosseln und Fürstenhausen dicht ist, dann ist das derzeitige Verfahren sowieso schon entschieden", so Potel. Denn dann müsse auch auf deutscher Seite genügend Wasserdruck aufgebaut werden, damit es nicht zu Folgeschäden durch das Brechen des Dammes komme, kurz: Die Gruben müssen zwangsläufig irgendwann geflutet werden. Das gehöre nicht zum aktuellen Verfahren, antwortete Justiziar Heinz, das Oberbergamt jedoch habe dieses Problem im Auge.
Immerhin in einer Sache waren sich alle Seiten einig. Peter Lehnert, Bürgermeister von Nalbach, appellierte an die RAG, eng mit den Kommunen zusammenzuarbeiten. „Wir wissen nicht genau, was unter uns passiert", so Lehnert. Die Kommunen aber seien darauf angewiesen, um angemessen reagieren zu können, falls etwas passiere. Zwar gäbe es Karten und Gutachten hierzu, so Drobniewski, aber der Konzern werde diese Bitte gern aufnehmen. Miteinander über die Wasserhaltung reden bringt also doch etwas Fortschritt.