Pedro Almodóvar besetzt Antonio Banderas und Penélope Cruz in seinem neuen Film „Leid und Herrlichkeit". Es ist eine stilisierte Zusammenfassung seines Lebens und Schaffens.
Der spanische Regisseur hat in den vergangenen Jahrzehnten einige Klassiker des europäischen Kinos geschaffen. Die Screwball-Komödie „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" (1988) steckt in Tempo und Dialogwitz noch immer jeden US-Blockbuster in die Tasche. „Mein blühendes Geheimnis" (1995) ist eine skandalöse Farce um Mord und Liebe, während „Sprich mit ihr" (2002) eine faszinierende Mischung zwischen Zärtlichkeit und Wahnsinn ist.
Im September 2019 nun kann der Meisterfilmemacher seinen 70. Geburtstag feiern. Passend zu diesem Anlass präsentiert er einen neuen Film, der nahezu alle Themen seiner vergangenen Werke vereint: Seine Liebe zum Filmemachen, die Bedeutung seiner Mutter, die Freiheit von Sexualität und natürlich eine Handlung, die in Witz, Hintergründigkeit, Schmerz und Lebensfreunde konkurrenzlos ist.
Reise in die Vergangenheit und ein Blick aufs Leben
Die Handlung von „Leid und Herrlichkeit" (Dolor y gloria): Regisseur Salvador (Antonio Banderas) entdeckt als Kind seine Leidenschaft für das große Kino. Er wächst auf im Valencia der 60er-Jahre bei seiner liebevollen Mutter und zieht als Erwachsener während der 80er-Jahre nach Madrid. Eine Begegnung mit dem Kollegen Federico wird sein Leben verändern. Einige Jahre später blickt der gealterte Salvador, gezeichnet von seinem exzessiven Leben, nun auf die Jahre zurück, in denen er als Regisseur große Erfolge feierte, schmerzliche Verluste hinnehmen musste, aber auch zu einem der innovativsten und erfolgreichsten Filmschaffenden in Spanien wurde. Durch die Reise in seine Vergangenheit findet Salvador den Weg in ein neues Leben.
Eine nachvollziehbare und vor allem lückenlose Inhaltsangabe eines Almodóvar-Filmes: kaum möglich. Man muss die Werke gesehen haben, um sich schnell in sie und ihre Figuren zu verlieben. Im Kino kann der Komplexität jeder Geschichte schnell gefolgt werden – um allerdings beim zweiten Sehen zuvor unentdeckte Finessen zu entdecken. Denn in Almodóvars Erzählstil liegt eine meisterhafte Wendigkeit: Eine Sache führt zur anderen, anschließend woanders hin und wieder zu einer anderen, dann zu einer assoziierten Erinnerung oder zu einer erfundenen Version sowie zu einem Hin und Her von Vergangenheit und Gegenwart.
Banderas beweist schauspielerische Stärke
„Leid und Herrlichkeit" vereint viele Schauspieler aus der herausragenden Karriere Almodóvars. Ein auffallend hagerer und ergrauter Antonio Banderas, der 1982 in des Meisters „Labyrinth der Leidenschaften" debütierte und in „Die Haut, in der ich wohne" (2011) von diesem noch einmal zu einer Glanzleistung gebracht wurde, spielt Salvador in einer faszinierenden Art, als ob er für die Rolle geboren wurde. Banderas hat die richtige Entscheidung getroffen, für die Hauptrolle aus Hollywood zurück nach Spanien zu kommen. Der inzwischen bald 60-Jährige hat in keinem seiner amerikanischen Filme je auch nur annähernd die schauspielerische Stärke erreicht wie bei Almodóvar. Für seine Leistung in „Leid und Herrlichkeit" wurde Banderas auf den 72. Internationalen Filmfestspielen in Cannes als Bester Darsteller geehrt. Gut möglich, dass er bald auch auf die Oscar-Liste kommt – und damit die Nachfolge von Penélope Cruz antritt. Die Spanierin hat ihre ersten Kino-Schritte ebenfalls bei Almodóvar gemacht („Live Flesh", 1997; „Alles über meine Mutter", 1999), um nach mäßigen US-Filmen für Almodóvars „Volver" (2005) mit dem goldenen Hollywood-Filmpreis ausgezeichnet zu werden. In „Leid und Herrlichkeit" taucht sie in Rückblenden als Mutter Salvadors auf – verwirrend schön und schauspielerisch perfekt wie immer.
Geschaffen hat der spanische Regisseur ein sinnliches und zutiefst persönliches Filmjuwel mit hohem Unterhaltungswert. Dennoch bleibt das Gefühl, als sei der Film unvollendet. Das dürfte kein Zeichen von Nachlässigkeit sein, so viel Zutrauen dürfte man in Almodóvar setzen. Vielmehr repräsentiert diese filmische Lücke den Zustand des niemals vollkommenen Lebens selbst. „Leid und Herrlichkeit" macht schon jetzt einen scharfen Appetit auf den nächsten Film des spanischen Inszenators.