Durch den Verkauf von Anteilen für eine beträchtliche Summe wird Hertha BSC zwar nicht im „Konzert der Großen" mitspielen – die Investition könnte den Verein aber auf ein höheres Level bringen.
Bei Saisoneröffnungen stehen normalerweise die neuen Spieler eines Vereins im Mittelpunkt – nicht so allerdings Anfang Juli bei Hertha BSC. Das lag zum einen natürlich daran, dass Ante Covic an seinem ersten Tag als Trainer des Bundesligateams die größte Aufmerksamkeit genoss – in aller Munde war aber auch noch ein weiterer „Neuzugang", der sogar jede Menge Geld mitbringt. Erst wenige Tage zuvor hatte Hertha BSC nämlich verkündet, eine strategische Partnerschaft mit der Tennor Holding geschlossen zu haben, die dem Club zunächst 125 Millionen Euro einbringt. Also eine echte „Nachrichtenbombe" im Sommerloch: Schließlich handelt es sich laut „Spiegel Online" bei dem Deal um nicht weniger als das bislang größte Investment in einen Bundesligisten überhaupt. Für die Summe erhält die Beteiligungsgesellschaft 37,5 Prozent an der Hertha BSC KGaA und kann ihre Anteile zur darauf folgenden Saison noch einmal auf 49,9 Prozent für einen höheren Preis aufstocken. Der „Bild" zufolge könnte es unter dem Strich um ein Gesamtvolumen von rund 250 Millionen Euro gehen.
Eine Nachrichtenbombe im Sommerloch
Doch wer steckt hinter der Investition, die Club-Verantwortliche unter anderem als „Meilenstein für die Zukunft von Hertha BSC" (Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Torsten-Jörn Klein) bezeichnen? Nun, der Eigentümer der Tennor Holding ist beileibe kein Unbekannter: es handelt sich um Lars Windhorst, der trotz seiner erst 42 Jahre schon lange im Geschäft ist – und dabei Höhen und Tiefen erlebt hat. Als Teenager gründete er seine erste Firma, startete damit durch und begleitete den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl sogar auf Wirtschaftsreisen in die weite Welt. Die Finanzkrise zu Beginn des Jahrtausends blieb jedoch auch für das frühere „Wunderkind" nicht ohne Folgen: Windhorst und seine Firmen mussten in die Insolvenz gehen. Zumindest in Deutschland öffnete sein Name auch aufgrund einer Bewährungsstrafe wegen Veruntreuung nur noch wenige Türen. Der gebürtige Ostwestfale arbeitete aber weiter an seiner Vernetzung – und erwies sich als Stehaufmännchen. Kern seiner Geschäftstätigkeit wurde in den vergangenen Jahren die Investmentgruppe Sapinda, die Unternehmen eigenes Kapital zur Verfügung stellt oder solches bei anderen Geldgebern einsammelt. So kehrte der Investor – mal „schillernd", mal „windig" bezeichnet – wieder ins globale Business zurück. Ob bei der Luxus-Modemarke „La Perla" oder zuletzt der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft – Windhorsts Portfolio an Beteiligungen ist breit gefächert. Da wundert es nicht sonderlich, dass der Unternehmer nun auch ins Fußballgeschäft einsteigt. Gerade erst im Mai war publik geworden, dass die Investmentfirma durch Windhorsts internationale Kontakte inzwischen über Anlagegeld in Milliardenhöhe verfügt und nun auch auf dem US-Markt tätig wird. Deshalb wurde der bisherige Name auch just in „Tennor Holding B.V." geändert.
