Dr. Jörn Klasen ist Experte, wenn es ums Heilen durch Ernährung geht. In seinem neuesten Buch „Runter mit dem Bluthochdruck" verrät der Ernährungs-Doc, wie man mit dem richtigen Lebensstil seinen Blutdruck senken kann.
Herr Dr. Klasen, welche Ursachen kann Bluthochdruck haben?
90 Prozent der Bluthochdruck-Patienten haben einen primären Hypertonus und nur zehn Prozent einen sekundären, bei dem Erkrankungen an den Nieren, den Blutgefäßen oder hormonelle Störungen die Ursache sind. Der primäre Hypertonus hat ganz überwiegend mit unserem Lebensstil zu tun, mit zu viel und falscher Ernährung, Alkohol und Nikotin, Bewegungsmangel und dem fehlerhaften Umgang mit Stress.
Ab welchen Werten spricht man überhaupt von Bluthochdruck?
Wir sprechen von hochnormalem Blutdruck, wenn Werte bis 139/89 mmHg auftreten. Ab 140/90 mmHg liegt ein Bluthochdruck vor.
Was genau passiert bei Bluthochdruck im Körper?
Der Blutdruck entsteht aus dem Zusammenspiel von Blutvolumen, Herztätigkeit und Spannungszustand der Blutgefäße. Ist er zu hoch, können bevorzugt das Herz und die Blutgefäße geschädigt werden.
Welche Gefahren birgt ein zu hoher Blutdruck noch?
Zu Beginn wird ein Bluthochdruck meist nicht bemerkt („stiller Killer"). Im weiteren Verlauf treten insbesondere Folgen am Herz-Kreislauf-System auf. Bei zwei Drittel aller Hypertoniker sind koronare Herzkrankheit und ein zu schwacher Blutauswurf aus dem linken Herzen (Linksherzinsuffizienz) die Todesursache Nummer eins. Die Blutgefäße werden zunehmend fester und enger, was zu Schäden insbesondere am Gehirn (Hirninfarkt) und den Nieren führen kann.
Sind nur ältere oder auch jüngere Leute von hohem Blutdruck betroffen?
Ältere Menschen sind häufiger betroffen. Wir erleben aber auch bei jüngeren Menschen zunehmend Bluthochdruck. Ursache dafür ist ganz überwiegend das Übergewicht und die Fettsucht (Adipositas).
Sind Männer häufiger betroffen als Frauen?
Vor der Menopause sind Frauen seltener betroffen als Männer. Danach überholen die Frauen die Männer sogar. Die Ursache liegt darin, dass ein ausreichend hoher Östrogenspiegel vor Bluthochdruck schützt.
Man unterscheidet mehrere Blutdruck-Typen. Wie kam man zu dieser Unterscheidung?
Der Kollege Dr. Thomas Breitkreuz, heute ärztlicher Direktor an der Filderklinik bei Stuttgart, hat sich Gedanken gemacht, ob es bestimmte Typen bei Patienten mit Bluthochduck gibt. Das Typische kann hilfreich sein, um darauf einerseits eine Selbsterkenntnis aufzubauen und bietet andererseits die Basis für eine individuelle Therapie.
Welche Typen gibt es und wie unterscheiden sie sich?
Drei Typen werden beschrieben: der Stoffwechsel-Typ, der Nerven-Sinnes-Typ und der arhythmische Typ. Am häufigsten – 60 Prozent – haben wir es mit dem Stoffwechsel-Typ zu tun. Er isst gern und leider meist zu viel und das Falsche. Er hat meist ein deutliches Übergewicht und bewegt sich ungern. Zum Stressabbau oder gegen Langeweile nascht er gern. Oft ist er der gesellige, kumpelhafte Typ. Der Nerven-Sinnes-Typ hat meist keine Gewichtsprobleme. Er steht meist in Verantwortung und mutet sich viel zu. Er neigt zum Perfektionismus und ist häufig einsam. Er wirkt oft nach außen stark, aber innerlich ist er verletzlich und nimmt sich vieles zu Herzen. Der arhythmische Typ hat oft einen bunten Alltag. Bei ihm ist immer etwas los. Überwiegend gehört er zu den kreativen und künstlerisch begabten Menschen. Sein Arbeitstempo ist meist zu hoch, und irgendwann ist er ausgebrannt. Sein Gewicht ist schwankend.
