Im „Maria" in der Falckensteinstraße gibt’s kein Yoga mehr. Inhaberin Maria Koimtzoglou strich den bewegten Teil ihres vormaligen „Yoga Deli Café". Seit April etabliert sie nun den gastronomischen Part als vollgültiges vegetarisches Restaurant im Kreuzberger Wrangelkiez.
Wo Maria draufsteht, ist Maria drin – und zwar beinah jeden Tag. Im gleichnamigen Restaurant in der Kreuzberger Falckensteinstraße. Maria Koimtzoglou wirbelt durch den Gastraum, bringt rasch ein Mittagessen heraus. „Nach acht Jahren an diesem Ort hatte ich das Gefühl, ich bin so weit. Ich kann mich jetzt mit meinem eigenen Namen vorstellen", sagt die Inhaberin des vormaligen „Yoga Deli Café". Seit dem 8. April, „meinem Geburtstag", wie sie betont, erstreckt sich die Gastronomie über sämtliche Räume.
Yoga gestrichen, Abendgeschäft dazu genommen, das Essen weiterhin durchgängig vegetarisch – fertig war die Umstellung vom Kombi-Betrieb auf Restaurant pur. „Die beiden Konzepte nebeneinander funktionierten beide erfolgreich. Aber die Gäste mischten sich nicht", sagt Maria Koimtzoglou. Wer zum Yoga-Unterricht kam, kehrte kaum ins „Deli Café" ein. Wer aß und trank, ging nicht zum Yoga. Nun ziehen sich die drei Räume mit den insgesamt 45 Plätzen als Restaurant tief in den Altbau hinein. Ich nehme bei meinem ersten Besuch mittags die von Maria empfohlenen Zucchini-Spaghetti mit Erdbeeren, Basilikum und Miso-Sauce im großen, vorderen Raum zu mir: ein freshes und erfrischend farbiges Mahl! Die blau und grau gestrichenen Wände tun ihren mediterranen Job und kühlen mich optisch zusätzlich herunter. Die Kombi aus Grün, Frucht und Umami-Note macht glücklich, beschwert aber nicht und ist wie geschaffen für heiße Sommertage. Ein großes Wasser und der Anblick eines blaukarierten, mit dem Besteck zusammengebundenen Küchentuchs – so lässt es sich durchatmen und erholen.
Hier wird viel experimentiert
Der vegetarische Mittagstisch war schon in den vergangenen acht Jahren gefragt und beliebt. Im April machte die 39-Jährige, die Yogalehrerin und langjährige Gastronomin ist, ernst mit der Fokussierung auf ausschließlich Essen und Trinken: Zwei Vorspeisen, drei Hauptgerichte und ein Dessert stehen auf der alle zwei Wochen wechselnden Abendkarte, durch die wir uns bei einem zweiten Besuch mit Fotograf und Begleiterin, Block und Kamera hindurchessen. „Wir entwickeln die Gerichte gemeinsam im Team", sagt Maria Koimtzoglou. „Ich sage, ich könnte mir Arancini vorstellen. Der Koch sagt: mit Rote Bete. Und meine Mitarbeiterin hat die Idee mit Walnüssen und Birne." Dabei kommen dann die typisch sizilianischen frittierten Reisbällchen in Purpur mit einer Pilz-Ricotta-Füllung und Panko-Kruste plus Rucola-Salat, Birne und Walnüssen heraus. Die Arancini sind köstlich schmelzig im Inneren und feinknusprig in der Kruste. Gut, dass wir alle ein eigenes Bällchen bekommen haben.
„Wir experimentieren viel", sagt Maria. Seit 26 Jahren ist sie in der Gastronomie zu Hause, seit acht Jahren selbstständig. Sie kocht auch selbst im eigenen Laden und weiß, wie sie sich die Gerichte vorstellt. Vegan darf es gern, soll es aber nicht ausschließlich sein. „Durch das Vegane geht viel verloren. Ich mag nicht mit Soja, Tofu oder Seitan kochen. Dafür gibt’s bei mir Käse und Butter."
