Als junger, freiberuflicher Journalist war Otto Deppe rund um die Mission von Apollo 11 in Florida und Houston/Texas im Einsatz. Im Auftrag des Saarländischen Rundfunks berichtete er im Juli 1969 für die Europawelle und zahlreiche andere deutsche Radiostationen von der Mondlandung. In unserem Interview blickt er zurück.
Herr Deppe, Sie waren vor 50 Jahren als Berichterstatter in Amerika dabei. Wie kam es dazu?
Das ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Ich habe mich schon immer für alles, was fliegt, interessiert. Als die Amerikaner damals dem Mond mit Apollo 8, 9, 10 immer näher kamen, habe ich schon von hier aus für den Saarländischen Rundfunk darüber berichtet, und dann meldeten sich auch andere Sender. Ich habe mir damals Material von der Nasa besorgt, die sehr großzügig war und das sehr unterstützt hat. Dann kam der Termin der Mondlandung im Juli 1969 immer näher. Also bin ich damals zum Programmdirektor und stellvertretenden Intendanten des Saarländischen Rundfunks, Karl-Heinz Reintgen, gegangen. Die Europawelle war zu jener Zeit einer der größten Sender Deutschlands, wenn nicht der größte … Ich habe gesagt „Herr Reintgen, die Europawelle hat den Anspruch, bei großen Ereignissen direkt dabei zu sein, und ich denke mal, die erste Mondlandung ist ein sehr wichtiges Ereignis. Da würde ich gerne hinfahren." Da hat er mich angeguckt und gesagt: „Dann fahr doch hin." Ich war noch freier Mitarbeiter, also habe ich ganz schnell einen Reiseantrag ausgefüllt, den hat er unterschrieben, und so kam ich 1969 nach Amerika.
Wo genau wurden Sie eingesetzt? Das Startgelände war ja in Florida, das Kontrollzentrum aber in Houston in Texas.
Zunächst war ich in Cape Kennedy oder Cape Canaveral, wo der Start war. Das wollte ich natürlich sehen, ganz klar. Und danach bin ich dann sehr schnell weitergeflogen nach Houston ins Johnson Space Center, wo eigentlich die Musik spielte. Ich wollte ja die ganzen interessanten Situationen und Daten dort mitbekommen.
Wie nah sind Sie dort tatsächlich ans Geschehen rangekommen?
Ich fange mal mit dem Start an. Da kam man als Journalist bis auf einige Kilometer ran, ich schätze mal auf fünf, sechs Kilometer. Von der Pressetribüne aus konnte man die 110 Meter hohe Rakete sehr gut beobachten. Man schätzt, dass sich dort in der weiteren Region etwa eine Million Menschen tummelten, die dieses überwältigende Erlebnis sehen wollten. Dann kamen die ersten Flammen raus, und wie in Zeitlupe stieg dann die Rakete empor, die in den ersten Sekunden nur einige Meter schafft. Würde sie abgeschossen wie eine Gewehrkugel, würde alles auseinander fliegen. Ganz, ganz, ganz langsam hob sie ab – mit einem infernalischen Krach, der noch in 50 Kilometern Entfernung zu hören war. Kurze Zeit später wurde sie natürlich immer schneller und verschwand auch sehr flott aus dem Blickfeld.
Und dann ging es weiter nach Houston. Wie muss man sich das vorstellen? Kann man im Mission-Control-Center bei der Arbeit zusehen, oder haben Sie das Ganze wie alle anderen vor dem Bildschirm verfolgt?
Es gab dort ein riesiges Pressecenter für, ich schätze mal, 2.000 Journalisten. Eigentlich waren wir ganz dicht an Mission Control dran – nur hermetisch abgesperrt. Da waren dicke Mauern dazwischen, heißt, man konnte da natürlich nicht rein. Es gab für die Radioreporter eine Box mit mehreren Monitoren. Einmal mit den ganzen laufenden Daten, Zustandsberichten und ähnlichem. Wir hatten immer einen Kamerablick ins Mission Control und konnten genau verfolgen, was da abging, und einen der großen amerikanischen Sender auf einem weiteren Monitor.
Hatten Sie Experten an der Hand, die Ihnen Daten erklärten oder das, was im Mission-Control-Center vor sich ging? Oder mussten Sie sich das ein Stück weit selbst erklären?
