Anja Fröhlich (43) ist Redakteurin beim ZDF in Mainz. Im Interview spricht die gebürtige Saarländerin, deren Leidenschaft dem Sport gilt, über ihren beruflichen Werdegang und die vielen Reisen zu den größten Sportevents der Welt.
Frau Fröhlich, war es schon immer Ihr Berufswunsch, Redakteurin zu werden?
Ja, schon in der zehnten, elften Klasse war klar: Ich möchte Sportredakteurin werden.
Haben Sie Journalismus studiert?
Nein, ich habe Politikwissenschaft, deutsche Sprach- und Informationswissenschaft in Saarbrücken studiert. Meinen Magister-Abschluss hatte ich dann mit 23 – das gibt’s nicht so häufig (lacht).
Und danach haben Sie volontiert?
Ja, ich habe ein bimediales ARD-Volontariat beim Hessischen Rundfunk mit ganz vielen Außenstationen gemacht. Beispielsweise war ich in Washington, Berlin, Hamburg – und auch in Köln bei der Sportschau. Das war eine schöne und sehr interessante Zeit.
Direkt nach dem Studium – ganz ohne Praktika?
Nein, ich habe ganz viele Praktika gemacht. Das geht in dem Bereich auch nicht anders, davon bin ich überzeugt. Ich habe auch während des Studiums schon beim Saarländischen Rundfunk als freie Mitarbeiterin gearbeitet. Und habe dann, nach dem Studium, auch erst schon für zwei oder drei Jahre richtig gearbeitet und bin danach noch mal den Schritt zurück zum Volontariat gegangen. Ich habe schon das Geld gesehen und auch verdient und musste dann noch mal für 18 Monate mit dem Volontärsgehalt auskommen (lacht).
Und wie sind Sie zum ZDF gekommen?
Ich habe immer frei gearbeitet – beim SR, beim Hessischen Rundfunk und bei Euronews in Lyon. Dort bin ich über ein Stipendium für Nachwuchs-Journalisten vom deutsch-französischen Jugendwerk hingekommen, das ich bei France 3 gemacht habe. Ich bin dann immer zwischen Saarbrücken, Frankfurt, Lyon und später auch dem ZDF in Mainz hin- und hergependelt. Bis ich irgendwann einmal gesagt habe: „So, jetzt muss ich meinen Lebensmittelpunkt nach Mainz verlagern, weil ich zu viel im Auto sitze." Auch wenn ich sehr gerne Auto fahre.
Sie sind also sehr viel rumgekommen …
Ja, das ist auch immer noch so, und das finde ich auch sehr spannend an meinem Job. Ich bin gerne unterwegs, lerne gerne neue Menschen kennen, gucke mir gerne neue Städte an. Wobei dafür nie so richtig viel Zeit ist. Aber ich bin auch gerne am Flughafen, ich mag dieses Treiben dort. Und ich sitze auch gerne im Flugzeug selbst, ganz im Gegensatz zu anderen Menschen. Gerne auch mal länger – zehn, zwölf Stunden machen mir nichts aus. Und dann irgendwo aussteigen und ein neues Land erleben, das finde ich total spannend.
Welches Land würden Sie gerne noch bereisen?
Ich war noch nicht in Australien und auch noch nicht in Neuseeland – das wäre noch ein großer Wunsch von mir. Das kommt auch noch, aber ich schätze eher mal privat.
Und beim ZDF jetzt sind Sie reine Sportredakteurin?
Nein, nein. Ich habe ja nicht umsonst Politikwissenschaft studiert. Mein Vater meinte: „Mach etwas Ordentliches!" (lacht) Ich bin auch bei den „heute"-Nachrichten hier beim ZDF. Aber ich arbeite mehr Tage beim Sport, er ist die Basis und auch schon immer die Leidenschaft.
Was fasziniert Sie so am Sport?
Zum einen mache ich gerne selbst Sport und ich mag es auch, darüber zu berichten. Ich war jetzt schon so oft in Stadien, aber jedes Mal, wenn ich ins Stadion reinkomme, funkeln immer noch meine Augen. Ich kann da gar nicht anders, ich bin da total besessen. Aber ich find’s schön und kann damit sehr gut leben.