Die Bucatini, eine Art XXL-Makkaroni, kommen mit einem Karotten-Erdnuss-Pesto, Paprika und Semmelbröseln daher. Sie sind vegan. „Die Brösel machen wir aus unserem Sironi-Brot selbst. Sie sind unser Ersatz für Parmesan." Das bekommt dem Wareneinsatz und der Nachhaltigkeit. Auch das dritte Hauptgericht der Abendkarte, „No Fish and Chips!", bleibt tierfrei: Blumenkohlsteaks werden mit hausgemachten Pommes und Essig gereicht. Die Steaks sind verwunschene Blumenkohlrosen, knusprig ausgebraten. Der Rucola übernimmt den Part der kalten Grün-Begleitung. Wir entscheiden uns entsprechend für „No Beer!" – für hellen Wein: einen Blanc de Noir vom Kaiserstuhl sowie für einen St. Hilaire aus der Provence. Beide sind aus der Nachbarschaft, aus dem „Köpenicker Weinladen" von Max Hoch in der nahen Köpenicker Straße, verrät Maria Koimtzoglou. Mit fünf Euro je Glas sind sie fair kalkuliert und lassen sich erfrischend zum Veggie-Essen trinken. Gleiches gilt für die Preise beim Essen: Vorspeisen und Dessert von der Abendkarte gibt’s für 6,50 Euro. Die Hauptgerichte werden für zwölf bis 13,50 Euro serviert.
Maria Koimtzoglou ist vor Ort so lange präsent, dass sie den rasanten Wandel vom Wrangelkiez und der Schlesischen Straße zur Ausgeh-Meilen miterlebt hat. Sie ist mit ihrem Lokal geradezu im Epizentrum. Doch schon mit dem „Yoga Deli Café" wollte sie nicht allein Touristen ins Lokal ziehen. Das ist so geblieben. „Wir wollen uns als richtig gutes vegetarisches Restaurant im Kiez etablieren." Dafür sollten genügend Gäste, die in der Nähe wohnen oder arbeiten und gern wiederkommen, dauerhaft zu gewinnen sein. Erste Wochenend-Abende wurden nach dem Konzept-Wechsel schon richtig voll.
Vegan ja, aber nicht ausschließlich
Das neue Konzept im Kopf und auf Papier war das eine, die Finanzierung eine andere. Die Banken wollten – trotz acht schuldenfreier und erfolgreicher Jahre – den vergleichsweise geringen Kapitalbedarf für den Umbau nicht finanzieren. Ein Bekannter half und lieh ihr das Geld: „Er sagte: ‚Das kriegst du hin, ich leih dir das zinslos.‘" Die Rückzahlung hat bereits begonnen, und der Bekannte, selbst in der Gegend heimisch, konnte sich bereits davon überzeugen, dass sein Geld gut und ausgesprochen geschmackvoll angelegt ist.
Ich bin am Abend unseres Besuchs Team Vorspeise: Das Tomaten-Raita mit Chili-Öl ist schlicht wie köstlich. Vor allem die supersüßen confierten Tomaten rufen unüberhörbar: „Die Saison hat begonnen!" Die kühle Joghurt-Creme mit Minze erfrischt, und mit dem dazu gereichten Fladenbrot lässt sich der erste Hunger nach einem langen Tag verscheuchen. Die Gewürzmischung gibt dem Joghurt sein indisches Flair: Geröstete Koriandersamen sowie im Mörser zerkleinerte Bockshornkleesamen wurden in Kokosöl geröstet, erneut zerkleinert und dann erst als Würzstaub aufgestreut. Die Inder wissen, wie das mit der Erfrischung an heißen Tagen geht!
Die Gazpacho, die zwei Wochen lang auf der Abendkarte stand, erfreute sich ebenso großer Beliebtheit. „Aber das wollten wir mit den Tomaten nicht noch mal machen. Deshalb ist sie auf die Mittagskarte gewandert", sagt Maria Koimtzoglou. Wir bekommen außerdem rohe Zucchini-Röllchen mit Tomaten-Concassée, gegrillten Austernpilzen und Miso-Reduktion – ein schönes mediterranes Aromabömbchen zum Start in den Abend. Wer eine Suppe wie die Gazpacho oder eines von vier weiteren Gerichten mittags genießen will, ist im „Maria" von 12 bis 16 Uhr willkommen. Dann werden die Suppen für 5,50 Euro und die Hauptgerichte für 7,50 bis 10,50 Euro gereicht.
In jedem Fall hat das Team der „Maria" ein Gespür für das richtige Timing und für zum Wetter passende Gerichte: Nichts anderes als eine hausgemachte Limonen-Granita mit Erdbeeren und Minze wäre derzeit als Dessert denkbar. Meinen wir, als wir den Teller mit dem intensiven, körnigen „Wassereis de luxe" erhalten.
Die karamellisierten Walnüsse und einige Tupfer Schmand tun das ihre, damit die zitronige Frische nicht übergriffig, sondern ein bisschen milchig abgefangen wird. Meine Zunge verwandelt sich in ein Surfbrett, auf dem die kühlen Zutaten hin- und hergleiten. So lässt sich’s anschließend entspannt nach Hause strömen, das nur wenige Straßen entfernt ist. Und natürlich unkompliziert wiederkommen, zu dieser neuen, verlässlichen Anlaufstelle fürs leckere Essen im Kiez.