Trotz Fehlstarts in der GFL1 für die Berlin Rebels beziehungsweise dem „Reset" in der Regionalliga Ost für die Berlin Adler herrscht bei den zwei Footballteams in der Hauptstadt Optimismus.
Kim Kuci ist wohl der perfekte Anführertyp – stets zuversichtlich und positiv denkend. Beispiel: Nach drei Heimniederlagen zum Saisonauftakt sah der Head Coach der Berlin Rebels keinen Druck, der auf ihm oder seinem Team lasten würde. „Wir hatten schon gehofft, dass wir zwei dieser drei Auftaktspiele gewinnen können", räumte der Mittvierziger dabei zwar ein, nimmt die Situation nun aber, wie sie ist: „Das sind eben Theorie und Praxis."
Und in eben der Theorie standen die Vorzeichen für Berlins derzeit bestes Football-Team recht gut: Seit dem Wiederaufstieg in die German Football League 1 (GFL1) im Jahr 2012 ist schließlich eine stete Entwicklung zu erkennen. Seit 2016 erreichte man sogar regelmäßig eine Platzierung, die zur Teilnahme an den Play-offs um die Deutsche Meisterschaft berechtigt. Letztes Jahr verhinderte bloß ein Unentschieden am letzten Spieltag zwischen den Konkurrenten Braunschweig Lions und Dresden Monarchs den nächsten Schritt der Rebels – nämlich die Nord-Gruppe auf einem der beiden ersten Ränge abzuschließen, wodurch erstmals der Heimvorteil in der K.-o.-Phase gesichert gewesen wäre. So war zum dritten Mal auswärts im Viertelfinale Schluss: In einer denkwürdigen Regenschlacht verlor man bei Frankfurt Universe 5:6.
„Das sind eben Theorie und Praxis"
Unter diesen Umständen wuchsen im Team natürlich das Verlangen, endlich Platz eins oder zwei in der Regular Season 2019 zu erlangen sowie die Sehnsucht, am Ende das Halbfinale oder gar Endspiel zu erreichen. Die finanziellen Mittel sind allerdings nicht so groß wie andernorts: So gingen vor der Saison nicht nur zwei Spieler nach Nordamerika – mit Mamadou Sy verlor man auch einen wichtigen Mann an die Hildesheim Invaders. Beim Ligakonkurrenten verfügt man seit neuestem über einen finanziellen Rahmen, mit dem man sich ein starkes Ensemble zusammenstellen konnte. Das bekamen die Rebels auch am 3. Spieltag der GFL1 zu spüren: Nach den Heimniederlagen gegen die Potsdam Royals (17:30) und Braunschweig Lions (12:29) reichten den Hauptstädtern gegen Hildesheim nicht einmal starke 41 Punkte zum Sieg, denn die Invaders brachten deren 56 auf die Anzeigetafel im Mommsenstadion. „Es war uns von vornherein klar, dass wir gegen die drei ‚Top Contender‘ der Liga in die Spielzeit starten", machte Kuci kurzerhand einen Haken unter die Negativserie, nachdem am Pfingstsonntag gegen die Kiel Baltic Hurricanes (33:13) der erste Sieg der Season gelungen war. Auch bei Aufsteiger Düsseldorf gab es am Wochenende einen souveränen 55:20-Sieg.
Neben einigen Stützen, die man wieder zum Bleiben bewegen konnte, holte man auf Seiten der Rebels auch neue Spieler dazu: Allen voran die US-Amerikaner Paul Morant (Safety) von den Milano Seamen und TJ Esekielu (Wide Receiver) sowie Andreas Betza (Running Back) aus Frankfurt. Dazu gesellen sich auch die drei polnischen Nationalspieler Mateusz Dubicki (Wide Receiver), Maciej Jaroszewski (Linebacker) und Marcin Kaim (Defensive Back). Und zu guter Letzt konnte gegen Kiel auch erstmals Kurt Palandech eingesetzt werden: Der Quarterback musste zuerst noch die Season in den USA beenden, bevor es an die Spree gehen konnte. Der 24-Jährige hinterließ bei seinem Debüt gleich einen starken Eindruck und bekam auch Lob von Kim Kuci. So war der Rebels-Coach – beinahe möchte man sagen: natürlich – zuversichtlich, dass die Playoff-Teilnahme auch in diesem Jahr wieder gelingt: „Die Topteams – und dazu zähle ich auch uns – sind dieses Jahr so nah beieinander, da kann man es auch mit ein paar Niederlagen schaffen." Sogar einen der ersten beiden Plätze im Norden hält er noch für möglich: „Ja, gar kein Problem", sagt Kuci angesichts der Ausgeglichenheit der Liga – und lächelt dabei zuversichtlich.