Welchen Sport üben Sie selbst aus?
Meine große Leidenschaft ist das Laufen. Und wenn ich die Zeit habe, versuche ich auch, fast jeden Tag Sport zu machen. Meist im Wechsel mit Laufen oder Fitnessstudio. Fitnessstudio heißt dann Kraft – also nie Kurse, das kann ich nicht. Ich möchte mein eigenes Ding machen und mache dann eben was an Geräten – für die Rückenmuskulatur und Oberschenkel, Kniebeugen und so was. Auch wenn ich verreise, sind die Turnschuhe immer im Gepäck. Selbst wenn ich nur Handgepäck habe: Die müssen mit.
Das heißt Sie sind sogar ein richtiger Sportjunkie …
Ja, aber es gibt unter den Sportkollegen einige, die solche Junkies sind, und dann ist man auch nie alleine, sondern es findet sich eigentlich immer jemand, der mitkommt zum Joggen.
Und über welche Sportarten berichten Sie?
Da wir beim ZDF-Sport ja feste Teams haben, ist der Winter festgezurrt mit Biathlon. Und da wir ja auch die Weltcups immer übertragen, müssen oder dürfen wir da hinreisen (lacht). Wir beginnen Ende November mit der Saison und hören Ende März auf. Der April ist dann meist ein Monat zum Durchschnaufen. Im Mai geht’s dann wieder so langsam los – und dann kommt der Sommer mit der Leichtathletik. Da bin ich auch fest im Team.
Und dort dann queerbeet? Weil die Leichtathletik ist ja schon ein sehr breites Feld …
Genau, da mache ich dann alles. Meistens die Storys, also die Porträts über die Athleten, aber auch mal eine Wettkampf-Zusammenfassung. Aber am liebsten mache ich die Athleten-Porträts.
Sie führen dann keine direkten Interviews vor der Kamera, sondern machen eher die Hintergrundberichte?
Genau. Ich mache das schon ab und an mal, beispielsweise bei den Paralympics, aber in der Regel stehe ich nicht vor der Kamera. Ich bin keine Moderatorin, ich bin Redakteurin und Stückemacherin. Ich bin hinter der Kamera, man hört mich meist nur; ich schreibe die Texte und vertone sie.
Sind die Biathlon-Weltcups und die Paralympics die größten Sportevents, von denen Sie bisher berichtet haben?
Nein, ich berichte seit 2006 von allen Europameisterschaften in der Leichtathletik. Seit 2007 in Osaka auch von allen Weltmeisterschaften. Und seit Peking 2008 bin ich auch bei allen Olympischen Spielen, sowohl bei den Sommer- als auch den Winterspielen – und den jeweiligen Paralympics. 2010 war ich sogar bei der Fußball-WM in Südafrika – das war auch stark.
Und woran haben Sie Ihre schönsten Erinnerungen?
Die schönsten Spiele waren 2012 in London – sowohl die Sommerspiele als auch die Paralympics. Die Stimmung dort war einfach grandios. Das Olympiastadion war jeden Tag ausverkauft – auch bei den Paralympics. Die Briten waren echt der Knaller, das war Gänsehaut pur. Die haben wirklich jede Leistung beklatscht. Und es waren auch ganz viele Kinder mit ihren Eltern im Stadion.
Und wer waren bisher Ihre interessantesten Interviewpartner?
Ganz klar: Usain Bolt – im „one to one", also Eins-zu-eins-Interview. Nur Usain und ich. Das war schon so das absolute Highlight.
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Das Coolste ist eigentlich, dass man nie weiß, was der Tag bringt. Diesen Überraschungseffekt finde ich ganz toll. Ich finde es auch gut irgendwo hinzukommen und dann schnell reagieren zu müssen. Ich arbeite also sehr gerne unter Zeitdruck. Wenn ich weiß, ich habe nur eine halbe Stunde, um meinen Beitrag zu fertigen, mit Schnitt, mit Texten und Vertonung – das ist so ein Adrenalin-Kick, das macht richtig Spaß.
