Mit acht Jahren erkrankte die Kolumbianerin Maria Eloisa Castro Rey an Lepra. Als Erwachsene wurden ihr die Füße amputiert. Der Kontakt zu einem Würzburger Hilfswerk für Leprakranke veränderte schließlich ihr Leben.
Regelmäßig geht sie zum Tanzen. Das ist ihre Leidenschaft. Seit die 82-Jährige von dem Würzburger Hilfswerk DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. passende Prothesen und gute orthopädische Schuhe erhielt, hat sich ihr Leben verändert. Zum Guten! Denn die Rhythmen von Cumbia und Paso Doble haben ihr schon als junges Mädchen gefallen. „Tanzen liegt mir im Blut", lacht Maria Eloisa Castro Rey.
Die Präsidentin der kolumbianischen Nationalen Vereinigung der Leprakranken mit Sitz in Bogotá hat nie aufgegeben. Auch nicht, als sie mit acht Jahren erste Lepraflecken bekam. Der Onkel, ein Arzt, war gerade aus Amerika zu Besuch auf der Familien-Finca nahe der Hauptstadt. „Er hielt eine glühende Zigarette ganz nah an meine Stirn, und ich spürte nichts von ihrer Hitze. Dann sagte er, dass ich Lepra habe." Alarmiert von dieser Vermutung fuhr die Familie mit der Kleinen zur Untersuchung in die Hauptstadt. „Die Mediziner vor Ort konnten keine Erkrankung feststellen", betont sie heute. Und die nächsten 20 Jahre änderte sich auch nichts an der Behauptung der Ärzte. Genauso wenig wie an ihrem Zustand. Nicht einmal, als sich ihre Finger veränderten und langsam gefühllos wurden. „Ich wurde immer schwächer, doch niemand konnte mir helfen." Ihre Eltern vermuteten eine allergische Reaktion gegenüber bestimmten Pflanzen.
Und dann geschah etwas, mit dem die junge Frau schon lange rechnete. Sie erhielt die Diagnose einer Lepraerkrankung. Mit 29 Jahren begann endlich die Behandlung, denn die Symptome waren nun offensichtlich. Auch für die Mediziner in der Hauptstadt. Sie zog zu ihrem Bruder und seiner Frau nach Bogotá. Mittlerweile war die unverheiratete Frau schwanger. „Ich erzählte niemandem etwas, weder von meiner Lepraerkrankung noch von meiner Schwangerschaft. Mein Vater war gerade gestorben, und ich wollte die Familie nicht zusätzlich belasten." Sie kam bei einer Freundin unter und brachte ihre Tochter zur Welt. Als sie erfuhr, dass die Familie nach ihr suchte, kam sie mit dem Baby zurück und stellte alle vor vollendete Tatsachen: Ihre Lepraerkrankung, ein Kind und keinen Ehemann. „Zum Glück konnte ich mich auf meine Familie verlassen." Einigen gefiel das neue Familienmitglied, manchen jedoch auch nicht. „Niemand stellte Fragen, und meine Kleine wurde in den Familienkreis aufgenommen." Noch heute hat die rüstige Seniorin ein inniges Verhältnis zu ihrer Tochter.
Die Fußprothesen passten nicht richtig
Mittlerweile waren ihre Hände und Füße durch die Lepra stark in Mitleidenschaft gezogen. „Ich war sehr erleichtert, als man mir Ende der 80er-Jahre beide Füße amputierte. Erst den einen, dann den anderen!" Endlich konnte sie ein Leben ohne Schmerzen und Wundversorgung führen. Doch es gab auch einen Wermutstropfen: Die Fußprothesen schmerzten.
Ein paar Jahre später hörte sie zum ersten Mal von dem Engagement der DAHW in Kolumbien. Sie informierte sich und erfuhr, dass die deutsche Organisation auch orthopädische Hilfsmittel anbot. „Seitdem passen die Prothesen. Mein Leben hat sich damit zum Besseren gewandt." Auch deshalb, weil ihre Aufgabe als Präsidentin der Selbsthilfegruppe sie sehr ausfülle, es ein sinnvolles Ehrenamt sei und sie zufrieden mache.
Im Jahr 2016 wurde sie zur Vorsitzenden gewählt. Und dann kam diese einmalige Chance, die bei ihr immer noch ein riesiges Erstaunen hinterlässt. „Ich durfte in dieser Funktion den Papst treffen! Und zu seiner Audienz nach Rom fliegen", erzählt sie. „Ich, warum ich? Das habe ich mich immer wieder gefragt!" Zumal sie noch nie in einem Flieger saß und große Flugangst hatte. „Den Rom-Besuch meisterte sie wunderbar", ergänzt DAHW-Sozialarbeiterin Martha Barbosa. „Maria Eloisa macht vielen Mut. Und ganz besonders denen, die viel weniger Beschwerden haben als sie, aber immer nur jammern."
Oft wird Barbosa in ihrem Büro in Bogotá besucht. Und immer sind die Begegnungen herzlich, mit Lachen, Umarmungen und manchmal auch Tränen – Freudentränen. „Wir mögen sie sehr, sie hat so viel für uns getan", betont Castro Rey. Die Sozialarbeiterin möchte das oft gar nicht hören, denn auch sie selbst hat profitiert: Von ihrem Job, von den Menschen, für die sie da ist. „Durch die Arbeit habe ich meine Persönlichkeit entfalten können", sagt sie heute. „Immer wieder sehe ich, wie sich ehemalige Leprapatienten verändern und viel selbstbewusster werden. Vor allem dann, wenn sie Mitglieder der Selbsthilfegruppe sind."
Barbosa prüft Anträge von Leprakranken, besucht sie und entscheidet dann über die Verteilung von Rollstühlen, Krücken, Prothesen und orthopädischen Schuhen. Hinzu kommt ihr Einsatz gegen Isolation und gesellschaftliche Ausgrenzung. Denn das gibt es immer noch. Auch in Kolumbien ist Lepra mit einem großen Stigma behaftet. Barbosa geht auf Veranstaltungen, um zu reden, um sich einzusetzen, für ihre Schützlinge, die ihr selbst so viel geben. Damit hat sie sich ein enges Vertrauensverhältnis schaffen können, und die ehemaligen Patienten kommen sie auch noch Jahre nach ihrer Erkrankung besuchen. „Mein Büro ist immer offen", sagt die 52-Jährige.
Sie erinnert sich an ihre erste Begegnung mit Castro Rey. „Wir luden sie zu einer Veranstaltung ein, doch sie kam nicht. Schließlich erfuhr ich den Grund. Sie hatte zwei amputierte Füße und konnte mit ihren Prothesen nicht laufen. Sie passten einfach nicht." Von der DAHW und über Barbosa bekam sie schließlich passende orthopädische Hilfsmittel. „Ich glaube an Euch und möchte an den Versammlungen gerne teilnehmen", ließ sie die Sozialarbeiterin wissen. Die Seniorin begann endlich, über ihre Probleme zu reden. Und das war gut so, denn die Begegnung mit Martha Barbosa hat ihr Leben nachhaltig verändert. Bis heute.