Ein Sachbuch über Architektur, das höchst vergnüglich zu lesen ist? Eine Seltenheit, aber der „Abriss-Atlas" gehört eindeutig dazu. Die Hauptstadt mit ihrem derzeitigen Bauwahn fordert ein solches Buch auch geradezu heraus. Nach dem Mauerfall galten die Plattenbauten im Ostteil der Stadt noch als verfemte Orte, im Sozialismus in Billigmanier aus dem Boden gestampft. Niemand wollte dort wohnen, die Leerstandsraten waren exorbitant. Doch mittlerweile hat sich die öde Plattenbauweise auf ganz Berlin ausgebreitet, und wegen der Wohnungsnot wagt sich fast niemand, zu protestieren.
Im „Abriss-Atlas" bekommen die Projekte mit den wohlklingenden Namen ihr Fett weg. So heißt es zum „Palais Varnhagen" nicht ohne süffisanten Unterton: „Jetzt aber schläft da ein Fake-Stadthaus-Ensemble, das seinen Investoren noch mehr Wohlstand verspricht, während die Fassade aus Presspappe bereits bröckelt. Leben findet hier nicht statt, auch wird keine Baugeschichte geschrieben."
Beim Ehrenmal der Bundeswehr, ein Koloss in Form eines Bunkers, reichen zwei Sätze, um den Fehltritt zu beschreiben. Zur wuchtigen Mercedes-Benz-Arena heißt es schnöde: „Demontage und Wiederaufbau in Brandenburg, bitte". Doch nicht nur von der Allgemeinheit als hässlich gebranntmarkte Bauwerke sind in dem fein in Leinen eingebundenen Buch versammelt, auch vermeintlich hehre Berliner Architekturgüter findet man. Darunter das Brandenburger Tor, den Dom und die Gedächtniskirche. Zur Gedächtniskirche schreibt der Autor, dass die Architektur in ihrer Entstehungszeit auch nicht im unversehrten Zustand überzeugte. Protzige Neuromantik und rheinländische Importware sei es gewesen, die Egon Eiermann, der Architekt des danebenstehenden Neubaus, als „baukünstlerische Belanglosigkeit" einstufte.
Die 14 Autoren sind alle Architekten oder Architekturjournalisten. Interessant wäre ein Band zwei mit Repliken der kritisierten Architekten. Dazu wird es kaum kommen ...