Und was an Ihrem Beruf nervt Sie?
Die Bürokratie. Mich nervt es, wenn Menschen unflexibel sind. Ich denke mir: „Geht nicht, gibt’s nicht!" Es geht alles, man muss es nur wollen. Aber das ist in einem bürokratischen System leider manchmal ein bisschen schwierig.
Welche Sportarten faszinieren Sie persönlich am meisten?
Das ist ganz klar die Leichtathletik.
Bestimmte Disziplinen der Leichtathletik?
Wenn ich mir da auch noch mal etwas herauspicken kann, dann sind es die 800 Meter auf der Bahn und auf der Straße der Marathon. Den kann ich mir auch von Start bis Ziel toujours angucken, das langweilt mich nicht eine Sekunde. Ich kann mir auch im Winter ein 50-Kilometer-Langlaufrennen angucken – das ist für viele der Horror, aber auch das finde ich toll (lacht).
Und worüber würden Sie gerne noch mehr berichten?
Ich würde gern öfter noch längere Filme machen – 30 Minuten, 45 Minuten. Es ist aber immer schwierig, dafür eine Sendefläche zu bekommen. Mich interessiert immer der Mensch hinter der Geschichte, gerade bei den Paralympics finde ich das ganz spannend. Ich hatte mal ein Interview mit Heinrich Popow, der ist ja oberschenkelamputiert, und seit seinem Karriereende ist er bei Otto Bock engagiert und hilft dort, dass die Prothesen noch besser werden. Er kümmert sich auch um Kinder, die im Krankenhaus liegen und amputiert werden, spricht ihnen Mut zu – das macht er ganz toll! Das Team von Otto Bock ist auch immer bei den Paralympics vor Ort, die haben dort ihre eigene Werkstatt, in der ich bislang auch immer gedreht habe. Das kann man sich als Deutscher ja gar nicht vorstellen: Da kommt jemand aus einem Dritte-Welt-Land und hat eine Prothese, da würden wir sagen: „Das ist doch keine Prothese, das ist ein Stück Holz oder was auch immer." Otto Bock kümmert sich darum, und die Menschen gehen hinterher raus und sagen: „Wow, ich kann wieder einigermaßen laufen, es geht mir gut." Das finde ich Wahnsinn, was die machen – was Otto Bock da investiert.
Worin würden Sie gerne noch mehr Zeit investieren – privat?
Ich habe die Platzreife beim Golf, aber leider kaum Zeit dazu. Und jetzt mache ich gerade meinen Bootsführerschein.
Würden Sie Ihren Weg – beruflich und privat – wieder genauso einschlagen oder bereuen Sie irgendetwas?
Im Großen und Ganzen würde ich alles wieder genauso machen, weil ich eigentlich immer das gemacht habe, wozu ich Lust hatte. Ich habe mich immer von meiner Leidenschaft leiten lassen und das war, glaube ich, ein ganz guter Ratgeber. Es ist ganz seltsam, aber ich habe keine Klagen.
Haben Sie eigentlich Kinder und sind Sie verheiratet?
Kinder habe ich keine – das wird sich auch nicht ändern. Ich finde Kinder süß, aber ich möchte keine eigenen. Ich habe ein Patenkind, die sechsjährige Tochter meines Bruders. Um die kümmere ich mich gern und die verwöhne ich auch sehr gern. Verheiratet bin ich auch nicht, aber ich lebe mit meinem Lebenspartner sehr glücklich zusammen, und es wäre schön, wenn das auch weiterhin so bleiben würde.
Welche Tipps können Sie angehenden Sportredakteuren geben?
Mit Leidenschaft dabei sein. Love what you do! Einfach das, was man gerne macht, weiter vorantreiben. Auch wenn man zwischendurch vielleicht mal hinfällt: Immer wieder aufstehen und sich nicht abbringen lassen von dem, was man vorhat.