Eigentlich musste man sich das selbst erklären, das Material besorgen und sich vorher gut einlesen. Man musste das Astronauten-Kauderwelsch einigermaßen beherrschen und verstehen. Da kam mir mein Studium in den USA zugute. Und ich hatte noch einen Vorteil. Ich lernte einen jungen Mann kennen, Veit Hansen. Der war Diplom-Ingenieur und Astro-Wissenschaftler und in die USA emigrierter gebürtiger Hamburger. Er saß in Mission Control, und immer, wenn seine Schicht zu Ende war, trafen wir uns auf ein Bier. Dabei hat er mir die Dinge erzählt, die er erzählen durfte. Keine Geheimnisse logischerweise. Aber wenn ich technische Fragen hatte, hatte ich einen Experten an der Hand. Ein Vorteil, den andere Kollegen sicher so nicht hatten.
Wie lange waren Sie vor Ort, und wie oft haben Sie berichtet?
Ich habe immer wieder für verschiedene Hörfunksender Updates gemacht. Die wollten natürlich immer wieder wissen, wie der Flug verlief, bis es nach vier Tagen zur eigentlichen Mondlandung kam. Ich habe jeden Tag etwa zehn bis 15 Radiobeiträge abgesetzt.
Und dann stand die eigentliche Landung an …
Das war natürlich ein ganz, ganz spannender Moment, weil niemand wusste, ob das funktioniert. Beinahe wäre es ja auch schief gegangen, aber im letzten Moment hat Armstrong als Kommandant festgestellt, dass die vom Computer vorgegebenen Landegegebenheiten gefährlich waren. Im ausgewählten Krater gab es viele Felsbrocken. Er musste auf Handsteuerung umschalten und 500 Meter weiter fliegen, was einen erhöhten Treibstoffverbrauch zur Folge hatte. Das führte auch bei Mission Control zur Diskussion, wie viel Treibstoff noch übrig sei und ob möglicherweise sogar die ganze Mission abgebrochen werden müsste, weil sonst eine Rückkehr vom Mond unter Umständen nicht mehr möglich wäre. Dann hat man entschieden: Es reicht zwar knapp, aber es reicht. Und den Rest kennen wir. Es kam dieser berühmte Moment, als die Luke aufging. Es war sensationell, dann der Spruch von Armstrong: „Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Schritt für die Menschheit." Das haben Abermillionen Menschen in der ganzen Welt gesehen, auch wenn die Bilder nicht besonders gut waren. Da habe ich natürlich ununterbrochen berichtet.
Gibt es Ihre Berichte von damals heute noch?
Material – gerade beim Hörfunk – wird nur wenig archiviert. Vor allem keine aktuellen Geschichten, sondern eher Features oder Dokumentationen. Davon ist leider nichts mehr da.
Apollo 11 war allerdings nicht die einzige Mission, die Sie live als Reporter verfolgt haben.
Nein, es ging weiter mit Apollo 12, wo ich auch den Abschuss live gesehen habe. Das Erstaunliche war: Die Mondlandung war ein Moment, auf den die ganze Welt gewartet hatte. Bei Apollo 12 flaute das Interesse schon merklich ab. Und dann habe ich leider auch gedacht, ich müsse bei einem weiteren Flug nicht live dabei sein, zumal auch bei den Sendern hier das Interesse nicht mehr so groß war. Als freier Mitarbeiter überlegt man sich das natürlich besonders. So bin ich bei Apollo 13 dummerweise hier geblieben (Die Mission musste wegen der Explosion eines Tanks abgebrochen werden, und die Crew erreichte nur mit viel Improvisationsgeschick wieder die Erde, Anm. d. Red.). Danach schnellte das Interesse wieder sprunghaft nach oben, sodass ich bei den Missionen 14 bis 17, also bis zum Ende des Programms 1972, immer bei der gesamten Mission dabei war. Dabei bin ich aber jeweils direkt nach Houston geflogen, da ich ja schon zwei Abschüsse vor Ort erlebt hatte. Vielleicht auch, um einen kleinen Vorsprung vor anderen Kollegen zu haben (schmunzelt).
Wie schwer war es, bei den Folgemissionen noch Spannendes zu erzählen? Im Grunde laufen ja alle Missionen gleich ab.
