Im vergangenen Jahr haben 416.600 Paare in Deutschland „Ja" gesagt — und jede einzelne Braut wünscht sich das perfekte Brautkleid. Der erste Schritt nach der Verlobung wird daher meistens ins Brautmodengeschäft gesetzt. Der Kauf eines Kleides kann zu einer wahrhaftigen Herausforderung werden.
Im Brautmodengeschäft treffen die Vorstellungen der Braut, die Passform der Kleider, das vorhandene Budget und die Meinungen der Beteiligten (Verkäufer, Freundinnen, Familie) aufeinander. Das einzige, was klar ist: Es soll einzigartig und schön sein. Dass gerade vor diesem Hintergrund die meisten Bräute zu einem Kleid von der Stange greifen, scheint etwas paradox. Aber kann man ein maßgefertigtes Kleid überhaupt bezahlen? Und wie kompliziert ist es, eines anfertigen zu lassen? All diese Fragen beantwortet Verena Christmann von VCCouture. Die Damen- und Herrenschneidermeisterin lebt und arbeitet im saarländischen Sulzbach. Ihr Steckenpferd sind Abend- und Brautkleider.
Jede Braut will einzigartig sein. Warum lässt sich dann nicht jede Braut ein Kleid schneidern?
Viele Bräute haben keine genaue Vorstellung, was ihnen stehen könnte und welche Art von Kleid sie haben wollen. Im Brautmodengeschäft kann man verschiedene Sachen einfach anprobieren. Ich höre oft, dass die Bräute glauben, dass ein maßgefertigtes Kleid zu teuer für sie wäre.
Wie viel muss man für ein individuelles Kleid einkalkulieren?
Wir starten bei ungefähr 800 Euro. Das ist ein eher gerade geschnittenes, leichtes Kleid. Nach oben gibt es keine Grenze. Für eine Kundin hatten wir beispielsweise mal ein sehr aufwendiges Kleid geschneidert. Das hatte eine Mermaid-Silhouette mit langer Schleppe, die mit Federn bestückt war. Wir hatten 60 Meter Federband verarbeitet und die Corsage war ebenfalls komplett bestickt. Am Ende lagen wir bei 2.600 Euro.
Dass das Kleid im Geschäft immer günstiger ist, stimmt also nicht?
Nicht unbedingt – deshalb reden wir bei dem ersten Termin auch gleich über das Preisbudget. Dann schaue ich, welche Stoffe ich der Braut anbieten kann. Man muss immer bedenken, dass auch im Brautgeschäft die Änderungen noch zu den Kosten des Kleides hinzukommen – je größer die Änderungen, desto teurer wird das Kleid letztlich.
Und trotzdem hat man kein Einzelstück?
Nehmen wir zum Beispiel mal nur den Zeitraum von Januar bis jetzt: In dieser Zeit hatten wir viermal dasselbe Brautkleid hier zum Ändern. Also vier Bräute haben hier im Umkreis dieses Jahr schon im gleichen Kleid geheiratet. Jeder will ja einzigartig sein und auch so aussehen. Erst im Nachhinein sieht man manchmal auf irgendwelchen Fotos im Internet, dass da eine Bekannte genau im gleichen Kleid geheiratet hat. Außerdem muss man bei einem Designer absolut keine Kompromisse eingehen.
Wie viele Kleider fertigen Sie denn in dieser Saison nach individuellem Wunsch an?
Neuanfertigungen haben wir im Moment vier. Leider nur, muss man dazu sagen. Wir haben dafür viele Änderungen an Brautkleidern. Bis September sind es etwa 40, an denen wir Änderungen vornehmen. Die Tendenz steigt, vor allem bei den jüngeren Bräuten, das Brautkleid günstig im Internet zu bestellen. Viele von ihnen sind enttäuscht, wenn das Kleid ankommt und absolut nicht so aussieht wie auf den Bildern. Dann werden wir verzweifelt gebeten, es irgendwie zu retten.
Wenn man sich von Anfang an für ein eigens designtes Kleid entscheidet, wie läuft das dann ab?
Man trifft sich zu drei bis vier Terminen. Zuerst kommt ein Beratungsgespräch, bei dem wir herausfinden, was die Wünsche und Vorstellungen der Braut sind. Dann überlegen wir, ob das realisierbar ist und analysieren, ob die Passform optimal zum Typ passt. Danach schreibe ich ein Angebot und fertige eine Zeichnung an, damit die Kundin eine ungefähre Vorstellung hat, wie das Ganze später aussehen wird. Wenn sie zustimmt, kommt ein Termin zum Maßnehmen, dann wird der Schnitt erstellt und wir vereinbaren den nächsten Termin für die Nesselprobe.
Was ist eine Nesselprobe?
Das ist quasi eine Passformkontrolle, die mir zeigt, wo ich noch etwas abändern muss, damit es nachher perfekt sitzt. Dazu erstelle ich ein Muster-Brautkleid aus einem beigefarbenen Baumwollstoff. Hier kann man noch alles ändern, sodass es am Ende genau das Kleid ist, das die Braut sich vorgestellt hat. Danach erst geht es an den Originalstoff. Zum Schluss folgt die Anprobe im Original. Dafür sollte die Braut dann auch die Schuhe und entsprechende Unterwäsche mitbringen, die sie am Hochzeitstag tragen will.
Der Brautkleidkauf wird ja mittlerweile zu einem regelrechten Event mit Freundinnen. Fehlt das bei einer Maßanfertigung?
Nein – die Braut darf auch bei uns gerne bis zu drei Freundinnen mitbringen. Für mehr ist erstens das Atelier zu klein und zweitens verunsichern zu viele Leute die Braut oft, da jeder seine eigene Meinung hat. Aber Schampus gibt es bei uns natürlich auch! (lacht)