Was in die alten Verbrennungsmotoren künftig hinein soll, wenn Diesel und Benzin aus Gründen der Klima- und Menschen-Gesundheit unerwünscht sind, ist nicht einfach. Verbrennungseffizienz einerseits und Verbote andererseits sind heiß diskutierte Themen.
China prescht bereits in diesem Jahr vor, spätestens 2050 will auch Deutschland Verbrennungsmotoren verbannen. Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven kündigte in seiner Regierungserklärung an, den Verkauf von Neuwagen, die mit Diesel oder Benzin fahren, ab 2030 zu verbieten. Das geht an die Substanz der Autobauer-Nation, fürchten viele. Doch wenn die Effizienz von Energieverwertung und die Kostenkalkulation stimmen würden, könnten die Fahrzeugtechniker mit optimierten Motoren punkten, die klimaneutrale Kraftstoffe verbrennen. Aus Abfallprodukten, Wasserstoff oder nachwachsenden Rohstoffen, die als „Müll" der menschlichen Nahrungskette nichts wegnehmen. Die Brennwerte optimieren, die sich von fossilen Kraftstoffen wegentwickeln. Mit klimaneutralen Kraftstoffen müssten sich auch Schwerlastverkehr oder mobile Heizkraftwerke füttern lassen. Ebenso Flugzeuge, die sich auf Langstrecken kaum rein elektromobil in der Luft halten können. Denn ein Verbrennen und Antreiben ohne fossile Kraftstoffe, sowie fast ohne unerwünschte Nebenprodukte wie Rußpartikel oder Kohlenwasserstoffe, soll mit neuen Designerkraftstoffen möglich sein. Das wäre gut für die Luftreinheit.
Klimaneutrale Kraftstoffe sind das Ziel
Beispielsweise das Projekt XME-Diesel, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, hat das Ziel, den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen aus der Gruppe der Oxymethylenether OME voranzubringen. Wissenschaftler des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen der TUM haben dabei untersucht, wie sich OME im Motor verhalten, welche Anpassungen nötig sind, damit die Verbrennung effizienter ist und wie stark sich die schädlichen Emissionen im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen reduzieren lassen. Da der synthetische Kraftstoff keinen Ruß produziert, soll es möglich sein, große Mengen an Abgas wieder in den Motor zurückzuführen, ohne dass der Einlasstrakt verschmutzt wird. Mit diesem Verfahren wird – den TUM-Forschern zufolge – die Entstehung von Stickoxiden gebremst, weil das rückgeführte Abgas sehr hohe Temperaturen während der Verbrennung verhindert.
Unsere Autorin fragte nach bei Projekt-Koordinator Dr. Martin Härtl:
Vielen Autobesitzern oder Lkw-Flottenbetreibern wäre es am liebsten, sie könnten mit ihren vorhandenen Fahrzeugen klimaneutrale Kraftstoffe tanken. Bietet denn das XME-Diesel-Projekt mit seinen synthetischen Kraftstoffen diese Möglichkeit?
Unser Projekt ist ein Forschungsprojekt, hier wollen wir die Möglichkeit einer klima- und emissionsneutralen Mobilität mit Verbrennungsmotoren demonstrieren. Einzelne Fahrzeuge sind bereits von uns und anderen, zum Beispiel der TU Darmstadt, umgerüstet worden, sodass wir an der Machbarkeit nicht zweifeln.
Mit welchem Aufwand und welchen Kosten müssten Fahrzeuge umgebaut werden, um OME-Kraftstoffe zu tanken und klimafreundlich unterwegs zu sein?
Ein Umbau ist technisch machbar und mit niedrigen, vierstelligen Kosten verbunden. Sinnvoller ist aber die gezielte Auslegung neuer OME-Motoren, weil diese das Potenzial deutlich geringerer Schadstoffemissionen haben. Denn synthetische Kraftstoffe – und auch die E-Mobilität – sind ja erst dann CO₂-neutral, wenn das Energiesystem vollständig nachhaltig geworden ist. Etwa 85 Prozent des Weges liegen hier noch vor uns, und auch der Ausstieg aus der Kohle soll ja noch knapp 20 Jahre dauern. Berücksichtigt man noch die Bauzeiten chemischer Anlagen zur synthetischen Kraftstoffherstellung mit bis zu zehn Jahren für Großprojekte wird klar, dass es hier eine langfristige Strategie geben muss.
Das heißt also, dass synthetische Kraftstoffe für Pkw nicht rechtzeitig vor 2030 verfügbar sein werden, da erst geeignete, chemische Großanlagen zur
Kraftstoffherstellung gebaut werden müssen?
