Es gibt sie noch, die kleinen Autoschmieden in England, die besondere Fahrzeuge in kleiner Stückzahl bauen. Ginetta Cars etwa, die nun
einen neuen Supersportwagen auf den Markt bringen.
Die britische Automobilindustrie, einst mitführend im europäischen Markt, hat in den vergangenen Jahrzehnten massiv an Bedeutung verloren und wird vom bevorstehenden Brexit zusätzlich gebeutelt. Jaguar und Land Rover gehören zum indischen Tata-Konzern, Mini zu BMW. Andere einst erfolg- und traditionsreiche Marken sind ganz vom Markt verschwunden. Aber auch die Briten haben noch – wenn auch kleine – Automobilhersteller. Etwa die Kleinserien-Hersteller Morgan oder Ginetta. Letzterer präsentiert jetzt seinen neuen Supersportwagen.
Als Bausatz lange Zeit begünstigt
Mehr als sechs Jahrzehnte „jung" ist Ginetta, eines jener britischen Unternehmen, das Sportwagen in kleinen Stückzahlen – teils auch als Bausatz – produziert. Gegründet wurde die Firma, deren Name auf die italienische Schauspielerin Gina Lollobrigida Bezug nimmt, im Jahr 1957 von den Brüdern Bob, Ivor, Trevers und Douglas Walklett in Witham bei Essex. Üblicherweise haben die Ginettas einen Stahlrohr-Rahmen und eine Karosserie aus Fiberglas. Angetrieben werden sie von verschiedenen Motoren mit vier, sechs oder acht Zylindern. Zunächst waren die Sportwagen – neben dem Bau von Landmaschinen – eigentlich nur für den Eigenbedarf gedacht. Aber 1962 verkauften die Brüder Walklett den Landmaschinenbau. Sie widmeten sich fortan ausschließlich dem Bau ihrer Sportwagen. Mit mehr als 500 verkauften Exemplaren war die bis 1969 gebaute Ginetta G4 eines der erfolgreichsten Modelle der Marke. Mit mehr als 800 verkauften Fahrzeugen war die bis 1974 verkaufte und seit 1968 gebaute Ginetta G15 sogar noch erfolgreicher.
Die sportlichen Fahrleistungen der Fahrzeuge waren ein Grund für ihre relativ weite Verbreitung. Ein zweiter lag in ihrem Preis. In Großbritannien waren Bausatzfahrzeuge steuerlich begünstigt, und damit waren die Ginettas günstiger als andere mit ihnen im Wettbewerb stehende Automobile wie etwa der MGB. Im April 1973 wurde dann allerdings auch auf der Insel die Mehrwertsteuer eingeführt und auch auf Bausatzmobile erhoben. Deren Preisvorteil reduzierte sich somit erheblich. Ab 1974 stellte Ginetta daher die Produktion auf komplett montierte und mit technischen Komponenten von Ford versehene Fahrzeuge um.
Die Brüder Walklett verkauften Ginetta Cars schließlich im Jahr 1989 an eine Investorengruppe. Es folgte ein weiterer Wechsel des Eigentümers Mitte der 90er-Jahre, bevor der britische Unternehmer Lawrence Tomlinson im Jahr 2005 Ginetta Cars übernahm. Er brachte dann ab 2007 Sport- und Rennwagen auf den Markt. Zum Genfer Automobil Salon in diesem Jahr präsentierte Ginetta im März seinen neuen Supersportwagen, der bisher noch namenlos ist. Entworfen wurde er im eigenen Haus, im Ginetta Leeds HQ – ausgehend von einem leeren Blatt Papier. Auch der Antriebsstrang mit Sechsgang-Schaltgetriebe und der Kardanwelle aus Carbon ist maßgeschneidert, wurde in der Rennabteilung im eigenen Haus entwickelt und wird dort auch hergestellt. Der neue Wagen verfügt über ein V8-Aggregat mit sechs Litern Hubraum, angeordnet als Mittelmotor. Mit 600 Pferdestärken und rund 700 Nm Drehmoment soll der britische Sportler es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 200 Meilen pro Stunde bringen, was umgerechnet 321 km/h entspricht.
Preis bei mehr als 400.000 Euro
Zu den guten Fahrleistungen tragen auch die aerodynamisch günstig gestaltete Monocoque-Karosserie aus Kohlefaser und das geringe Leergewicht von nur 1.150 Kilogramm bei. Die Gewichtsverteilung ist beinahe ausgewogen, 49 Prozent liegen auf der Vorderachse, 51 Prozent auf der Hinterachse. Insgesamt 20 Exemplare des neuen Supersportlers sollen 2020, im ersten Produktionsjahr, gebaut werden. Angeblich sind bereits jetzt 14 Fahrzeuge verkauft. Noch hat Ginetta keinen Preis bekanntgegeben. Dem Vernehmen nach soll er aber in der Größenordnung um 500.000 US-Dollar, also etwa 439.500 Euro liegen.