Ozzy Osbourne gründete vor 50 Jahren Black Sabbath. Die Band verhalf dem Heavy Metal zum weltweiten Siegeszug. Sein Leben ist und bleibt ein Tanz auf dem Vulkan. 2020 will der heute 70-jährige Sänger mit seiner Abschiedstournee den Beweis antreten, dass Alter und Krankheit für einen mutigen Musiker kein Problem sind.
Das ihn nicht umbringt, macht ihn stärker. Die Rede ist von Ozzy Osbourne. Kein anderer Rockstar hat so viele Krankheiten, Unfälle und Überdosen überlebt wie der stets in schwarz gekleidete frühere Sänger der Gruftrockgötter Black Sabbath. Voriges Jahr musste er seine für Anfang 2019 geplante Abschiedstournee wegen einer Lungenentzündung absagen, im März stürzte er in seinem Haus schwer und musste operiert werden. Dabei wurden ihm alle Metallstäbe, die ihm einst nach einem Motorradunfall in den geschundenen Körper gelegt wurden, entfernt. Aber sein Sohn Jack verspricht: Ozzy Osbourne wird wieder zu seinem zynischen alten Ich. „Wenn im Fernsehen alles scheiße und im Haus alles kaputt ist, dann ist er in einem guten Zustand."
Der Sänger, der heute ehrfürchtig als Urgroßvater des Heavy Metal bezeichnet wird, erblickt am 3. Dezember 1948 als John Michael Osbourne im englischen Städtchen Aston das Licht der Welt. Sein Leben ist schon früh von seelischen Grausamkeiten überschattet: Als Elfjähriger wird er von älteren Schülern sexuell gedemütigt und unsittlich begrapscht. Dass eine seiner drei Schwestern Zeugin dieser Vorfälle ist, macht alles noch schlimmer. Sein Trauma kann er erst viele Jahre später mithilfe eines Therapeuten und in blutrünstigen Bühnenorgien verarbeiten.
Nach der Schulzeit jobbt der fanatische Beatles-Fan in einem Schlachthaus. Um diesem frustrierenden Job zu entkommen, gründet er mit drei ehemaligen Schulkameraden aus Birmingham die Polka Tulk Blues Band, die sich alsbald in Earth umbenennt. Der Bassist Geezer Butler, der Gitarrist Tommi Iommi, der Schlagzeuger Bill Ward und der Sänger John Osbourne, der von allen Ozzy genannt wird, spielen praktisch an jeder englischen Straßenecke und stranden Ende 1967 im Hamburger Star-Club. Dort brechen sie den Rekord der Beatles als amtierende Hausband.
Urgroßvater des Heavy Metal
Geezer Butler, der ein großer Fan der Romane des britischen Autors Dennis Wheatley ist, die sich um Satanismus und schwarze Magie drehen, schlägtt 1969 den Namen Black Sabbath vor. Die Band, die regelmäßig neben einem Horrorkino probt, hat schnell einen eigenen Stil entwickelt: Iommis schwere Gitarrenriffs verschmelzen mit Butlers düsteren Texten, Osbournes kehliger Raspelstimme und Wards schleppenden Rhythmen. Ihre erste Show spielen sie am 30. August 1969 in der Kleinstadt Workington. Das okkulte Debütalbum „Black Sabbath" erscheint am 13. Februar 1970 – einem Freitag den 13. –, bringt Ozzy Osbourne umgerechnet 150 Euro ein und gilt heute als Meilenstein des Heavy Metals. Daddy Osbourne kommentiert das düstere Werk mit den Worten: „John, bist du sicher, dass du nur Bier trinkst?" Dennoch gießt er auf der Arbeit Kreuze aus Aluminium für seinen Filius und dessen Freunde. Seitdem wird Heavy Metal immer wieder mit religiösen Symbolen assoziiert. Im Frühjahr 1971 erobern die Briten mit der Single „Paranoid" die deutschen Charts. „Das Böse zieht die Menschen magisch an, ebenso aber auch das Verrückte", resümiert Osbourne.
Bald darauf heiratet Ozzy die junge Thelma. Das Paar hat zwei Kinder. Ende der 70er-Jahre lernt er schließlich Sharon Arden kennen, seine große Liebe und Managerin. Bis dahin gelingen Black Sabbath weitere Hits wie „Iron Man", „Sabbath Bloody Sabbath" und „Am I Going Insane (Radio)", an deren Entstehung sich der exzentrische Sänger heute kaum mehr zu erinnern vermag. „Ich habe diese Form von Musik nicht bewusst erfunden", gesteht er dem Verfasser dieser Zeilen. „Keine Ahnung, wie mir die Melodie zu ‚Black Sabbath‘ damals eingefallen ist. Das war wahrscheinlich meiner Leidenschaft für die Beatles und zeitgenössischen Bluesbands wie John Mayall, Fleetwood Mac und Savoy Brown geschuldet." Andererseits hat sich sein erster Kokainrausch unauslöschlich in sein Hirn eingebrannt: „Ich hatte das Gefühl, darauf mein ganzes Leben gewartet zu haben. Diesem Kick jagt man fortwährend nach. Er lässt sich aber nicht wiederholen."
