Liedermacher Manfred Maurenbrecher textete einst für Katja Ebstein und Spliff. Jetzt legt er seinen Roman „Grünmantel" vor, der in seiner uckermärkischen Wahlheimat spielt.
Sofort ist Manfred Maurenbrecher nicht auszumachen, betritt man das angesagte Café in den Hackeschen Höfen in Berlins quirliger Mitte. Er sitzt in einem Separee genau so, dass er alles im Blick hat, aber selbst nicht sofort entdeckt werden kann. Die Szenerie scheint für den 69-Jährigen wie geschaffen: So beobachtet er Menschen, und so entstehen bis heute seine Songs und Texte. Im früheren Westberlin und in der alten Bundesrepublik war Maurenbrecher ein prominenter Sänger. Nach dem Mauerfall ging der gebürtige Berliner mit Ost-Größen wie Gerhard Gundermann auf Tournee. Aus seiner Feder stammen um die 600 Songtexte, darunter für Veronika Fischer, Herman van Veen, Ulla Meinecke, Spliff und Katja Ebstein.
In den vergangenen Jahren war es um Maurenbrecher ruhig geworden. Das bedeute aber nicht, dass er sich zur Ruhe gesetzt habe, lacht der Barde, dem noch im Sommer 1989 bei einem Konzert auf der (Ostberliner) Radrennbahn Weißensee Tausende zujubelten. Manfred Maurenbrecher steht nach wie vor auf der Bühne. Zuletzt war er aber auch auf der Buchmesse in Leipzig zu sehen. „Natürlich nicht einfach so ohne Grund. Vor ein paar Wochen erschien mein Roman ‚Grünmantel‘", sagt der promovierte Germanist. Neben seinen Liedern auch Bücher zu schreiben, sei für ihn purer Luxus, sagt der sympathische Künstler. „Grünmantel", erschienen im Bebra-Verlag, ist sein mittlerweile siebtes Buch. „Wäre der neue Roman ein Musikalbum, wären das mindestens 25 Lieder geworden", schmunzelt Maurenbrecher, der zusammen mit DDR-Star Veronika Fischer deren Biografie schrieb.
Seit 1992 ist er „Teilzeit-Brandenburger", erklärt der Künstler. Das Haus im uckermärkischen Lunow unweit der Oder sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Der Landstrich habe ihn zu „Grünmantel", einem erfundenen Dorf in der Uckermark, inspiriert. Hier brodelt es unter der Oberfläche. Ein Westdeutscher macht sich nach der Wende mit seiner Vorliebe für Naturschutz und junge Frauen unbeliebt, eine Sekretärin gerät auf kriminelle Abwege, ein verliebter Nazi bringt sich in Lebensgefahr. „Der Wessi im Buch bin ich aber nicht. Es ist alles erdacht", betont Manfred Maurenbrecher.
Jedoch gründet sich der Erzählstil auf der präzisen Beobachtung von Märkern – auch wenn die Story nicht sofort zündet. „Ich glaube, es ist eine Geschichte, die so nur in Brandenburg spielen kann", findet der Buchautor. Der hat lesbar Freude daran, seine Wahrnehmung ostdeutschen Landlebens launig zu verdichten, ohne dabei Klischees zu bedienen. Im richtigen Leben sei er in Lunow (heute Lunow-Stolzenhagen) vor 26 Jahren zwar erst skeptisch beäugt, aber doch gut aufgenommen worden. „Vor allem meine Frau Christiane hat sich damals in Haus und Hof und damit auch ins Dorfleben reingekniet. Ich selbst bin ja gärtnerisch wenig begabt", lächelt der Künstler. Einen Bonus habe es seinerzeit durch den damals kleinen Sohn gegeben. „Dadurch ergaben sich auch Kontakte", erklärt Manfred Maurenbrecher, der den Zusammenhalt, Kultur und Vereinsleben auf dem Land sehr schätzt. Mit Hauptwohnsitz sei er allerdings immer noch in Berlin, in der „Künstlerkolonie Wilmersdorf" gemeldet. Ende der 20er-Jahre entstand hier preiswerter Wohnraum für Kreative und Leute vom Theater, unter anderem für Schriftsteller und Sänger. Hier lebten oft Stars neben Bühnentechnikern. „Zu den prominenten Bewohnern zählten Ernst Busch und Peter Huchel", blickt Maurenbrecher in die Historie zurück. Seine heutige Wohnung sei dieselbe, die der Großvater, Schauspieler Otto Maurenbrecher, 1956 bezog.
