Moritz Reichert aus Lebach schmetterte die Berlin Recycling Volleys mit einem Ass zur Deutschen Meisterschaft. Kaum ausgejubelt, steht er schon wieder auf dem Feld. Mit der Nationalmannschaft ist er bis zur Europameisterschaft im September auf „Ochsentour".
Gerade erst mit dem Flugzeug aus China angekommen, geht es für Moritz Reichert gleich weiter: Nur ein kurzer Zwischenstopp am Frankfurter Flughafen unterbricht Anfang Juni die Weiterreise nach Kanada. Das Leben des Volleyball-Nationalspielers aus Lebach ist von Reisen geprägt. Als neuer Deutscher Meister mit den Berlin Volleys absolviert der 24-Jährige quasi im Nachgang in nur 31 Tagen satte 15 Nations-League-Spiele mit der deutschen Nationalmannschaft. Das ist nur die Hauptrunde, versteht sich. „Die besten Sechs qualifizieren sich für die Finalrunde – und dort wollen wir hin. Also sind wir noch ein paar Tage unterwegs", sagt Reichert mit einem Lächeln, das weniger gequält wirkt als man denken mag. „Ich hatte nach dem Saisonende zehn Tage frei, wovon ich auch ein paar Tage bei meiner Familie in Lebach verbracht habe. Es ist schon anstrengend, aber die Mühe wird sich ja auch auszahlen", ist sich der Saarländer sicher.
Vielleicht so, wie Mitte Mai im Finale um die Deutsche Meisterschaft: Reicherts Ass, das auf der Seite des Gegners VfB Friedrichshafen wie ein Komet einschlug, brachte den Berlin Recycling Volleys im entscheidenden fünften Spiel den Sieg. Es war der Abschluss einer Finalserie, die spannender nicht hätte verlaufen können: Berlin lag nach drei Spielen mit 1:2 in Rückstand. Nach dem Ausgleich fiel die Entscheidung im fünften und damit letzten Satz des letzten Duells im Tiebreak – erst dann machte Reichert mit seinem Aufschlag-Hammer zum 16:14-Satz-, Spiel- und Finalgewinn kurzen Prozess. Was bleibt, ist große Zufriedenheit mit dem Abschluss einer nicht ganz einfachen Saison. „Der Start verlief für uns recht schwierig – auch für mich persönlich", erinnert sich Reichert, der mit einer Sprunggelenksverletzung zu kämpfen hatte. Im Winter kam eine Bauchmuskelverletzung hinzu. „Von daher lief anfangs vieles nicht so gut zusammen wie wir uns das vorgestellt hatten. Dass wir die Runde dann mit der Meisterschaft beenden konnten, ist da natürlich super", sagt er, ohne zu verschweigen, dass er sich mit seinem Team ursprünglich noch mehr vorgenommen hatte: „Wir wollten auch ins Pokalfinale kommen und in der Champions League die Gruppenphase überstehen, was wir leider nicht geschafft haben. Am Ende war es durch den Titel in der Liga aber trotzdem eine erfolgreiche Saison." An diese Leistung will der in Charlottenburg lebende Volleyball-Profi in der nächsten Saison anknüpfen und hat dafür seinen Vertrag mit den Berlin Recycling Volleys um ein Jahr bis 2020 verlängert.
„Es gibt nichts, was ich bereuen würde"
Mit dem Volleyballspielen angefangen hat Reichert 2003 beim TV Lebach, 2011 wechselte er ins Volleyball-Internat Frankfurt (bis 2014), für das er in der 2. Bundesliga spielte. Zeitgleich war Reichert auch noch in der Jugend des TV Bliesen (2012 bis 2014) aktiv. Das Jahr 2013 war, an den Titeln gemessen, sein bisher erfolgreichstes. Zwei Deutsche Meistertitel (U20 und U19) sowie der U19-Weltmeistertitel im Beachvolleyball mit seinem Mitspieler Clemens Winckler standen auf dem Konto des damaligen Kapitäns der Hallen-Jugendnationalmannschaft. Die Auszeichnung zum besten saarländischen Nachwuchssportler 2013 war folgerichtig. Nach einem Jahr beim diesjährigen Finalgegner VfB Friedrichshafen, mit dem er 2015 Deutscher Meister und Pokalsieger wurde, zog es ihn zunächst wieder zurück nach Frankfurt zu den United Volleys Rhein-Main (2015 bis 2017). Nach einer Saison beim französischen Champions-League-Sieger von 2005, Tours VB, wechselte er als französischer Meister 2018 nach Berlin. „Im Nachhinein ist schwer zu sagen, ob etwas besser oder schlechter gelaufen wäre, wenn ich mich anders entschieden hätte. Aber im Großen und Ganzen bin ich ganz zufrieden, wie sich alles entwickelt hat", blickt Reichert zurück und sagt: „Es gibt nichts, was ich bereuen würde." Auch nicht die Entscheidung für den Hallenvolleyball und gegen Beachvolleyball, vor der er vor einigen Jahren stand. „Ich konnte mich damals relativ schnell entscheiden, und das war auch richtig so. Ich war seit dieser Zeit auch gar nicht mehr im Sand", stellt er fest. Nicht mal privat mit Freunden. Oder seiner Freundin, die selbst beim Volleyball-Erstligisten Straubing spielt.
Bevor er wieder vor mehr als 5.000 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle für seinen Verein aufschlagen kann, steht noch einiges auf dem Plan des 1,95 Meter langen Außenangreifers. Wenn Ende August die Vorbereitung auf die neue Bundesligasaison startet, befindet sich Reichert – sofern nichts dazwischenkommt – immer noch bei der Nationalmannschaft. Die bereitet sich nämlich zur gleichen Zeit auf die Europameisterschaft im September vor. Als wäre er in diesem Jahr nicht schon genug gereist, wird die EM gleich in vier Ländern ausgetragen: in Holland, Slowenien, Belgien, wo die deutsche Nationalmannschaft ihre Vorrundenspiele bestreitet, und Frankreich, wo die Finalrunde ausgetragen wird. Danach geht es zurück nach Berlin, weil Mitte Oktober die Bundesligarunde beginnt. „Natürlich wird die freie Zeit durch einen solchen Plan knapper, aber Raum für einen Urlaub wird auf jeden Fall drin sein", versichert Reichert.
Den wird er auch brauchen – insbesondere um seine Freundin zu sehen. Angesichts der vielen Reisen entsteht der Eindruck einer Flughafen-Beziehung. „Ganz so schlimm ist es nicht, aber wir nutzen jede Gelegenheit, die sich uns bietet, um uns zu treffen. Während der Saison ist das seltener der Fall, aber es funktioniert schon", sagt Reichert.
Die Ziele der Berlin Recycling Volleys in der Spielzeit 2019/2020 sind klar: den Meistertitel verteidigen, den Pokalsieg anstreben und in der Champions League das Maximale herausholen. Persönlich wünscht sich Moritz Reichert vor allem, unversehrt zu bleiben. „Die Verletzungen haben mich schon etwas zurückgeworfen. Glücklicherweise konnte ich gerade im Finale meine beste Leistung abrufen. Diese Form will ich gerne so lange wie möglich halten und mich als Spieler weiterentwickeln", sagt der 24-Jährige, der zusätzlich zu seiner Profikarriere ein BWL-Fernstudium absolviert. Wenigstens etwas, das er auch von zu Hause aus machen kann. Ganz ohne reisen.