Aus Angst, eines Tages in einem Sarg von der Bühne getragen zu werden, trennt sich der „Madman des Rock’n’Roll" 1979 von Black Sabbath. Seine Solokarriere mit dem begnadeten Heavy-Metal-Gitarristen Randy Rhoads im Rücken beginnt fulminant. Als bis dahin einziger Künstler hält Ozzy Osbourne mit vier verschiedenen Alben gleichzeitig Einzug in die US-Billboard-Charts.
Jenseits des Ruhms liest sich sein Leben wie eine Folge von apokalyptischen Erlebnissen und bizarren Selbstreflexionen. Als Hobbypilot Randy Rhoads in einem Leichtflugzeug den Bandbus zu umsegeln versucht, passiert ein tragischer Unfall, der den Gitarristen das Leben kostet – während Ozzy selbst mit dem Schrecken davonkommt. Im Glauben, es handele sich lediglich um ein Spielzeug, beißt der Bühnenberserker am 20. Januar 1982 in Des Moines im Cognacrausch einer betäubten Fledermaus den Kopf ab. Die anschließenden Tollwutimpfungen sind für ihn eine Tortur: „Es fühlte sich an, als injizierte man mir Golfbälle in den Hintern."
Ozzy leidet an einer Nervenkrankheit
Die Beziehung zwischen Sharon und Ozzy überlebt alle Höhen und Tiefen. Unter ihrer Obhut entwickelt er sich vom Musiker zum Markenzeichen und beugt sich ihren Entscheidungen. Seine Shows, die er ab 1997 sporadisch auch wieder mit Black Sabbath bestreitet, bieten einen deutlich höheren Unterhaltungswert, selbst wenn seine markante Stimme hin und wieder zu kippen droht. 2001 fädelt Sharon einen spektakulären Deal mit MTV ein: „The Osbournes" mausert sich zur bis dahin erfolgreichsten Doku-Soap des Senders und beschert der schrecklich-schrägen Familie nicht nur einen unglaublichen Popularitätsschub, sondern auch schwerwiegende Probleme: Sohn Jack und Tochter Kelly kämpfen bald mit eigener Drogenabhängigkeit.
„Ich hatte damals nicht damit gerechnet, dass die Show solche Schlagzeilen machen würde", gesteht Osbourne. „In Wirklichkeit mag ich Fernsehen
überhaupt nicht – im glatten Gegensatz zu meiner Frau und unseren Kindern. Ich hasse es sogar, in der Glotze aufzutreten. Weder als Ozzy noch als verdammter Wetterfrosch. Aber manchmal lässt es sich einfach nicht vermeiden."
2005 diagnostizieren Ärzte bei ihm eine Nervenkrankheit, ähnlich dem Parkinson-Syndrom. Seitdem muss er täglich Medikamente gegen seine Zitter-Anfälle schlucken. „Ich habe immer vermutet, es seien der Alkohol und der Stoff. Nun finde ich heraus, dass alles von der Familie stammt. Dass ich immer noch da bin und mich gut fühle, ist einfach Glück. Eigentlich müsste ich längst tot sein. Viele meiner Kollegen und Freunde sind an Drogen- und Alkoholmissbrauch gestorben. Ich hingegen wache morgens immer wieder auf. Als ich 22 war, sagte ich zu einem Freund, dass ich bestimmt mit 40 tot sein werde. Damit konnte ich leben, bis ich 39,5 war. Ich möchte jedenfalls noch ein bisschen hier bleiben. Bislang ist mir noch niemand begegnet, der zurückkam und sagte: ‚Hey Ozzy, es ist wirklich cool auf der anderen Seite!‘"
2013 veröffentlicht er mit Black Sabbath ein letztes Studioalbum („13") und geht mit der Band auf Abschiedstournee. 2020 will er auch seine Solokarriere mit einer letzten Tournee beenden. Wenn der runzlige Osbourne auf einer Bühne steht, dann wirken seine alten Posen nicht mehr inszeniert und peinlich. Dann vermengen sich beim Publikum die Freude am Wiedersehen mit dem Gefühl von Lebewohl und der Sänger ist endlich bei sich selbst angekommen. Ozzy Osbourne, der wahrscheinlich einzige Schwermetaller, der jemals einem Navigationsgerät seine Stimme lieh, sagt über sich selbst: „Ich bin kein ernster verdammter Sänger, ich bin einfach ein Frontmann, der versucht, Stimmung für die Menge zu machen."