Die Tierrechtsorganisation Peta Deutschland feiert 25-jähriges Bestehen. Ihr Vorsitzender Harald Ullmann spricht im Interview über bisherige Erfolge, aktuelle Kampagnen und warum er Leute an der Supermarktkasse anspricht.
Herr Ullmann, Peta Deutschland feiert Jubiläum. Ist die Welt in den vergangenen 25 Jahren hierzulande besser geworden für die Tiere?
Es hat sich in den letzten 25 Jahren in Deutschland einiges getan. Ich glaube, dass sich das Bewusstsein der Menschen, was die Lebensqualität von Tieren angeht, verbessert hat. Die Bevölkerung ist aufgeklärter geworden. Man sieht es auch an den ganzen veganen Produkten, die aus dem Boden schießen. Das Wort vegan ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Sprachgebrauchs geworden. Sie finden mittlerweile so gut wie in jedem Geschäft vegane Lebensmittel. Es gibt immer mehr Firmen, die keine Leder, Wolle, Mohair und andere tierische Produkte mehr benutzen. Das war vor 25 Jahren bei Weitem noch nicht so. Wir haben mit Sicherheit mitgeholfen, das Bewusstsein zu schaffen und die Firmen in diese Richtung zu bewegen.
Was sind denn die bisher wichtigsten Siege für Peta Deutschland?
Da gibt es viele große und kleine Siege. Ein großer ist, dass es mittlerweile in Europa verboten ist, Hunde- und Katzenfelle aus China zu importieren. Da haben wir mit Sicherheit einen großen Anteil daran. 1999 war ich selbst bei einer Recherche in China dabei, darüber, wie dort die Hunde und Katzen behandelt werden, die dann als Pelz hier in Europa landeten. Wir haben das in Deutschland und im restlichen Europa veröffentlicht, und es ging ein großer Aufschrei durch die Bevölkerung. Das reichte bis zum EU-Parlament. Oder die Pelzfarmen. Als wir vor 25 Jahren anfingen, gab es in Deutschland noch über 30 Pelzfarmen. Jetzt gerade hat die letzte Pelzfarm in Deutschland zugemacht. Das ist ein Riesenerfolg. Auch ein Erfolg ist, dass mittlerweile so gut wie jeder Autohersteller in Deutschland eine lederfreie Variante anbietet. Das war vor 25 Jahren auch noch nicht der Fall. Bei McDonalds gibt es mittlerweile einen veganen Burger. Oder die Show „Stars in der Manege" mit dem Zirkus Krone, die über 45 Jahre am zweiten Weihnachtstag im Fernsehen lief: Da haben wir die Bevölkerung aufgeklärt, dass es nicht in Ordnung ist, Wildtiere zur Schau zu stellen. Die Sendung wurde eingestellt. Es gibt aber auch viele kleine Dinge, von denen wir erfahren, wenn zum Beispiel ein Hund an der Kette gehalten wird, den wir dann mithilfe des Veterinäramtes rausholen.
Peta ruft ja auch zu dem sogenannten Whistleblowing auf. Also, dass Bürger Tierquälereien melden. Wie erfolgreich ist das?
Da tut sich sehr, sehr viel. Wir bekommen pro Woche etwa 200 Anrufe und E-Mails. Wir haben einen Mitarbeiter, der sich um die Meldungen kümmert und auch die Veterinärbehörden und Tierschutzvereine vor Ort informiert. Hier passiert sehr viel, ohne dass wir viel Öffentlichkeitsarbeit machen.
Peta wird immer wieder der Vorwurf gemacht, Gesetze zu übertreten, wenn zum Beispiel heimliche Videoaufnahmen gemacht werden, etwa von Schlachthöfen oder Massentierhaltungen. Was ist da dran?
Wir sind völlig gesetzeskonform. Wir tun nichts Illegales. Wir veröffentlichen diese Bilder, die uns zugespielt werden. Das sind keine Mitarbeiter von Peta, die das machen.
Was sind die derzeit wichtigsten Ziele von Peta Deutschland?