Kann die Psyche bei Bluthochdruck auch eine große Rolle spielen?
Wir leben heute in einer Zeit des Zeitmangels. „Tut mir leid, ich kann nicht warten", und schon hetzt man weiter. So jagt eine Pflicht die andere und alle zusammen den Menschen. Diese ständige Anspannung und der mangelnde Umgang mit Stress übererregen das vegetative Nervensystem, was zu einem erhöhten Spannungszustand und Verengung der Blutgefäße führt.
Gibt es Medikamente, die den Bluthochdruck nach oben treiben und von denen Betroffene die Finger lassen sollten?
Hypertoniker sollten vorsichtig sein beim Umgang mit Ovulationshemmern, Kortisonpräparaten und bestimmten Schmerzmitteln wie nicht-steroidalen Antirheumatika, beispielsweise Diclofenac.
Sie schreiben, dass die Ernährung eine große Rolle spielt. Welche Nahrungsmittel können den Blutdruck nach oben treiben?
Zu viele Kohlenhydrate, die falschen Fette und ein zu hoher Salzkonsum können den Blutdruck nach oben treiben.
Wie ist das zu erklären?
Zu viele Kohlenhydrate führen zu Übergewicht, die falschen Fette zu Ablagerungen in den Blutgefäßen und ein zu hoher Salzkonsum – über sechs Gramm am Tag – vermehrt das Blutvolumen.
Wie sollte man sich bei Bluthochdruck ernähren?
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die gute alte mediterrane Küche der richtige Weg ist. Das bedeutet viel Gemüse, ausreichend Obst, wenig Fleisch und Fisch, gute Öle und die Beilagen wie Reis, Teigwaren und Kartoffeln begrenzen. Genauso sollte der Zuckerkonsum begrenzt werden auf etwa 25 Gramm am Tag, selten Alkohol und in Ruhe und regelmäßig essen.
Welche Sportarten wirken sich positiv auf den Blutdruck aus?
Zunächst einmal sollte man mehr zu Fuß gehen. 8.000 bis 10.000 Schritte am Tag sind gut. Leichter Ausdauersport wie Walken, Wandern, Radfahren und Schwimmen sind gut. Leistungssport ist zu vermeiden. Krafttraining wird am besten unter ärztlicher Anleitung durchgeführt.
Wie kann man Bluthochdruck noch behandeln?
An erster Stelle stehen heute Entspannungsübungen wie Meditation, progressive Muskelentspannung und Achtsamkeitsübungen. Die Gesangs- und Musiktherapie trägt enorm zur Entspannung bei.
Hilfreich sind auch äußere Anwendungen wie Massagen und spezielle Wickel oder ein warmes Lavendelöl-Bad. Seit einiger Zeit wissen wir auch, dass regelmäßiges Blutspenden oder ein Aderlass den Blutdruck senken können. Zu achten ist auch auf einen rhythmischen Alltag und ausreichend Schlaf – sieben bis acht Stunden. Das Rauchen sollte bei Bluthochdruck eingestellt werden. Erst wenn das alles nicht ausreichend ist, müssen Medikamente eingesetzt werden. Wir haben heute eine Fülle an Medikamenten, die sehr wirksam sind und in fünf Klassen eingeteilt werden: Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Antagonisten und Kalzium-Antagonisten.
Was sind die neuesten Erkenntnisse der Medizin bezüglich Bluthochdruck?
Der Bluthochdruck ist ein sehr komplexes Krankheitsgeschehen, das individuell behandelt werden sollte. Der hochnormale Blutdruck und die Hypertonie Grad 1 lassen sich durch eine entsprechende Änderung des Lebensstils komplett normalisieren.