Jens Spahn hat, nach anfänglichem Fremdeln, nun sein Ressort als Gesundheitsminister entdeckt. Der Auftakt dazu hat ein Jahr gedauert, doch die „Konzertierte Aktion Pflege" sorgte für Furore.
Es ist ja nicht das Problem, das wir keine Pflegekräfte hätten, es hat nur niemand Lust den Job zu machen", brachte es bereits vor einem Jahr der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, im FORUM-Interview auf den Punkt. Viele Pflegekräfte schmeißen spätestens drei Jahre nach Ende ihrer Ausbildung den Job. Jens Spahn (CDU) war damals gerade vier Wochen als Gesundheitsminister im Amt und hatte den Pflege-Präsidenten noch nicht getroffen.
Doch schnell wurde auch ihm klar, bei der Pflege muss dringend etwas passieren. Für die Idee zur ressortübergreifenden „Konzertierten Aktion Pflege" zusammen mit Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) wurde eine „To-do-Liste Pflege" erstellt, die vor allem eines im Visier hat, die Arbeitssituation der Pflegekräfte zu verbessern. „Die Aufgabe der Versorgung von pflegbedürftigen Menschen ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen, jetzt müssen wir uns vor allem um eine gerechte Bezahlung der Pflegkräfte kümmern", kündigt Minister Jens Spahn an. Doch das mit der gerechten Bezahlung scheint nicht so einfach zu sein, wie man das landläufig annehmen möchte. Das fängt damit an, dass es keinen einheitlichen, bundesweiten Tarifvertrag für Pflegekräfte gibt und vermutlich auch nicht geben wird. Derzeit werden die Krankenpfleger immer noch besser bezahlt als die Kräfte bei der Altenpflege. „Das kann so nicht sein, hier brauchen wir eine klare Gleichstellung von Alten- und Krankenpflege" fordert Spahn. Doch damit ist das Hauptproblem noch überhaupt nicht angegangen – der Personalmangel. Auf einem beinahe leer gefegten Arbeitsmarkt ist es nicht so einfach, junge Menschen von den Vorteilen des Pflegeberufs zu überzeugen.
Bessere Bezahlung für Altenpfleger
Pflege muss 24 Stunden an 365 Tagen geleistet werden, Schicht- und Wochenenddienste sind da unumgänglich. Damit kam Spahns Kabinettskollege Hubertus Heil als Arbeitsminister ins Spiel. Sowohl das Arbeitnehmerentsende- als auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen verändert werden. Dazu sollen ausländische Pflegeabschlüsse schneller als bisher anerkannt werden. „Die bisherigen bürokratischen Hürden müssen fallen", sagte Spahn auf FORUM-Anfrage. Sein Anliegen ist aller Ehre wert, doch ein Punkt wird dabei offenbar völlig außer Acht gelassen: Wer bezahlt das alles? Will man tatsächlich einen einheitlichen Tarifvertrag und vor allem mehr Zeit der Helfer für die zu Pflegenden, kommt man auf die Summe von drei bis fünf Milliarden Euro im Jahr. Wie man das finanzieren will, lässt Spahn weitestgehend offen. „Das ist eine Jahrzehntaufgabe, mindestens. Es ist gilt auch eine Vertrauenskrise der Politik aufzuarbeiten, und da müssen wir dann auch die Kosten stemmen." Bereits einen Tag nach Ankündigung der Pflegeoffensive bekam der Bundesminister reichlich Gegenwind. Zum Auftakt der Gesundheitsministerkonferenz in Leipzig wurde er mit einem Pfeifkonzert empfangen. Gut 2.000 Klinik- und Heimmitarbeiter aus ganz Deutschland protestierten laut Verdi für bessere Arbeitsbedingungen.
Dabei fordert Verdi genau das, was Spahn unter anderem vollmundig angekündigt hat: Einen bundesweiten Tarifvertrag für Altenpfleger sowie einen gesetzlich festgelegten Personalschlüssel in Gesundheitsberufen. Richtig Feuerwerk für Spahn gibt es vom Arbeitgeberverband Pflege. Dessen Präsident Thomas Greiner spricht von einem Blendwerk. „Wenn die Betroffenen wieder die Augen öffnen, wissen sie, dass sie und ihre Angehörigen eine höhere Zulage schultern müssen. Es sei denn, die Bundesregierung nimmt viel Geld in die Hand und übernimmt dann die Kostensteigerungen, oder die Sozialversicherten werden gezwungen, mehr zu bezahlen." Das letzte Wort hat nun Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Er muss unterm Strich entscheiden: Fünf Milliarden für die bedingungslose Grundrente oder die gleiche Summe für eine gerechtere Bezahlung der Pflegekräfte.