Von wegen Pause! Mit dem Afrika-Cup, der Copa America sowie dem Gold-Cup des nord- und mittelamerikanischen Verbandes Concacaf finden in diesem Jahr zum ersten Mal fast zeitgleich drei kontinentale Meisterschaften statt.
Keine Fußball-WM, keine EM – auf den ersten Blick ist der Sommer 2019 für eingefleischte Fußballfans ein kalter Entzug. Mit dem Saisonende in den nationalen und europäischen Clubwettbewerben ist die große Langeweile eingekehrt, über die auch die Fortsetzung der EM-Qualifikation nicht hinwegtäuschen kann. Mit einem großen Turnier lassen sich die deutschen Spiele gegen Estland und Weißrussland wohl kaum vergleichen. Zwar läuft momentan in Portugal auch noch die Finalrunde der Uefa Nations League, doch wirkliche Begeisterung will darüber vor allem in Deutschland nicht aufkommen. So richtig angekommen ist dieser Wettbewerb hierzulande noch nicht, zumal die DFB-Elf in ihrer Gruppe hinter den Niederländern und Frankreich den letzten Platz belegte und die Teilnahme am Finalturnier damit deutlich verpasste. Im Gegenteil: Deutschland wird bei der nächsten Austragung der Uefa Nations League ab 2020 sogar nur noch in der zweitklassigen B-Gruppe antreten.
Doch es gibt Alternativen. In diesem Jahr finden mit dem Afrika-Cup, der Copa America sowie dem Gold-Cup des nord- und mittelamerikanischen Verbandes Concacaf zum ersten Mal fast zeitgleich gleich drei kontinentale Meisterschaften statt. Das gab es in dieser Ballung noch nie.
Mit dabei sind solche Weltstars wie der Brasilianer Neymar von Paris Saint-Germain, Barcelonas Lionel Messi (Argentinien) oder auch Liverpools Stürmer Mohamed Salah für Ägypten. Auch zahlreiche Bundesligaspieler sind vertreten: Leverkusens Leon Bailey (Jamaika) etwa, die Bayern Alphonso Davies (Kanada) und James Rodrigues (Kolumbien), Salif Sané von Schalke 04 (Senegal) oder auch Salomon Kalou von Hertha BSC (Elfenbeinküste). Und auch wenn es für die teilnehmenden Nationen dieses Mal nicht mehr um einen Startplatz beim Confed-Cup geht – das Turnier der kontinentalen Champions wurde vom Weltverband zugunsten einer erweiterten Fifa-Club-Weltmeisterschaft abgeschafft –, gibt es dennoch genügend Gründe, weshalb die drei Turniere einen genaueren Blick wert sind.
Afrika-Cup in Ägypten (21. Juni bis 19. Juli)
Sechzig Jahre lang wurde der Afrika-Cup stets während der europäischen Clubsaison ausgetragen, zuletzt zumeist im Januar und Februar. Sehr zum Ärger der Vereinsvertreter, die deshalb regelmäßig einige ihrer besten Spieler für das Turnier abstellen mussten. 2017 gab der afrikanische Fußballverband Caf dem Druck aus Europa nach und entschied, das Turnier künftig in die spielfreie Zeit der europäischen Ligen zu verlegen. Das Interesse an der Veranstaltung dürfte dadurch weiter steigen: Schon jetzt ist der Afrika-Cup nach der WM und der EM das Turnier, das die drittmeisten Zuschauer aller Nationalteambewerbe vor den Fernseher lockt.
Der Termin ist allerdings nicht die einzige Neuerung in diesem Jahr. Zum ersten Mal wird die Endrunde in diesem Jahr mit 24 Teams statt wie seit 1996 üblich mit 16 Mannschaften ausgetragen. Auf diese Weise kommen Madagaskar, Mauretanien und Burundi zu ihrem Debüt beim Afrika-Cup, auch für Tansania ist es die erste Teilnahme seit fast 40 Jahren. Alle vier gelten jedoch als krasse Außenseiter. Als Favoriten werden andere gehandelt: Titelverteidiger Kamerun, der Senegal als derzeit bestplatziertes afrikanisches Land in der Fifa-Weltrangliste (Platz 23), Tunesien, Marokko, Nigeria und Gastgeber Ägypten. Nicht zu unterschätzen sind allerdings auch die Mannschaften aus Ghana, der DR Kongo sowie der Elfenbeinküste.
Bei der vergangenen Auflage vor zwei Jahren setzte sich Kamerun im Endspiel mit 2:1 gegen Ägypten durch. Und eigentlich hätte der Sieger zugleich Ausrichter des diesjährigen Turniers sein sollen. Doch im November 2018 entzog die Caf Kamerun wegen „wesentlicher Verzögerungen bei den Vorbereitungen" die Gastgeberrolle. Als Ersatzkandidat war zunächst Marokko gehandelt worden, das sich auch schon vergeblich um die Fußball-WM 2026 bemüht hatte, doch am Ende bekam Ägypten den Zuschlag. Das Land der Pharaonen hat fußballerisch harte Zeiten durchmachen müssen: Nachdem 2012 bei Ausschreitungen im Stadion von Port-Said 74 Menschen ums Leben kamen und knapp 1000 weitere verletzt wurden, fanden die Spiele landesweit unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Erst seit dem vergangenen Sommer wurden schrittweise wieder Zuschauer in die Stadien gelassen. Der Afrika-Cup dürfte diese Entwicklung nun beschleunigen. Überhaupt haben die Fans in Ägypten hohe Erwartungen an das Turnier, schließlich schneidet ihre Mannschaft im eigenen Land stets besonders gut ab. Viermal fanden die Afrikameisterschaften bislang in Ägypten statt – und dreimal davon gewannen die Gastgeber. Mit insgesamt sieben Titeln sind die Ägypter auch insgesamt Rekordsieger des Wettbewerbs.
