Der SV Lichtenberg 47 wird Meister der NOFV-Oberliga Nord – Tennis Borussia steht trotz guter Saison mit leeren Händen da.
Die zweitmeisten Treffer erzielt, die mit Abstand beste Verteidigung, seit dem 4. Spieltag die Tabellenführung nicht mehr abgegeben, zwei Runden vor Saisonende bereits Meister – das alles spricht für eine souveräne Spielzeit des Primus der NOFV-Oberliga Nord 2018/19. Aber: Langeweile durch Lichtenberg 47? Davon konnte im Verlauf des Spieljahres nun auch wieder nicht die Rede sein. Schließlich stellte der neue Meister keine „Übermannschaft" dar wie in den beiden Vorjahren etwa die VSG Altglienicke beziehungsweise Optik Rathenow. Mit dem ganz großen Etat konnte – und wollte – man an der Ruschestraße dieses Jahr wieder nicht operieren. Auch in der siebten Saison in der Oberliga gehen alle Spieler abseits des Platzes einer Tätigkeit nach und fallen somit unter die Kategorie „Feierabendfußballer". Wie man diesen etwas despektierlich angehauchten Begriff aber auf Dauer positiv besetzen kann, zeigt Lichtenberg 47 eben schon seit Jahren. Man setzt auf einen Spielerstamm und holt punktuell vor allem charakterstarke Akteure dazu. Diese werden durch die familiäre Atmosphäre, gute Ausrüstung oder ausgezeichnete Trainingsbedingungen überzeugt. Gemeinsam mit dem Sportlichen Leiter Benjamin Plötz erwies sich Uwe Lehmann so als beeindruckender Baumeister dieses Meisterteams – erhielt dafür aber auch die nötige Zeit von den Verantwortlichen.
Ganze zwölf Gegentore ließ die Defensive zu
Im April 2014 kam der heute 37-Jährige ins Traineramt, seither steigerte Lichtenberg 47 Jahr für Jahr seine Punktausbeute. Zuletzt verbesserte man sich dreimal gleich um sieben Zähler in der Endabrechnung – mit diesmal 74 an der Zahl lief man schließlich deutlich vor dem härtesten Konkurrenten Tennis Borussia (67) ins Ziel ein. Angesichts der erwähnten Voraussetzungen ist dieser Triumph so auch ein ganz besonderer, denn man findet eigentlich niemanden in Fußball-Berlin und Umgebung, der diesen Erfolg den 47ern nicht gönnen oder etwa als unverdient erachten würde. Das Prunkstück der Meistermannschaft war sicherlich die Abwehr: Ganze zwölf Gegentore ließ die Defensive um Torwart Niklas Wollert (24 Jahre, seit 2015 im Verein) und Abwehrchef Sebastian Reiniger (30, seit 2013) in 30 Saisonspielen zu. Im Mittelfeld erwies sich Rückkehrer Maik Haubitz (spielte drei Jahre in der Regionalliga) als Volltreffer, zusammen mit David Hollwitz (brachte es auf drei Zweitligaeinsätze für Union) sorgte er für Stabilität im Spiel der Lichtenberger. Dazu glänzte Christian Gawe einmal mehr in der Kreativzentrale und stockte die Anzahl seiner Torvorbereitungen auf jetzt über 60 in drei Jahren auf. Die insgesamt 67 Tore verteilten sich auf rund zehn Spieler – bester Schütze war Philipp Grüneberg mit 14 Treffern in nur 21 Einsätzen. Der Torjäger wird allerdings wegen einer Mitte Mai erlittenen Knieverletzung für Monate ausfallen.
