Mittelhochdeutsche Lektüre ist nicht jedermanns Sache – bretonische Musik dagegen schon. Die beliebte Sängerin Gwennyn, ein nicht mehr ganz so geheimer Geheimtipp in der Musikszene, hat mit „New Andro" ein unterhaltsames Best-of-Album zusammengestellt. Gwennyn singt in Bretonisch, Französisch und Englisch. Ihre Lieder handeln zu einem großen Teil von der Artus-Sage und anderen mittelalterlichen Helden. Im Song „Excalibur" schlüpft sie in die Rolle einer mittelalterlichen Geschichtenerzählerin, die den Tag ankündigt, an dem ein junger Mann das Schwert Excalibur aus einem Felsen ziehen und schließlich den Thron besteigen wird.
Die Legenden um Artus und die Ritter der Tafelrunde sind ein weit verbreitetes Thema des Mittelalters – mit sehr vielen Varianten, wie zum Beispiel der Sage von Parzival. Allerdings werden weder Parzival, der Ritter Lanzelot noch die freiheitsliebende Ginover – die antiautoritär erzogen wurde und ihren Tag lieber im Stall bei den Pferden verbringt, als sich auf eine Zukunft als Königin vorzubereiten – erwähnt. Der junge Artus gilt dagegen bereits im jungen Alter als Hoffnungsträger eines ganzen Volkes.
Musikalisch gesehen setzt Gwennyn auf bretonischen Ethno-Pop, mit eingängigen Melodien, die sich hervorragend als Gegenpol zur Realität eignen. Nicht ohne Grund mögen auch viele Fantasy-Fans diese Art der Musik. Bei Stadtfesten und Mittelaltermärkten sind diese Künstler gerne gesehen. Ein wenig zu dramatisch gestaltet sich allerdings die Geschichte von „Tristan und Isolde", ebenfalls basierend auf einer mittelalterlichen Lektüre. Isolde steigert sich dabei zu sehr in ihre Gefühle für den depressiven Tristan hinein. Es gibt kein Happy End – dafür aber gute Musik.
Aber Gwennyn setzt auch auf aktuelle Themen. In „Bugale Belfast" wird der stets anhaltende Kalte Krieg in Nordirland besungen – mit der altbewährten historischen Aufführungspraxis. Klar, dass dort die ein oder andere Trommel oder nostalgische Querflöte aus Holz nicht fehlen darf. Dies alles wird von Gwennyns lyrischem Sopran zusammengehalten, eine angenehme Stimmfarbe, die sich wie eine weiche Decke über die Instrumentierung legt.