Alba Berlin kann Bayern nicht vom deutschen Basketball-Thron stoßen, doch in den kommenden Jahren will der Club wieder einen Angriff auf den Branchenprimus wagen.
Uli Hoeneß hatte es geahnt. „Ich habe meinen Urlaub genau so geplant, um bei Spiel drei dabei zu sein", sagte der Präsident von Bayern München. Und die Basketballer des Titelverteidigers enttäuschten ihren Boss nicht, sie holten sich durch ein 93:88 nach Verlängerung den dritten Sieg gegen Alba Berlin und feierten gemeinsam mit Hoeneß ihren fünften Meistertitel. „Das Spiel war nichts für schwache Nerven", sagte Hoeneß. Das lag auch an Gegner Alba, der zur Pause noch mit 46:32 geführt hatte. Doch am Ende setzte sich die Qualität durch, und die war auf Seiten der Münchner etwas größer.
Die Berliner reisten aber nicht im Frust zurück in die Hauptstadt. „Wir haben alles, was wir uns in diesem Jahr vorgenommen hatten, erreicht. Wir waren in drei Finals, wir haben uns für die Euro League qualifiziert, wir haben jeden Spieler besser gemacht, das Team hat sich entwickelt, und wir haben unseren wirtschaftlichen und sozialen Auftrag erfüllt", sagte Manager Marco Baldi und versprach: „Diesen Weg werden wir weitergehen, und dann kommen wir irgendwann auch an die Bayern ran."
Das Duell zwischen den aktuell beiden besten deutschen Basketballteams endete zwar im Schnellverfahren, doch das 3:0-Endergebnis spiegelt nicht die Gegenwehr der Berliner wider. Die Bayern mit dem zum MVP gewählten Nihad Djedovic waren jedoch cleverer und zielstrebiger. Vor allem in engen Spielsituationen, wenn Alba drauf und dran war, das Blatt vielleicht zu wenden, schlugen die Bayern zu.
Mitentscheidend für Albas Niederlage war aber auch die eigene Schwäche. Einige Leistungsträger kamen nicht an ihre Topform heran, die es für einen Coup gegen den großen Favoriten gebraucht hätte. Der schnelle und aggressive Point Guard Peyton Siva zum Beispiel war in den ersten beiden Duellen nicht so effektiv wie erhofft, außerdem leistete er sich im so wichtigen Auftaktspiel kurz vor Ende beim Stande von 70:71 und eigenem Ballbesitz ein Offensivfoul, das die Münchner mit zwei verwandelten Strafwürfen eiskalt bestraften. Wenn Siva aufdreht, ist er auch von den Bayern nur schwer zu stoppen. Doch das geschah in der Finalserie zu selten. „Er ist immens, immens wichtig für uns", sagte Joshiko Saibou, „ein Vorzeigeprofi." An der Einstellung lag es auch nicht, der Gegner hatte sich einfach sehr gut auf den 28 Jahre alten US-Amerikaner eingestellt.
„Das Spiel war nichts für schwache Nerven"
Landry Nnoko musste derweil Lehrgeld zahlen. Der Center aus Yaoundé in Kamerun, der bei den Detroit Pistons vor zwei Jahren mal kurz vor dem Sprung in die nordamerikanische Profiliga NBA gestanden hatte, verbesserte in Berlin seine Wurftechnik, seine Beinarbeit und sein Stellungsspiel. Doch seine Emotionen hatte der physisch starke Spieler nicht immer im Griff. Beim ersten Spiel musste Nnoko dem Schiedsrichter in einer entscheidenden Phase unbedingt noch ein paar Worte sagen – was mit einem technischen Foul bestraft wurde. Die Folge: Die Führung wechselte nach München. „Ich habe mein Team im Stich gelassen, indem ich überreagiert habe und meine Wut überhand habe nehmen lassen", sagte Nnoko hinterher. „Ich hätte meinen Job besser machen müssen."
