Einmal im Jahr an Pfingsten treffen sich Wassersportfans aus aller Welt in Venedig, um an der Vogalonga teilzu-nehmen. Einst als Protestveranstaltung gegen die Motorboote in der Lagunenstadt geplant, hat sich der Ruder-wettkampf zu einem riesigen Wasserspektakel entwickelt.
Wo sonst Motorboote, Fähren, die Linienboote Vamporettos, Wassertaxen sowie Berufs-Gondolieren den Ton angeben, ist dieser Tag dem muskelbetriebenen Wassersport vorbehalten. Nur Kanus, Drachenboote, Ruderboote, Stand-up-Paddler, Gondeln, eigenkonstruierte Boote und so weiter dürfen durch die Kanäle Venedigs schippern. Es ist eine tolle Möglichkeit, Venedig einmal anders kennenzulernen und auf lange Sicht wohl leider die einzige. Denn seit Anfang Juni dürfen außerhalb der Vogalonga muskelbetriebene Boote nicht mehr durch Venedig fahren. Besonders unbeliebt sind bei den Teilnehmern im Übrigen die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die direkt vor den Toren der Stadt anlanden. So soll ein Schiff pro Tag so viel Abgase in die Luft abgeben wie rund 40.000 Autos zusammen. Bei teilweise bis zu sechs Schiffen kommt da einiges zusammen. Entsprechend auch das schrille Pfeifkonzert der Teilnehmer, als just beim Start der Vogalonga ein Kreuzfahrtschiff passierte.
Die 45. Auflage wartete mit der Rekordbeteiligung von 2.000 gemeldeten Booten und insgesamt rund 6.000 Teilnehmern auf. Sammel-, Start- und Zielpunkt ist der Canal Grande in der Nähe des weltberühmten Markusplatzes. Opernmusik dröhnt aus den Lautsprechern, bevor Punkt 9 Uhr ein Kanonenschuss die vielen bunt geschmückten Boote auf den 30 Kilometer langen Rundkurs schickt. Die großen und schnellen Boote sollen vornewegfahren und der Rest hinterher. Doch bereits nach den ersten Kilometern ändert sich das alles. Die anfängliche Euphorie verflogen, nachlassende Kräfte bei 30°C auf stehendem Gewässer mit gelegentlichem Seiten- oder Gegenwind sowie die unvermeidlichen Zwangspausen zum Pinkeln wirbeln die gut gemeinte Startaufstellung gehörig durcheinander. Kenterungen durch Bootskollisionen sind besonders an Engstellen und Kurven vorprogrammiert. Kreuz und quer, in allen Sprachen, wild gestikulierend – so nah auf Tuchfühlung kommen sich die vielen Wassersportler nur selten.
Vorbei an der Artischockeninsel Sant’Erasmo mit lauter Musik an den Ufern geht es weiter nach Burano, die Insel mit den bunten Häusern. Bananen und Wasserflaschen zur Stärkung werden in die vorbeifahrenden Boote geworfen; die wenigen Ausstiegsstellen sind überfüllt; so manch einer genießt im wahrsten Sinne des Wortes das Bad in der Menge, sprich in der Lagune mit Badewannentemperatur. Die schrille und bunte Bootsschlange hat sich merklich in die Länge gezogen. Nach rund 20 Kilometern führt die Tour nach Murano, die Touristeninsel mit dem weltberühmten gleichnamigen Glas, dann weiter nach Venedig. In der Ferne ist schon die Friedhofsinsel in Sicht. Carabinieri auf dem Wasser weisen den Weg. Auf zum großen Finale: Der letzte Kilometer auf dem Canal Grande mit Durchfahrt unter der Rialto-Brücke gleicht einem karnevalistischen Schaulaufen, Anfeuerungsrufe der Restaurantbesucher direkt am Wasser, der mitgereisten Fans oder der vielen Touristen mobilisieren letzte Kraftreserven. Am Ziel bei inzwischen aufkommender Gegenströmung wegen der Gezeiten warten Plaketten und Urkunden auf die Teilnehmer. Nochmals Gedränge, lautes Gejohle bevor sich dieser riesige bunte Tross in alle Himmelsrichtungen auflöst.
Doch für die meisten Kanuten ist mit Paddeln an diesem Tag noch lange nicht Schluss. Viele haben ihre Unterkünfte im Umkreis von zehn Kilometern wie in Fusina. So wie die 15 Kanuten aus Saarbrücken. Nach acht Kilometern am Morgen, nun noch acht Kilometer retour mit Überquerung der stark befahrenen circa 200 Meter breiten Wasserautobahn. Meterhohe Wellen von allen Seiten machen die bewegte Querung zu einem spritzigen Vergnügen. Wohl dem, der hier nicht baden geht. Nach insgesamt 46 gepaddelten Kilometern ist die Vogalonga 2019 Geschichte. Ciao Venedig.