Tennis Borussia blieb dagegen wie im vergangenen Jahr (damals gegen Rathenow) nur der Part des unglücklichen Widersachers. Wieder musste man aufgrund eines holprigen Starts – dieses Mal lag man nach vier Spieltagen bereits fünf Punkte hinter dem Spitzenreiter – aufholen und scheiterte einmal mehr trotz hervorragender Ergebnisse am Ende auch an sich selbst. Am 27. Spieltag, eine Runde vor dem Topspiel bei 47, leistete man sich beim 1:3 zu Hause gegen den Tabellenzwölften SV Altlüdersdorf den vorentscheidenden Ausrutscher. Bei damit sechs Punkten Rückstand hatte das folgende Duell in Lichtenberg nicht mehr den absoluten „Endspielcharakter": TeBe verlor dort ebenfalls (0:2) und damit auch die Meisterschaft an den Rivalen. Da man eine Woche darauf auch im Berliner Pokalfinale (0:1 gegen Regionalligist Viktoria) unterlag, standen die Charlottenburger um den Zweitliga-erfahrenenen Ex-Profi Thiago Rockenbach da Silva (34) trotz einer sportlich guten Saison am Ende mit leeren Händen da.
Der streitbare Vereinsvorsitzende Jens Redlich, mit seiner Fitnessstudio-Kette auch Hauptsponsor der „Veilchen", hat damit seinen Plan, innerhalb von drei Jahren den Aufstieg zu schaffen, verpasst. Der Unternehmer will weiter die Regionalliga anpeilen, wird dabei wohl – möglicherweise auch aus finanziellen Gründen – vermehrt auf Talente aus der starken Nachwuchsarbeit setzen. Dazu hatte Redlich mit dem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen ihm und der aktiven Fanszene auch seinen Anteil am Bruch zwischen beiden Parteien – mit der Folge, dass der lila-weiße Anhang dem Team gegen Ende der Saison zu einem nicht unerheblichen Teil den Rücken kehrte. Eine starke Saison lieferte auch der Greifswalder FC ab: Mit Trainer Roland Kroos (Vater der Profis Toni und Felix) brachte es der Aufsteiger gleich zum dritten Platz. Dahinter lief der FC Hertha 03 zum dritten Mal in Folge auf Rang vier ein. Die Zehlendorfer durften dabei angesichts einiger junger Spieler im Kader einmal mehr zufrieden sein – mussten aber auch feststellen, dass selbst ein Top-Torjäger in den eigenen Reihen nicht für die Teilnahme am Titelrennen reichte: Sebastian Huke traf in 24 Einsätzen 30 Mal für die kleine „Hertha".
Sebastian Huke traf in 24 Einsätzen 30 Mal
Aufsteiger Sportliche Vereinigung Blau-Weiß 90 erlebte dagegen einen schwierigen Start: Trotz zahlreicher Akteure mit Regional- und Oberligaerfahrung stand man nach dem siebten Spieltag mit einem Punkt und ohne einen einzigen Torerfolg am Tabellenende. Doch in Mariendorf ließ man sich nicht aus dem Konzept bringen und hielt an Trainer Marco Gebhardt (früherer Bundesligaprofi) fest, der seine Schützlinge noch auf einen sechsten Platz führte. Ein klassisches „verflixtes, zweites Jahr" in der Oberliga erlebte der SC Staaken, der sich erst auf der Zielgerade der Saison aus der umfangreichen Gefahrenzone der Tabelle verabschieden konnte.
Bärenstark startete dagegen überraschend der CFC Hertha 06 in die Spielzeit – angesichts des Riesenumbruchs im Sommer 2018. Trainerrückkehrer Murat Tik brachte die junge Truppe aber schnell auf Trab, nach zwölf Spieltagen hatte man bereits 22 Punkte auf dem Konto. Am Ende sollte es für die Charlottenburger dann aber nur noch zu weiteren 15 Zählern und Platz elf reichen. Konstant auf hohem Niveau zu spielen schaffen über eine ganze Saison eben nur wenige Teams, Lichtenberg 47 tat dies in der NOFV-Oberliga Nord schon seit Jahren – nun darf man sich auf dem nächsthöheren Level, der Regionalliga Nordost, beweisen.