Warum Comedians als Politiker Sinn ergeben – und auch, warum nicht
Es scheint, dass in den westlichen politischen Systemen nur noch wenig gilt, auf das man sich verlassen kann. Traditionelle Parteistrukturen werden hinterfragt, die Fluidität politischen Handelns ersetzt Berechenbarkeit und Stabilität durch eine Unvorhersehbarkeit, in der Überraschungen zur neuen Normalität werden. Und oft genug in der Mitte dieses Prozesses: Menschen, die ihr Geld damit verdienen, komisch zu sein.
Schon seit einiger Zeit entwickelte sich die Tendenz, dass politische Satire, gewürzt mit Comedy-Elementen, in vielen westlichen Demokratien eine echte und einflussreiche Oppositionsrolle eingenommen hatte. Auch vor Trump waren unabhängige Talkshow- und Satireformate, etwa in den USA, Kulminationspunkte für die Kommunikation von Dissens, der auch von großen Teilen der Bevölkerung aufgenommen und in den allgemeinen politischen Diskurs übernommen wurde – der Einfluss von Satirikern wie John Oliver oder Trevor Noah ist nicht mehr zu unterschätzen und hat politische Relevanz.
Auch in Deutschland wird das, was die „Heute-Show" oder „Extra 3" senden, nicht mehr nur als reiner Spaß wahrgenommen. Es findet durch Memes schnellen Eingang in soziale Medien und schärft die politische Auseinandersetzung durch etwas, was man „amüsanten Populismus" nennen könnte. In Europa ging es aber noch weiter: Das begann sehr offensichtlich mit den guten Wahlergebnissen der „5-Sterne-Bewegung" in Italien, gegründet durch einen national weithin bekannten Satiriker, die sogar zu einer Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene führten.
Die Wahl eines Berufskollegen zum neuen ukrainischen Präsidenten, der dadurch bekannt wurde, in seiner Sendung einen Präsidenten zu spielen, ist nur ein weiterer Höhepunkt auf diesem Weg. Auch in Deutschland ist der EU-Parlamentsabgeordnete der Partei „Die Partei", Martin Sonneborn, einer der bekanntesten Europapolitiker überhaupt –
mit einer öffentlichen Aufmerksamkeit, auf die mancher Spitzenkandidat anderer Parteien zu Recht neidisch sein dürfte.
Worin liegt diese Entwicklung begründet? Ihre Wurzeln liegen zum einen im Vertrauensverlust in die etablierte Politikerklasse – ein Verlust, der ja nicht zuletzt auch zum Aufstieg rechtsradikaler Gruppierungen geführt hat. Darüber hinaus haben Satiriker, die eine gewisse Popularität erreicht haben, einen guten Startvorteil in Wahlkämpfe, da sie nicht als unbekannte Größe gelten. Ihre oft klare und unmissverständliche Sprache, die Leichtigkeit ihrer politischen Angriffe, die Selbstironie, mit der man die unweigerliche Kritik am eigenen Auftreten abwiegeln kann – all das sind Pluspunkte, mit denen solche Kandidaten ins politische Rennen gehen können.
Auch wenn sie alle mehr oder weniger klare politische Positionen haben, wird ihnen gerne zugehört, weil es ihnen gelingt, die Schwächen der Konkurrenz durch amüsante Überhöhung auf eine Weise herauszustellen, die „normalen" Kandidaten verwehrt bleibt.
Satiriker und Comedians kommen meist nicht so verbiestert rüber, sie sind noch keine Opfer des rhetorischen Raubbaus der Politikersprache und sie sind deswegen so attraktiv, weil ihnen nicht gleichzeitig automatisch der Ruch des politischen Extremismus anhaftet. Sie werden daher auf genuine Weise als Kontrollinstanz ernst genommen, da sie exakt diese Rolle bereits seit Langem durch ihr kulturelles Engagement spielen.
Der Siegeszug der Witzigen in der Politik wird so lange ungebrochen fortgesetzt werden, wie es die politische Funktionselite nicht schafft, die Nische, die diese Konkurrenz besetzt, wieder für sich zu reklamieren – und das bedeutet vor allem Rückgewinnung politischen Vertrauens. Wenn wir uns aber die Effekte der eigentlichen politischen Arbeit der Satiriker in Amt und Würden ansehen, so ist weiter Vorsicht angebracht. Die Regierungsbeteiligung der Comedians in Italien ist eine veritable Katastrophe. Auf den neuen ukrainischen Präsidenten sind wir alle noch gespannt. Und Herr Sonneborn gibt amüsante Interviews. Etwas mehr sollten wir von der Politik aber schon erwarten dürfen.