Hunderte Live-Auftritte, mehr als 2.000 Proben, im Schnitt 45 Musikerinnen und Musiker, neun Dirigenten und seit 60 Jahren aktiv: die Stadtkapelle Saarbrücken.
Viele Superlative und Sinnbilder stehen für das Orchester, das demnächst mit einem großen musikalischen Feuerwerk seinen 60. Geburtstag feiert. Bei freiem Eintritt, versteht sich.
Gerne wird die Stadtkapelle als das „melodiöse Aushängeschild der Landeshauptstadt" vorgestellt oder als die „musikalische Botschafterin Saarbrückens" gelobt. Das musikalische Niveau wird als bravourös, außergewöhnlich und „von höchster Qualität" gewürdigt. Die Stimmung der Zuschauer stets als ausgelassen, fröhlich mitfeiernd und hingerissen beschrieben.
Und in der Tat: Die engagierten Amateurmusikerinnen und -musiker aus dem gesamten Saarland stehen für ein qualitativ hochwertiges Orchester, in dem „erfahrene Hasen" mit jungen Nachwuchstalenten zu musikalischen Höhenflügen ansetzen. So ist Cora Walter mit 15 Jahren die jüngste Musikerin, Joachim Smykalla mit 80 Jahren der älteste. Am längsten spielt Jürgen Schmeer mit, nämlich stolze 45 Jahre. Eine buntgemischte Truppe, bei der bei allem professionellen Anspruch die Freude am Spielen nicht zu kurz kommt.
Doch wie begann die ungewöhnliche Geschichte der Stadtkapelle?
Als 1959 das 50. Großstadtjubiläum von Saarbrücken anstand, wollte die Kaufmannschaft etwas Besonderes für dieses Fest: eine eigene Kapelle. Ein verwegener Gedanke, denn gute Laien-Musiker lassen sich nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln. Doch dem Werben der Saarbrücker Geschäftsleute kamen gerne Instrumentalkünstler aller Altersgruppen nach. Die Stadtkapelle Saarbrücken war geboren. Im September 1959 stellte sich das Ensemble erstmals bei der Eröffnung des Oktoberfestes an der Camphauser Straße vor.
Seinen ersten großen Auftritt absolvierte das frischgebackene Orchester im Rahmen der Bundesgartenschau im Deutsch-Französischen Garten (DFG) am 24. April 1960 unter der Leitung von Willi Klein. Ein furioser Auftakt, dem ab 1963 jährlich vielbeachtete weitere Auftritte im DFG folgen sollten. „Als vordringlichste Aufgaben haben wir uns den Erhalt, die Pflege und die Förderung der Blasmusik auf unsere Fahnen geschrieben", erklärt Thomas Kitzig, 1. Vorsitzender der Stadtkapelle Saarbrücken. Wer nun denkt: Blasmusik, das ist doch sowas von out, der wird sich wundern, wenn er die Stadtkapelle live erlebt. Wenn die Musiker mit ihren Trompeten, Saxofonen, Klarinetten, Querflöten, Posaunen, Hörnern und Tuben samt Bassgitarrenbegleitung und Schlagzeug schmissige Songs von John Miles und Joe Cocker über Queen bis Robbie Williams spielen, dann schnippt und wippt das Publikum unweigerlich mit. „Neben dem typischen Big-Band-Stil beherrschen wir aber auch klassische Musik vom kurfürstlichen Reitermarsch über ungarische Tänze bis zum Wiener Walzer", betont Uwe Johmann, 2. Vorsitzender des Vereins.
Professioneller Anspruch und Freude am Spielen
„Besonders großen Zuspruch seitens unseres Publikums ernten wir jedoch immer dann, wenn wir die 50er-Jahre-Arrangements von Hermann Kahlenbach präsentieren", würdigt Matthias Weißenauer, der als langjähriger Dirigent der Stadtkapelle von 1977 bis 1999 seinen musikalisch-swingenden Stempel aufgedrückt hat, Kahlenbach.
Wahre Höhenflüge erlebte die Stadtkapelle in den 70er- bis 90er-Jahren mit dem „singenden, klingenden Dreiländereck" – einer Kultsendung des Saarländischen Rundfunks. „Zusammen mit dem SR haben wir mit namhaften Stars der saarländischen Schlagerszene vereint auf der Bühne gestanden. Ich denke da vor allem an Bill Ramsey, Tony Marshall, die Jacob Sisters, Gus Backus oder Bernhard Brink", weiß der Dirigent, der früher ebenfalls aktiver Musiker der Stadtkapelle war, zu berichten.
„Auch mit dem Musikantenstadl sind wir in der Saarlandhalle zusammen mit Stefanie Hertel, Patrick Lindner und Andy Borg schon aufgetreten. Wir waren alle sehr aufgeregt, den großen Stars der Volksmusik hinter der Bühne zu begegnen und dachten, wir könnten locker mit ihnen plaudern. Doch Fehlanzeige. Einige Stars wollten einfach nur ihre Ruhe, um sich zu konzentrieren und blieben in ihrer Umkleidekabine. Im Gegensatz zu manchen Sängern aus der Schlagerszene spielen wir übrigens stets live", sprudelt es aus der quirligen Flötistin und Moderatorin der Stadtkapelle, Monica Becker, heraus.
Für Gänsehaut-Feeling beim Publikum und den Musikern sorgen die englischen Promenadenkonzerte, die in Anlehnung an die englische Reihe „Night of the Proms" im Saarland unter „A day at the Proms" im Staatstheater aufgeführt werden. „Seit fünf Jahren sind wir mit dieser Konzertreihe im Staatstheater dabei. Stets spielen wir vor ausverkauftem Haus. Mit diesen Konzerten lockt die Stadtkapelle zusammen mit der Bergkapelle St. Ingbert scharenweise Gäste aus der Großregion Saar-Lor-Lux an. Für uns Musiker ist es ein ganz besonderes Gefühl, in diesem tollen Ambiente zu spielen", bekennt Monica Becker. „Im Laufe unserer Geschichte sind wir fast schon auf allen Dorf-Bühnen, in zahlreichen Konzerthallen und bei vielen Festen im Saarland aufgetreten. Auch in Kirchen haben wir, besonders in der Adventszeit oder zu Weihnachten, viel Zuspruch von unseren Fans erfahren. Aber wenn wir im Staatstheater das Stück ‚Rule Britannia‘ spielen und alle Konzertbesucher mit ihren Fahnen wedeln, ist das einfach Gänsehaut pur. Da kann ich mich vor lauter Begeisterung kaum noch auf meine Noten konzentrieren."
Wer Monica Becker zuhört, der spürt, wie viel Freude ihr und ihren Musikerkollegen die Auftritte und Proben mit der Stadtkapelle machen. Beste Voraussetzungen also, dass sie auch in den kommenden Jahren als ein verbindendes Kulturgut wahrgenommen wird.