Alterssimulationsanzüge, Ohrschützer mit Schwerhörigkeitssimulationen und eine Virtual-Reality-Brille: Am Tag der Pflegeberufe in der Congresshalle sind die jungen Besucher vor allem von digitalen Gadgets beeindruckt.
Nur wenige Minuten hält es Laura in dem Alterssimulationsanzug aus, dann ist das Mädchen auch schon überfordert und möchte die schweren Gewichte wieder abstreifen. „Ich weiß, dass es beschwerlich sein kann, wenn Menschen in die Jahre kommen", erzählt die junge Schülerin aus Saarbrücken, „das kriege ich beispielsweise immer bei meiner Oma mit, wenn sie sich über ihren Zustand und die Schmerzen beklagt." Doch, dass es so schlimm werden könne im Alter, das hätte sich Laura bis zu ihrem spontanen Selbsttest am Tag der Pflegeberufe in der Congresshalle gar nicht vorstellen können. Noch vor wenigen Augenblicken schlüpfte sie bereitwillig in den futuristischen Ganzkörperanzug mit integrierten Gewichten. „Damit werde ich mich gleich wie eine 80-jährige Seniorin fühlen", witzelte das Mädchen mit ihren Freundinnen. Parallel zu den Gewichten an Beinen, Armen, und Rücken, die die gerade Haltung von Laura gleich verkrümmten, bekam die Schülerin eine spezielle Simulationsbrille. Diese trübt die Sicht wie beim grauen oder grünen Star. Dazu wurden Laura auch spezielle Ohrschützer angelegt, die Schwerhörigkeit simulieren sollen. „Du sieht ja aus wie ein Roboter", kommentiert eine ihrer Freundinnen das ungewöhnliche Erscheinungsbild von Laura. Doch die Schülerin aus Saarbrücken gibt keine Antwort, sie kann ihre Freundinnen schlichtweg nicht hören. „Was?", stammelt das Mädchen und dreht sich leicht unbeholfen um sich selbst. „Wo seid ihr? Ich kann euch nicht wirklich sehen." Dann reißt auch schon ihr Geduldfaden. Sobald Laura aus dem schweren Anzug befreit wird, atmet sie zunächst erleichtert auf und wird gleich nachdenklich. „Jetzt weiß ich auch, was meine Oma meint, wenn sie mir von der Schwere in ihren Beinen erzählt. Früher habe ich diese Gespräche immer schnell abgetan. Jetzt tut sie mir sehr leid. Arme Oma."
Zahl der Pflegebedürftigen steigt
Tatsache ist, die Menschen werden immer älter. Damit steigt auch die Anzahl der pflegebedürftigen Personen. Zwischen 1999 und 2015 ist diese Zahl laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung von 2,0 auf 2,9 Millionen gestiegen. Unter der Annahme, dass diese Entwicklung genau so weitergeht wie in den letzten Jahren, könnte die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2060 auf 4,8 Millionen steigen. Damit wären rund sieben Prozent der Gesamtbevölkerung pflegebedürftig, ein doppelt so hoher Anteil wie heute.
„Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir kompetenten Nachwuchs für die Pflegeberufe begeistern können", weiß Conny Lauk, Koordinatorin für Ausbildung bei der Awo Akademie Saar. Bei der Veranstaltung in der Congresshalle mit insgesamt 30 Ausstellern ist Lauk keine Unbekannte. Sie nahm bereits beim ersten Tag der Pflegeberufe im vergangenen Jahr an dem Informationstag für zukünftige Arbeitnehmer im Pflegebereich teil. „Natürlich brauchen die jungen Menschen auch Theorie", weiß die Ausbildungsexpertin. Doch zunächst brauchen die potenziellen Bewerber einen generellen Zugang zu ihren Patienten. „Sie müssen die älteren Menschen verstehen und empathisch sein", erzählt Lauk. Und dafür dient unter anderem auch der Simulationsanzug. „Er hilft den Jugendlichen dabei, die Senioren in ihrem gesundheitlichen Zustand besser zu verstehen und damit später auch besser auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können." Ein Grundgedanke, der bei den Schülern mehr als gut ankommt. „Wenn man die Folgeerscheinungen des Alters an sich selbst erlebt, wird es einem wesentlich bewusster, was die alten Menschen alles durchmachen müssen", bringt es Laura auf den Punkt. „Jetzt fühle ich mich meiner Oma wesentlich näher."
Eine weitere Möglichkeit eines Selbstversuches erlebten die Jugendlichen am Stand der Victor’s Unternehmensgruppe, Victor’s Consulting & Verwaltung GmbH. Mithilfe einer Virtual-Reality- Brille schlüpften die Jugendlichen in die Rolle eines Pflegepraktikanten und erlebten so unmittelbar den Alltag in der Pro Seniore Residenz Wasserstadt in Berlin. „Das hat natürlich eine ganz andere Wirkung, wenn man die VR-Brille auf hat", erzählt Katharina. So wie auch viele ihrer Schulfreunde war die Schülerin an diesem Tag in der Congresshalle um sich über die Berufe in der Pflege zu informieren. „Ich habe schon einiges über die Pflegeberufe gelesen und auch Werbefilme gesehen", erzählt sie, kurz nachdem sie die VR-Brille abgelegt hat. „Aber es ist doch was komplett anderes, wenn man das selbst erlebt und selbstständig einzelne Stationen durchläuft. Da hat man das Gefühl, dass man schon im Job drin ist." Ob Katharina sich für einen Pflegeberuf entscheiden wird, steht noch in den Sternen. „Da bin ich mir noch nicht ganz sicher." Durch ihre digitale Besichtigung ist ihr allerdings auch etwas klar geworden. „Dieser Job ist wesentlich vielfältiger als man zuerst annimmt. Also ganz anders, als die gängigen Klischees."