Ganz anders sah es da noch vor dem Saisonauftakt der Berlin Adler in der Regionalliga Ost aus. Schließlich bedeutete das erste Pflichtspiel des ältesten Footballclubs der Hauptstadt in der Drittklassigkeit einen historischen Tiefpunkt. Die Anspannung bei den Verantwortlichen war förmlich greifbar: Einerseits verursacht durch die Gewissheit, nicht mal mehr dabei zu sein, wenn die GFL2 spielt – andererseits durch die Unsicherheit, wo das Team nach zweijährigem Absturz aus der GFL1 und einer Rundumerneuerung steht. Die Premierenminuten beim Auswärtsspiel Anfang Mai auf dem Sportplatz an der Neuköllner Lipschitzallee liefen dann auch noch etwas holprig – am Ende aber gewannen die Adler deutlich mit 70:13 bei den Berlin Bears.
Wichtig war dabei zunächst die Weichenstellung innerhalb des Vereins nach dem Abstieg aus der GFL2: Stefan Mücke und Aykut Tercan blieben dabei zwar Vorsitzende, der Vorstand wurde allerdings erweitert – einerseits mit Vertretern von Sponsoren, andererseits aber auch mit einer Galionsfigur wie Roman Motzkus. Der frühere Wide Receiver der Adler besitzt nicht nur im Verein Legendenstatus, sondern hat sich inzwischen durch die deutsche TV-Berichterstattung über die NFL („ranNFL") als Experte einen noch höheren Bekanntheitsgrad verschafft. Außerdem wurde der Posten des Sportdirektors geschaffen und mit einem früheren Adler-Spieler besetzt: Jörg Bauerfeind sammelte zuvor auch viele Jahre Erfahrung als Trainer, unter anderem bei den Dresden Monarchs oder den Berlin Rebels.
Zwei Routiniers mit Erstligaerfahrung
Man konnte dazu zwei Routiniers mit Erstligaerfahrung für die Aufgabe bei den Adlern gewinnen: Zach Cavanaugh für die Position des Quarterbacks und Daniel Voehringer als Receiver. Beide Verpflichtungen sollten sich auf Anhieb auszahlen, denn das Duo war bislang bereits an zahlreichen Touchdowns beteiligt. Die Berlin Thunderbirds (51:0), erneut die Bears (70:6) oder die Tollense Sharks (49:14) bekamen von den Adlern jedenfalls deutlich ihre Grenzen aufgezeigt, auch Mitfavorit Cottbus Crayfish (26:3) wurde besiegt. Und auch gegen die zweite Mannschaft der Rebels wurde 35:14 gewonnen.
Doch mit dem – wie sich inzwischen herausgestellt hat – ärgsten Konkurrenten in der Nordstaffel der Regionalliga Ost kreuzt man erst an diesem Sonntag, 23. Juni, die Klingen: Die Spandau Bulldogs haben all ihre sieben Partien bisher siegreich bestritten und liegen deshalb aktuell noch vor den Adlern in der Tabelle auf Platz eins. Gut möglich, dass zu dem Spitzenspiel im Poststadion dann wieder eine vierstellige Zuschauerzahl pilgert – und das nicht nur, weil der Club vor der Saison quasi als „Entschädigung" für seinen treuen Anhang die Eintrittspreise gesenkt hat.