Zum einen eine Kampagne gegen den Reiseveranstalter Tui, der keine Werbung mehr für Orca- und Delfinshows machen soll. Dann versuchen wir, mit einer Kampagne zu erreichen, dass die Kommunen keine Stellplätze für Zirkusse mit Wildtieren zur Verfügung stellen. Dann machen wir Öffentlichkeitsarbeit, was vegane Ernährung angeht. Und wir schreiben Firmen an, dass sie Mohair, Leder und andere tierische Materialien aus ihrem Sortiment nehmen. Und große Baumärkte, dass sie keine Lebendtiere mehr verkaufen.
Wie reagieren denn Firmen, wenn Sie sich melden?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich selbst war in den letzten Jahren immer wieder bei den großen Autofirmen dabei, wie Daimler und BMW. Wir haben mit denen über lederfreie Autos gesprochen. Manche sind sehr kooperativ, gehen mit uns ganz offen ins Gespräch. Wir bieten dann Tipps an und halten sie auf dem Laufenden, wo es neue Entwicklungen über nicht tierische Produkte gibt, die für Firmen interessant wären. Sei es jetzt Ananasleder oder Pilzleder. Wir arbeiten auf dem Gebiet auch viel mit unseren Partnerschaftsorganisationen zusammen, zum Beispiel Petas internationales Wissenschaftskonsortium. Dort arbeiten 20 Wissenschaftler, die Alternativen zu Tierversuchen erforschen und vorantreiben. Sie beraten Firmen, die zum Teil noch verpflichtet sind, Tierversuche durchzuführen. Die Unternehmen sind sensibilisiert. Die Menschen sind aufgeklärter, sie wollen tierleidfreie und tierversuchsfreie Produkte. Und die Firmen wissen das.
Einen Vorsitzenden stellt man sich eher am Schreibtisch vor. Sind Sie denn nach wie vor auch an der Front aktiv?
Ich sitze mittlerweile mehr am Schreibtisch. (lacht) Wir haben knapp 100 Mitarbeiter, da muss viel koordiniert werden. Ich bin aber immer aktiv. Tagtäglich. Wenn ich in den Geschäften bin, dann gebe ich immer Kommentare ab, wenn jemand vor mir an der Kasse viele tierische Produkte eingekauft hat. Dann spreche ich ihn an.
Wie reagieren die Leute?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin immer sehr nett und höflich. Ich weise drauf hin, welche Tierqual hinter dem verpackten tierischen Produkt auf dem Förderband steckt. Dass sie überlegen sollten, zumindest weniger tierische Produkte zu essen, am liebsten natürlich gar keine, sie wüssten doch sicher über die Klimakatastrophe Bescheid und so weiter. Manche sind dann genervt, aber manche sagen: „Oh, darüber hab ich noch nicht nachgedacht." Ich bin immer wieder überrascht, dass es tatsächlich noch Menschen gibt, die sehr wenig darüber wissen.
Hatten Sie da mal ein besonders schönes Erlebnis?
Unsere Nachbarn haben zwei Kinder, acht und zwölf. Mit denen sind wir immer spazieren gegangen und haben mit ihnen über vegetarische und vegane Ernährung gesprochen. Und auch den Eltern immer wieder Tipps gegeben. Und dann, als die Mutter ihren 40. Geburtstag feierte, war das ganze Menü für die knapp 100 Feiernden vegan. Sowas finde ich ganz toll. Das sind kleine Dinge, die jeder machen kann. Immer im Gespräch bleiben mit den Menschen. Auf eine nette und positive Art informieren.
Sind Sie mit vegetarischer Ernährung auch zufrieden oder ist vegan das einzig Wahre?
Wir sind eine Tierrechtsorganisation, die sich für die Rechte aller Tiere einsetzt. Für mich gibt es aus moralischen und ethischen Gründen gar keinen vernünftigen Grund, irgendein tierisches Produkt zu essen. Wenn Sie Milch trinken, wissen Sie, dass den Müttern die Kälber weggenommen werden. Das muss grausam für die Mütter sein. Es gibt genügend Bilder und Videos von Kuhmüttern, die schreiend hinter den Lkw herrennen, weil sie ihre Kinder beschützen wollen. Was ja ein völlig normaler Instinkt ist. Das macht jede Mutter. Das sind Grausamkeiten, die sind unvorstellbar. Für ein Produkt, das man nicht braucht. Das ist ein Luxusprodukt. Wir Menschen sterben nicht, wenn wir keine Milch trinken.