Gold-Cup in den USA, Costa Rica und Jamaika (18. Juni bis 18. Juli)
Auch der Concacaf Gold Cup wird 2019 so groß wie noch nie und in diesem Jahr erstmals mit 16 Mannschaften ausgetragen. Rekordverdächtig ist bei dieser Kontinentalmeisterschaft für Nord- und Mittelamerika und die Karibik auch die Zahl der Spielorte: Das Turnier wird in insgesamt 16 Städten und in 17 Stadien gespielt – und lediglich in Houston finden mehr als zwei Partien statt. Mit Blick auf die Fußball-WM 2026, die zum Großteil in den USA stattfindet (dazu in Mexiko und in Kanada), dient der Gold-Cup wohl auch als Werbemaßnahme, um den Sport im ganzen Land noch populärer zu machen. „Die ausgewählten Austragungsorte bieten einen Mix aus Fußballgeschichte und einen Vorgeschmack auf die Zukunft des Sports in den USA. Wir freuen uns, mit den lokalen Ausrichterkomitees zusammenzuarbeiten, um Fans in den gesamten USA das Spiel näherzubringen", sagt Concacaf-Präsident Victor Montagliani. Zum ersten Mal werden zudem Spiele in Mittelamerika ausgetragen, nachdem der Verband Costa Rica und Jamaika zum Co-Gastgeber bestimmt hat.
Titelverteidiger ist die Mannschaft der USA, die auch dieses Mal wieder zum engsten Favoritenkreis zählt. Ebenfalls gute Chancen hat Rekordsieger Mexiko, das bereits zehnmal den Pokal gewinnen konnte. Mit Ausnahme des Turniers im Jahr 2000, als überraschend die Kanadier den Titel holten, durch ein 2:0 im Endspiel gegen Gaststarter Kolumbien, stand seit 1989 immer mindestens eines dieser beiden Teams im Finale und konnte dort auch triumphieren. Von den anderen Teilnehmern ist am ehesten Costa Rica zuzutrauen, die Dominanz dieser beiden Länder zu durchbrechen. Die Los Ticos gewannen zuletzt 1989 den Cup, 2017 kamen sie ins Halbfinale. Star der Mannschaft ist Keylor Navas von Real Madrid, der in der vergangenen Saison als Uefa-Torhüter des Jahres ausgezeichnet wurde.
Copa America in Brasilien (14. Juni bis 7. Juli)
Am prominentesten besetzt ist aber wohl die Copa America, bei der neben den schon erwähnten Messi und Neymar noch zahllose andere Ballkünstler wirbeln werden. Immerhin ist Südamerika neben Europa der führende Kontinent im Weltfußball – bislang haben nur Nationen aus diesen beiden Kontinenten jemals einen Weltmeistertitel gewonnen. Zum fünften Mal findet das Turnier in Brasilien statt, zum ersten Mal wieder seit 1989. Damals holte der Rekordweltmeister vor heimischem Publikum auch den Titel, auf den die Seleção mittlerweile jedoch schon seit zwölf Jahren vergeblich wartet. Titelverteidiger ist nämlich Chile, das sowohl die Austragung 2015 als auch die Sonderausgabe 2016 anlässlich des 100-jährigen Bestehens des südamerikanischen Fußballverbandes Conmebol gewann. Brasilien kam dagegen seit 2011 nicht mehr über das Viertelfinale hinaus und scheiterte 2016 sogar schon in der Vorrunde. Entsprechend groß ist die Sehnsucht der heimischen Fans nach Erfolg. Nationaltrainer Tite ist mit seiner Mannschaft fast schon zum Titel verdammt.
Zu den Besonderheiten der Copa America gehört, dass seit 1993 auch Mannschaften aus anderen Kontinentalverbänden als Gaststarter teilnehmen. Für gewöhnlich handelt es sich dabei um Länder aus Nord- und Mittelamerika, doch dieses Mal sind gleich zwei Teams aus Asien dabei: Japan, das zum zweiten Mal nach 1999 teilnimmt, sowie erstmals Katar, der WM-Gastgeber von 2022. Sie gehen allerdings nur als Außenseiter ins Rennen. Dagegen zählen neben Brasilien und Titelverteidiger Chile auch Uruguay, Kolumbien sowie ganz besonders Argentinien zu den Mitfavoriten. Vor allem die Argentinier sind ähnlich heiß auf das Turnier wie der Gastgeber: Bei den vergangenen fünf Austragungen erreichten sie viermal das Finale, doch jedes dieser Endspiele ging verloren – drei davon sogar besonders bitter im Elfmeterschießen. Dieses Mal soll es nun endlich mit dem Sieg klappen.