Das gilt aber auch für Luke Sikma. Der zum MVP der abgelaufenen EuroCup-Saison gewählte US-Amerikaner tauchte in der Finalserie immer mal wieder ab und kam in drei Spielen nur auf 22 Punkte – zu wenig für einen Mann seiner Klasse. Im letzten Spiel vergab Sikma in der Verlängerung beim Stand von 78:79 zwei Freiwürfe – danach kamen die Berliner nicht mehr an Bayern heran. Albas Clubführung sieht den 29-Jährigen aber auch für die Zukunft als tragende Säule, erst kürzlich unterschrieb der 2,03 Meter große Flügelspieler einen Vierjahresvertrag beim Hauptstadtclub – ein höchst ungewöhnlicher Vertrauensbeweis im deutschen Basketball. Die Verlängerung sei „ein wichtiges Zeichen", sagte Albas Sportdirektor Himar Ojeda. Sikma sei ein „Top-Level-Spieler, der zahlreiche lukrative Optionen für einen Wechsel zu anderen Clubs gehabt hätte".
Bis zum Ende des Finals war dagegen die sportliche Zukunft anderer Topspieler noch offen. Sivas Vertrag zum Beispiel läuft aus, „ich habe noch nichts gehört", sagte der US-Amerikaner kürzlich. Der Spieler scheint gewillt zu sein, nach Jahren der Clubwanderschaft noch mindestens ein Jahr in Berlin dranzuhängen. „Ich bin in meinem vierten Jahr hier, noch nie war ich länger bei einem Team", sagte er. Auch die Clubbosse dürften angesichts der Herausforderungen in der Liga und der starkbesetzten Euro League auf einen Spieler dieser Klasse nur ungern verzichten. „Wir wollen uns in der Euro League etablieren, das wird aber ein paar Jahre dauern, und um das zu schaffen, müssen wir wettbewerbsfähig sein", sagte Baldi.
Fast genauso unverzichtbar war bislang Kapitän Niels Giffey, der nach eigener Aussage seine „wahrscheinlich beste Saison bei Alba" hinter sich hat. Auch sein Arbeitspapier endet mit der Saison, auch bei ihm stehen die Zeichen auf eine weitere Zusammenarbeit. Und Jungstar Franz Wagner (17) will bald verkünden, ob er bei Alba Berlin bleibt oder ans College nach Nordamerika wechselt.
„Wir wollen uns in der Euro League etablieren"
Die aber wohl wichtigste Personalie ist Aíto García Reneses. Der Trainer hat sich als absoluter Glücksgriff für die Berliner entpuppt, mit seiner positiven Art der Menschenführung und dem enormen Fachwissen gilt der Spanier als Bessermacher. Alba würde gern mit dem 72-Jährigen verlängern, die Vertragsgespräche wurden auf die Zeit nach der Saison verlegt. Ein großes Argument für einen Verbleib dürfte die Euro League sein. Albas erste Teilnahme am wichtigsten Basketball-Clubwettbewerb seit der Saison 2014/15 in der kommenden Spielzeit ist mehr als nur ein Trostpflaster.
Schon vor dem verlorenen Finale hatte die Euro League dem Club den Startplatz zugesichert. Und das nicht nur wegen der deutschen Vizemeisterschaft und dem Erreichen des Endspiels im etwas weniger bedeutenden Eurocup gegen Valencia Baskets (1:2), sondern auch wegen der Strategie im Verein. „Alba ist einer der Modellclubs in Europa", sagte Eduard Scott, Chief Operating Officer der Euro League, der „Berliner Zeitung". Alba habe herausragende Basketballstrukturen und eines der größten Schulprogramme Europas, schwärmte Scott. Außerdem sei Alba wegen der „strategischen Bedeutung des deutschen Marktes" und der „Metropolenregion Berlin sehr wichtig". Scott betonte aber auch: „Das heißt nicht, dass wir einzelnen Clubs oder Regionen Wildcards reservieren. Alba hat das nicht nötig, das hat der Club in der Euro League und im Eurocup bewiesen."
Das stimmt so nicht ganz, denn unter anderem hat Finalgegner Bayern München einen festen Startplatz in der EuroLeague. Die Bayern wollen international in den kommenden Jahren noch konkurrenzfähiger werden – vielleicht ist das auf nationaler Ebene Albas Chance.