„Ich war ein Spätzünder"
Tagsüber erledige er all das, was gemacht werden muss, wie „Steuerkram, Interviews und Gespräche im Verlag". Nachts wird der Schreiber von Songs und Büchern kreativ. „Ich bin ein ausgesprochener Nachtmensch. Ein Glas Wein darf beim Texten gern dabei sein", sagt er. Nach einem Grundstück habe er sich den eigenen Worten nach ursprünglich im Potsdamer Raum umgesehen. Dort seien die Grundstückspreise aber damals schon hoch gewesen. „Um ehrlich zu sein, hat uns aber auch die Landschaft nicht überzeugt. Auf Lunow kamen wir dann, ganz klassisch, über eine Zeitungsanzeige."
Hier im nordöstlichsten Winkel des Landkreises Barnim habe er bereits 2014 „in einem Rutsch" seinen nun erschienenen Roman geschrieben. Anschließend feilte und lektorierte Gattin Christiane. Maurenbrecher: „Es fehlte noch ein wenig die Struktur." Der Mann, der seit seinem 17. Lebensjahr Songtexte schreibt, bezeichnet die Phase zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr als seine „beste Zeit". „Obwohl die Zeit des Lernens und Studierens, lebte ich damals lässig, ohne Druck und Scherereien und war viel auf Reisen." Seine Doktorarbeit schrieb Maurenbrecher auf Kreta, erinnert sich der Autor. Erste Versuche auf der Bühne verliefen nicht so glücklich, sagt er. Dafür profitierten andere Künstler von seinen Texten. „Ich war ein Spätzünder. Bei mir dauerte alles etwas länger. Aber besonderen Ehrgeiz, berühmt zu werden, hatte ich ohnehin nie." Zum „Bühnenmenschen" sei er erst relativ spät geworden, sagt der Sänger. Den Osten habe er sich schon zu Zeiten des Kalten Krieges erschlossen. „Mit Tagesvisum ging es beispielsweise von Westberlin aus nach Potsdam oder in den Spreewald. Eine Kommilitonin stammte aus Thüringen. Sie zeigte mir viel vom Osten." Kontakte zu DDR-Künstlern waren rar. „Einen Draht hatte ich zu Barbara Thalheim sowie zu Gerulf Pannach und Veronika Fischer nach deren Ausreise aus der DDR." Unvergesslich blieb für ihn sein Auftritt noch vor dem Mauerfall 1989 auf der Radrennbahn Berlin-Weißensee. „Im Rahmen der Rockpoeten-Tour traten dort unter anderem Heinz Rudolf Kunze, Julia Neigel und Ulla Meinecke auf. Der Zuspruch war enorm." Er habe in der DDR nicht alles gesungen, was er hätte singen können, räumt Maurenbrecher heute selbstkritisch ein. Ein wenig sei es innere Zensur gewesen. „Ein bisschen Feigheit war vielleicht auch dabei."
In guter Erinnerung habe er die gemeinsamen Programme mit dem Lausitzer Liedermacher Gerhard Gundermann. „Das lief vor allem im Osten gut, in den alten Bundesländern weniger", seufzt Manfred Maurenbrecher. Gundermann bezeichnet er als genialen Musiker, der aber auch ein skurriler und manchmal verrückter Typ gewesen sei. „Irgendwo las er mal, dass der Spritverbrauch bei Tempo 60 am geringsten ist. Also fuhr er zu einem Auftritt mit ebendieser Geschwindigkeit", schmunzelt der Berlin-Brandenburger. Damit habe Gundermann nicht nur die Mitfahrer zur Weißglut gebracht, sondern bei anderen Autofahrern riskante Überholmanöver provoziert. „Wenn er sich so etwas in den Kopf setzte, dann zog er das durch." In seiner Band habe er Gundermann aber durchaus als Teamplayer erlebt. Den Sänger, der 1998 im Alter von nur 43 Jahren verstarb, bezeichnet er als begnadeten Musiker. „Die Doppelbelastung mit seiner Arbeit als Baggerfahrer im Tagebau war letztlich zu stressig und hat ihn umgebracht." Manfred Maurenbrecher schweigt kurz. Dann muss er los. Er will in einen Verlag und danach eine Runde schwimmen, in einem kleinen See in der Uckermark.