Synthetische Kraftstoffe im Allgemeinen sind bereits heute verfügbar. Diese sind allerdings meist noch nicht nachhaltig, sondern noch auf fossiler Basis hergestellt. OME im Speziellen ist ein neuerer Ansatz und nur in sehr kleinem Umfang auf dem Markt verfügbar. Worauf wir unabhängig von der zukünftigen Technologie angewiesen sind, ist ein schneller Erfolg der Energiewende. Auch der Strom für unsere Elektroautos ist ja noch zu 60 Prozent fossil, beziehungsweise nicht nachhaltig.
Erwarten Sie Unterschiede bei OME-Kraftstoffen gegenüber herkömmlichem Diesel hinsichtlich Leistungsaufnahme, Sicherheit und Preis?
OME ist genauso explosionssicher wie Diesel und bietet Vorteile bei Gewässerschutz und Giftigkeit. Die Motorleistung wird leicht verbessert. Herstellungskosten einer energieäquivalenten Menge OME können langfristig etwa beim Tankstellenpreis von Diesel liegen. Inklusive Steuern müsste man also mehr bezahlen.
Ein Verzicht auf Steuern könnte für OMEs einen äquivalenten Preis gegenüber dem gegenwärtigen Dieselpreis bedeuten?
Das stimmt nur, wenn man großtechnische Anlagen voraussetzt und der Ausgangsstoff Methanol durch die Energiewende nicht deutlich teurer wird. Mit den heutigen Methanolpreisen stimmt es zwar, aber hier ist die Basis ja auch noch fossil. Eine so plakative Aussage ist problematisch, weil wir alle die Zukunft nicht kennen. Zudem ist die zukünftige Strategie der Besteuerung ja nicht vorhersehbar, und in welche Richtung die Politik lenken möchte.
Lässt sich aus Ihrer Sicht der Verbrennungsmotor noch retten?
Wir erwarten eine Diversifizierung der Antriebe, beispielsweise auch Hybride oder reine Elektromotoren, und ihrer Energiequellen: Für jede Anwendung die beste Technik. In vielen Anwendungen kann der Verbrennungsmotor weiterhin die beste Lösung sein, zum Beispiel für schwere Fahrzeuge und lange Strecken, autarke Systeme auf Baustellen, Hochseeschifffahrt et cetera. Wenn wir hier die Arbeit am Verbrennungsmotor nicht weiterführen, kann die Energiewende auch nicht gelingen.
Verbrennungsmotoren werden zumindest bei Anwendungen mit sehr hohem Energiebedarf weiterhin benötigt?
Das sehe ich so.
Müssten die deutschen Automobilhersteller nicht auf OMEs abfahren, da sich die Energiewende und ihr klassisches Geschäftsmodell damit verbinden ließen?
Die deutschen Hersteller beschäftigen sich intern alle mit dem Thema. Synthetisches Gas ist bei Audi mit „E-Gas" ja sogar schon ein Geschäftsmodell geworden. Es gibt aber ein Problem mit allen synthetischen Kraftstoffen: Es kommt weiterhin CO₂ aus dem Abgasrohr. Zwar lässt sich der Kreislauf schließen, sodass bei der Kraftstoffherstellung die entsprechende Menge CO₂ wieder aus der Atmosphäre entnommen wird. Die Flottenziele für CO₂, mit bald 95 Gramm pro Kilometer, beziehen sich aber nicht auf den Gesamtprozess, sondern nur auf das Abgasrohr. Das soll gezielt die E-Mobilität fördern, weil hier das CO₂ an anderer Stelle entsteht, zum Beispiel im Kohlekraftwerk. Hier fehlen also noch weitgehend die Anreize für Fahrzeughersteller, weil die Verantwortung unter den Sektoren aufgeteilt wurde. Was dringend nötig wäre, ist aber eine Kopplung der Sektoren.
Bosch beschäftigt sich ebenfalls mit möglichen erneuerbaren Kraftstoffen, die im Dieselmotor einsetzbar sind. Steffen Eppler, Experte für alternative Kraftstoffe bei der Robert Bosch GmbH: „Regenerative und synthetische Kraftstoffe für Dieselmotoren können bereits heute innerhalb der bestehenden Kraftstoffnormen beigemischt und genutzt werden. Ein Umbau der Fahrzeuge ist hierfür nicht erforderlich. Paraffinische Kraftstoffe werden heute vorrangig aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt, bei Verwendung dieses Kraftstoffes – etwa C.A.R.E Diesel – ergibt sich eine CO₂-Reduzierung um rund zwei Drittel. Eine gänzlich klimaneutrale Mobilität auf Basis dieser paraffinischen Kraftstoffe ist möglich, wenn diese nicht aus Reststoffen, sondern aus erneuerbarem Strom hergestellt werden – eFuels."