Klar, es gibt die Eckpunkte wie Start, Ankunft am Mond, Abkopplung, Abstieg zum Mond mit der Fähre, Landung, Aufenthalt und Wiedereinstieg. Das waren Fixpunkte, wo das Interesse zum Teil sensationell groß war. Sobald die wieder in ihrer Kapsel waren und Richtung Erde flogen, wurde es dann Routine, und man musste sich etwas einfallen lassen. Das ging aber den Printkollegen ganz genauso. Kleine Anekdote am Rande: Das meiste, was ich gemacht habe, war live. Eben in den Momenten, in denen es spannend war. Da hat ein Moderator eines Senders bei einer Schalte gesagt, dass die Astronauten auf einem Flug mit Blähungen zu kämpfen hätten. Ich habe daraufhin etwas rumgeeiert, denn ich wusste davon nichts. Die Amerikaner haben darüber nichts gesagt. Es stellte sich heraus, dass ein Kollege der dpa, der auch vor Ort war, darüber berichtet hatte. Und diesen Text hatten die Redaktionen in Deutschland bekommen und sich bei den Fragen an mich darauf gestützt. Von dem Moment an bin ich vor jedem Livebericht zu besagtem Kollegen gegangen und habe gefragt, was er denn in letzter Zeit so abgesetzt habe, damit ich nicht auf dem linken Fuß erwischt werden konnte.
Hatten Sie bei all diesen Missionen eigentlich auch mal Gelegenheit, selbst Kontakt zu den Astronauten aufzunehmen und mit ihnen zu sprechen? Im Vorfeld einer Mission oder danach?
Leider nein. Nehmen wir Apollo 11. Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins waren vorher schon hermetisch abgeschottet. Wäre ja schlimm gewesen, wenn die sich eine Grippe eingefangen hätten oder etwas ähnliches. Die letzte Pressekonferenz mit den Dreien war lange, bevor ich überhaupt in Amerika angekommen bin. Anschließend waren sie in Quarantäne, da konnte man auch nicht an sie herankommen. Natürlich habe ich auch nicht die Wochen gewartet, bis sie wieder rauskamen. Bei späteren Pressekonferenzen war ich schon nicht mehr in Amerika. Auch die sogenannten Back up-Crews waren vor Ort voll eingespannt. Wen ich aber kennengelernt habe, war Wernher von Braun …
… sozusagen den Vater des Raumfahrtprogramms?
Ja, im Grunde die Lichtgestalt dieser ganzen Mission, das Gehirn hinter dem Ganzen. Er hat immer direkt vor Ort mitgearbeitet, mitgeschraubt und nicht vom schicken Büro aus delegiert. Beim ersten Mal bin ich ihm in der Großkantine der Nasa begegnet, wo auch wir essen durften. Als er an der Theke stand, mit einem Tablett in der Hand, um sich etwas zu essen zu holen, habe ich ihn einfach angesprochen. Und er war extrem freundlich und sagte, er beantworte gerne meine Fragen – nach dem Essen. Also haben wir uns später zusammengesetzt, und ich habe mein erstes Interview mit ihm gemacht, dem weitere folgten. Überhaupt kam man mit der ganzen Wissenschaftlercrew ganz gut in Kontakt; etwa mit Kurt Debus, Chef des Kennedy Space Centers und Zuständiger für alle Raketenabschüsse. Oder mit Eberhard Rees, Direktor vom Raumfahrtzentrum von Huntsville, wo die Raketen gebaut wurden.
Wurde von Brauns Vergangenheit in den USA eigentlich nicht thematisiert? Schließlich hatte er ja auch eine dunkle Seite, war der Erfinder von Hitlers V2-Raketen und Mitglied in der SS.
Damals gar nicht. Wahrscheinlich wussten diverse Menschen durchaus davon, aber es wurde nicht thematisiert. Der Zweck heiligte die Mittel, die Amerikaner wollten unbedingt zum Mond, und von Braun war der Garant dafür, dies zu schaffen. Die Diskussion um von Braun kam erst nach Ende der Apollo-Missionen auf, als Folge von Veröffentlichungen in Deutschland nach seinem Tod.
Nochmals zurück zur Berichterstattung rund um die eigentliche Mondlandung. Wenn Sie ein Fazit ziehen sollten: Was war für Sie das persönliche Highlight, und was bleibt Ihnen weniger gut in Erinnerung?
Highlights gab es zwei. Zum einen natürlich der Start, dieser Wow-Effekt, wenn dieses riesige Ding in die Luft ging. Das Drumherum mit einer Million Menschen. Später waren es immer wieder diese Spannungsmomente: Die Landung auf dem Mond – klappt das oder nicht? Falls nicht, wusste jeder, was das bedeutete. Negatives gibt es eigentlich weniges, denn man hatte als Berichterstatter jede Unterstützung der Nasa. Aus heutiger Sicht undenkbar: Ich habe damals zwei Kilometer entfernt von Mission Control in einem Motel gewohnt und bin eigentlich Tag und Nacht in das Gelände reingefahren – einfach so. Der Wachmann an der Zufahrtsstraße hat etwas müde geguckt und einen einfach durchgewinkt. Niemand hat sich darum geschert.