Unfertige Baustellen leben in Berlin vor allem von Terminankündigungen
Kürzlich hatte die Journaille in Berlin wieder ein schönes Event – eine Großbaustelle, die nicht pünktlich fertig wird. Das wiederaufgebaute Stadtschloss kann nicht fristgerecht eröffnet werden. Die Klimatechnik funktioniert nicht, da sie technisch noch gar nicht richtig vorhanden ist. Die Eröffnung also verschoben. So weit, so gut.
Doch dann machten die Herrschaften vom Humboldtforum einen entscheidenden Fehler: Sie wollten partout keinen neuen Eröffnungstermin nennen, trotz mehrfacher Nachfrage! Frechheit, damit ist der gesamte Boulevard um seine wunderbare Beschäftigung gebracht: Monatelang darüber lästern, debattieren und Wetten abschließen, ob der neue Termin denn nun eingehalten wird. Oder eben nicht. Und wenn es dann nicht klappt, behauptet jeder, er hätte es ja gleich gewusst, konnte ja auch gar nicht klappen. Das ist beste Unterhaltung für eine Stadtgesellschaft 4.0. Jeder kann mitreden, und am Ende haben es alle sowieso vorher gewusst.
Beim BER, dem Großflughafen ohne Flugzeuge, sind zumindest diesbezüglich Vollprofis am Werk. Seit mehr als sieben Jahren beste Dauerunterhaltung, viele Überraschungseffekte und eben immer wieder ein neuer Eröffnungstermin. Also der Spannungsbogen ständig auf ein Neues durchgezogen. Dazu kommt die artgerechte Bespaßung mit Besuchen auf der Flughafenbaustelle. Horden von Journalisten, Vertreter von Bundestagsausschüssen, sonstige Politik-Wichtigtuer und andere Verkehrsexperten werden über die Baustelle geschleift. Jeder Einzelne von ihnen fotografiert bei dem beliebten Event alles, was darauf hinweist, dass der Eröffnungstermin wieder nicht klappen wird. Offene Steckdosen, von der Decke hängende Kabel, aufgestemmte Wände. Ganz vorn als Fotomotiv, Sprinklerdüsen, Rauchklappen und Brandmelder.
Beinahe hat man bei solchen Besuchen den Eindruck, die Flughafenleitung lässt mit Absicht alles so bewusst unfertig aussehen. Die Deckenklappen zu den Stromschächten baumeln aber absichtlich offen nach unten, wird dann auf Nachfrage erklärt. Ganz einfach darum, zum Verschließen gibt es nur sehr kleine, feine Kunststoffnäschen. Werden die zu oft auf und zu gemacht, brechen sie ab. Also bleiben die Schächte gleich offen. Das gibt dem ganzen dann noch so einen schönen, unfertigen Charakter.
Dazu wird das ganze BER-Brimborium noch von der hohen Politik ordentlich orchestriert. Kürzlich meldete Bundesverkehrsminister Andy Scheuer seine Zweifel ob der Einhaltung des Eröffnungstermins an. Er begründete dies damit, dass die Brandschutzanlage immer noch nicht abgenommen sei. Die beiden beteiligten Länder Berlin und Brandenburg witterten umgehend eine bajuwarische Hinterhältigkeit. Der CSU-Scheuer torpediert mit Absicht das Flugfeld im Märkischen Sand. Denn der Scheuer stecke doch mit dem Münchner Flughafen unter einer Decke. Unterhaltung auf höchste Ebene.
Diesbezüglich ungeschlagen ist die BER-Dübel-Frage, seit drei Jahren der ultimative Schlagzeilenkracher. Welche Dübel wurden wo auf dem Flughafen verbaut? Scheitert womöglich der erneute Eröffnungstermin im Oktober 2020 an den kleinen grauen Kunststoffdingern? Selbst in der angesehenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wurde über die Dübel und ihr Verhalten bei Feuer philosophiert.
Der BER hat mit diesem Unterhaltungsgeschick das Kunststück fertiggebracht, dass er in der ganzen Welt als Flughafen ebenso bekannt ist wie London-Heathrow oder der JFK in New York. Nur dass hier noch nie ein Flugzeug abgefertigt wurde. Laut Gemütslage der Berliner und Brandenburger sollte das doch bitte noch ein bisschen so bleiben. Flughafen mit Flugzeugen kann schließlich jeder.
Wird nun der Eröffnungstermin tatsächlich wieder verschoben, wäre das eine wohltuende Genugtuung. Alle haben das eh geahnt, konnte ja nichts werden! Dann gibt es gleich einen neuen Eröffnungstermin, damit der Spaß weitergehen kann.