Erste Zahlung von Windhorst ist bereits eingegangen
Einer der ersten Deals des umbenannten Unternehmens: das Investment bei Hertha BSC. Die Wahl fiel dabei nicht auf die „Alte Dame", weil Tennor einen seiner Firmensitze in der deutschen Hauptstadt hat. Windhorsts Ziel, aus Hertha BSC einen – wie er es ausdrückt – „echten Big City Club" zu machen und dabei selbst einen Gewinn zu erzielen, erscheint für einen Investor schließlich durchaus verlockend. Immerhin konnte der Berliner Bundesligist seinen Unternehmenswert in den zurückliegenden fünf Jahren laut „Berliner Morgenpost" auf 450 Millionen Euro verdoppeln. Einfluss auf sportliche Entscheidungen, so heißt es von Vereinsseite, ist dabei ausgeschlossen: handelt es sich bei den veräußerten Anteilen doch lediglich um solche an der Kommanditgesellschaft, die der Hertha BSC GmbH untergeordnet ist. Die zwei Plätze, die die Holding im Aufsichtsrat der KGaA einnehmen wird, bedeuten dort zwar eine Einschränkung der Unabhängigkeit – allerdings auch keine größere, als es schon beim letzten Investor der Fall war. Der bedeutende Unterschied des Geschäfts: Im Jahr 2014 sicherten die Verantwortlichen mit dem Verkauf von knapp zehn Prozent Anteilen an den New Yorker Finanzkonzern KKR für rund 60 Millionen nicht weniger als die Existenz des Vereins. Aber eben auch nicht mehr: Das Geld konnte nur zum Schließen von Finanzlücken verwendet werden. In der Folgezeit steigerte der Club jedoch seinen Marktwert und entschied sich, die eigentlich auf sieben Jahre abgeschlossene Kooperation vorzeitig zu beenden. Im Herbst 2018 kaufte man die Anteile für rund 70 Millionen Euro von KKR zurück – zwar ausschließlich fremdfinanziert durch einen Mix aus Anleihe, Zugriff auf zukünftige Einnahmen und einen Bankkredit, aber durch die verbesserte finanzielle Situation des Vereins abgefedert. Dass Hertha BSC die Lizenz für die kommende Spielzeit dabei im Frühjahr von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nur unter Auflagen erhielt, war dabei praktisch eingepreist: Durch die erhöhten Aufwendungen beim Rückkauf der KKR-Anteile stieg die Verschuldung schließlich auf etwa 110 Millionen Euro. Der nächste Investitionsdeal sollte aber mehr Geld – und damit mehr Handlungsspielraum einbringen. An dieser Stelle kam für die Blau-Weißen Lars Windhorst ins Spiel – die Abmachung kam dabei so schnell zustande, dass der Gerüchteküche nicht mal Zeit für Spekulationen blieb. Diese Kooperation bringt mit zunächst 125 Millionen Euro den erhofften deutlich höheren Betrag ein – und läuft im Gegensatz zur Vereinbarung mit der KKR zeitlich unbegrenzt. Das verschafft Hertha BSC andere Möglichkeiten als bislang, zum Beispiel auf dem Transfermarkt: Neuzugänge im Bereich von zehn bis 20 Millionen Euro sind nun durchaus vorstellbar. Die Zahlen verdeutlichen aber gleichzeitig auch, dass die Berliner nicht ab sofort im „Konzert der Großen" wie Bayern, Dortmund oder Leipzig mitspielen – laut Geschäftsführer Michael Preetz will man mittelfristig in der Bundesliga „regelmäßig um die internationalen Plätze" spielen. Auch an anderer Stelle soll das Geld eingesetzt werden, etwa für den Ausbau der Digitalisierung und Internationalisierung. Und nicht zuletzt müssen natürlich die Verbindlichkeiten in größerem Umfang abgebaut werden. Der „Tagesspiegel" wusste dabei bereits kurz nach Bekanntwerden der Kooperation allzu sorgenvolle Geister im Vereinsumfeld zu beruhigen. Die erste, mit Lars Windhorst vereinbarte Zahlung über 125 Millionen Euro sei, so hieß es in der Zeitung, schon auf einem Treuhandkonto eingegangen.