Nur wenige Stimmen haben gelegentlich über Sieg und Niederlage entschieden, gleichzeitig waren andere Entscheidungen überraschend deutlich. Auf die Rathausspitzen warten beträchtliche Herausforderungen. Der Einfluss der Grünen in den Räten ist erheblich gewachsen.
Wahlergebnisse lassen sich durchaus unterschiedlich lesen. Nach den Stichwahlen stellt die SPD nun die Spitze in 23 Rathäusern, hat damit klar mehr Rathauschefs als die CDU (18). Die aber darf mit Fug und Recht den größten Überraschungscoup für sich reklamieren. Uwe Conradt hat zwar unermüdlich für zumindest ein knappes Ergebnis gekämpft, aber dass es am Schluss für ihn und gegen die bisherige Amtsinhaberin ausfiel und damit die Landeshauptstadt seit mehr als vier Jahrzehnten nicht mehr von den Sozialdemokraten geleitet wird, war wohl auch für ihn selbst im ersten Moment kaum zu fassen.
In Neunkirchen dagegen behauptete Jörg Aumann die Rathausspitze für die SPD. Saarlands „größte Stadt nach Saarbrücken", wie der neue Rathauschef gerne formuliert, bleibt somit rote Bastion. Der dritte neue Oberbürgermeister ist Ulli Meyer (CDU) in St. Ingbert.
Diese drei wie auch die übrigen wieder- oder neugewählten Bürgermeister dürfte die Debatte, die sofort nach der Stichwahl entbrannt war, eher irritieren. Die niedrige Beteiligung im zweiten Durchgang an Pfingstsonntag hat eine Diskussion über Sinn und Zweck von Stichwahlen, Direktwahlen überhaupt sowie Amtszeiten von Rathauschefs ausgelöst. Diskussionen, die regelmäßig nach Wahlen aufflammen und in der Regel ebenso regelmäßig wieder verglimmen. Spätestens dann, wenn die so gewählten Chefs – Frauen sind immer noch die Ausnahme – mit den handfesten Herausforderungen konfrontiert sind.
Grüne Zünglein an der Waage
Die nüchternen Zahlen dazu lassen sich in der aktuellen Antwort der Landesregierung auf eine sogenannte Große Anfrage der Linken im Landtag vom Mai dieses Jahres nachlesen. Demnach haben die Saar-Kommunen einen Gesamtschuldenberg von mehr als dreieinhalb Milliarden Euro (genau: 3.523.131.000 Euro, Stand 31. Dezember 2017) angesammelt, davon höchst problematisch die etwa über zwei Milliarden Kassenkredite – Ausweis einer kritischen Überschuldung. Die Gesamtschulden verteilen sich ungleich im Land. Uwe Conradt übernimmt nicht nur die größte Stadt, sondern auch den höchsten Schuldenberg.
Wie sich Sparkurs, Verschuldung und damit geringe Investitionsquote auswirken, zeigt ein Beispiel an sonst eher weniger sichtbarer Stelle: der kommunalen Kanalisation. Für die 7.200 Kilometer Ortskanäle wird der dringende Sanierungsbedarf auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt, der mittelfristige Sanierungsbedarf dürfte bei etwa einer Milliarde liegen.
Der Bedarf allein an dieser Stelle ist also in einer Größenordnung wie der Gesamtumfang des Saarlandpaktes, mit dem das Land die Kommunen unterstützen will. Der Vergleich hinkt zwar, deutet aber die Dimensionen der Herausforderungen allein durch Altlasten an. Immerhin gibt es durch den Saarlandpakt – und wie sich abzeichnet auch durch Bewegung auf Bundesebene –
nach Jahren der reinen Mängelverwaltung und Sparkurse wieder Gestaltungspielräume und Perspektiven.
Wie die genutzt werden, hängt auch von den neu gewählten Räten ab. Quer durchs Land müssen sich Konstellationen neu zusammenfinden, und quer durch die Bank wird viel an starken Grünen liegen. Die haben zwar keinen Rathauschefsessel erobert, sind aber fast durchgängig – wie auch in der Landeshauptstadt – Zünglein an der Waage. Egal, ob CDU-, SPD- oder parteilose Chefs an der Spitze stehen, wird Kommunalpolitik in den nächsten Jahren auch grüne Handschrift tragen.