Peta macht mit teilweise sehr auffälligen Aktionen immer wieder von sich reden. Allerdings wirkt manches ein bisschen übertrieben, zum Beispiel die Geschichte mit dem Affen-Selfie in den USA, wo Peta den Fotografen verklagte und verlangte, dass die Rechte am Bild dem Affen zugestanden werden. Ist denn sowas wirklich sinnvoll?
In Deutschland hätten wir so etwas nicht gemacht, weil die Gesetzeslage anders ist. In den USA heißt es, dass jeder, der ein Bild schießt, der Besitzer des Bildes ist, ganz egal, wer auf den Auflöser drückt.
Hat das nicht den Bogen etwas überspannt?
Wir gehen lieber einen Schritt zu weit, als nicht weit genug zu gehen.
Sie möchten also das Unmögliche verlangen, damit das Mögliche passiert …
Genau. Da gab es unheimlich viele Diskussionen darüber. Wichtig ist, dass die Menschen darüber sprechen, damit wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln, und die Tiere nicht als Dinge betrachten. Tiere sind Lebewesen wie wir, und wir Menschen sind genauso Tiere. Die Tiere haben eben das Pech, dass sie zur gleichen Zeit wie wir Menschen leben. Es gibt für uns keinen vernünftigen Grund, warum wir anderen Lebewesen alles wegnehmen, was das Leben lebenswert macht.
Was muss denn bei Peta noch besser werden?
Wir müssen die Menschen noch mehr informieren und aufklären, damit sie endlich aufhören, tierische Produkte zu konsumieren, zu tragen und Tiere auszubeuten. Wir sehen unsere Aufgabe darin, immer den Zugang zu den Menschen zu finden, damit sie die Tiere auch als Lebewesen betrachten und nicht als Gebrauchsartikel. Die Menschen sind sehr verschieden und deshalb haben wir auch verschiedene Vorgehensweisen, zum einen mit bunten Bildern, zum anderen mit blutigen und aggressiven Bilden. Oder mit soften Bildern. Den einen spricht dieses an, den anderen jenes. Wir sind auch nicht da, um uns beliebt zu machen. Das ist nicht unser Hauptziel.
Die Vision von Peta ist, dass es eine Welt ohne Tiernutzung, Tierausbeutung und Tierleid geben soll. Wie realistisch ist denn das?
Wenn Sie sich mal Science-Fiction-Romane anschauen, sehen Sie, dass Zukunftswelten in der Regel immer vegan sind. Da gibt es gar keine tierische Ausbeutung mehr. Ich bin mir sicher, dass in 50 oder spätestens 100 Jahren die Tierausbeutung ein Ende haben wird. Vermutlich nicht aus ethisch-moralischen Gründen. Sondern wohl aus ökonomischen und Umwelt-Gründen.
Wie stehen Sie zu Haustieren?
Ich habe selbst Haustiere, die übers Tierheim kommen. In einer idealen Welt leben Tiere und Menschen, wir sind ja rein biologisch gesehen ebenfalls Tiere, friedlich nebeneinander, wir brauchen nicht unbedingt Haustiere. Aber die Tiere, die da sind, müssen natürlich gut versorgt werden und gut leben. Deshalb setzen wir uns auch für eine Kastration von Hunden und Katzen ein. Wir müssen die Überpopulation in den Griff bekommen.
Was ist denn Ihr persönlicher Wunschtraum?
Mir persönlich liegt am Herzen, dass die Leute verstehen, was sie vor allem Müttern antun, wenn ihnen ihre Tierkinder weggerissen werden. Eine Kuhmutter, die ihr Kalb neun Monate ausgetragen hat, es zur Welt bringt, und dann wird es ihr einfach entrissen – sowas finde ich furchtbar grausam.
Wichtig wäre mir, dass Leute aktiv werden, sich informieren, sich tierleidfrei ernähren, nicht mehr in Zoos und Zirkusse gehen. Jeder kann so viel machen, ohne jetzt groß viel Geld ausgeben zu müssen. Jeder sollte aktiv werden und Nachbarn und Freunde darüber informieren.