Ach ja, das Kronos Quartet … Ein umtriebigeres, abenteuerlustigeres, experimentierfreudigeres Streich-Ensemble wird man nicht finden auf diesem Planeten. Zuletzt gefielen die Kollaborationen mit Laurie Anderson und mit Sam Amidon („Folk Songs"). Doch überhaupt liest sich diese einzigartige Diskografie wie ein Who's Who des Musikgeschäftes – atemberaubend vielseitig, vermeintliche Genregrenzen lustvoll sprengend.
Auch für „Placeless", eine Zusammenarbeit mit den iranischen Sängerinnen Mahsa und Marjan Vahdat betraten David Harrington (Geige), John Sherba (Geige), Hank Dutt (Bratsche) und Sunny Yang (Cello) Neuland. Die vier Streicher und die Vahdats trafen sich erstmals beim traditionellen Kronos Festival in San Francisco. Es muss beide Seiten sofort gejuckt haben, sich musikalisch zu verbinden. Denn schon bald spielte man live und machte keinen Hehl aus der Bewunderung der neuen Partner und Partnerinnen. „Die wunderbaren Musiker des Kronos Quartets haben unserer Musik neue Dimensionen verliehen" sagen die Schwestern. Und die gebauchpinselten Vier antworten folgendermaßen darauf: „Wir versuchen immer, so viel wie möglich zu lernen, und jetzt können wir mit Mahsa und Marjan aufnehmen und dabei Sounds erzeugen, die wir noch nie zuvor von unseren Instrumenten gehört haben". Ja, das stimmt – auch wir nicht.
Die Kronos geben sich hörbar mit Leib und Seele hinein in den fremden Kontext. Sie können wohl gar nicht anders …
Als Grundlage der 14 auf „Placeless" versammelten Lieder dienten klassische und zeitgenössische persische Gedichte, und sie werden auch in dieser Sprache gesungen. Die englischen Übersetzungen der Songtitel (und auch der Texte) vermitteln eindeutig: es wird Existenzielles verhandelt – „I Was Dead", „Lover, Go Mad", „Vanishing Lines", „My Ruthless Compagnion" …
Diese Ernsthaftigkeit wird von beiden Gänsehaut-stimmen im Verbund mit den sich sehnenden, sich dehnenden, tastenden, zirkelnden, kratzenden, klagenden Streichern in höhere Sphären überführt. Herzblut!