Es wird teuer. Ob neue Steuer oder Ausweitung des Emissionshandels – CO2 soll ein Preisschild bekommen. Was draufsteht und wie bezahlt wird, ist allerdings noch völlig offen.
So viel Aufmerksamkeit hat Professor Christoph M. Schmidt in seiner Karriere als Wirtschaftswissenschaftler schon lang nicht mehr bekommen. Im Kanzleramt wurde er mit seinen Kollegen schon sehnsüchtig erwartet. Schmidts Reputation als Wirtschaftsfachmann steht völlig außer Frage, aber ein bisschen eitel ist er doch. Als er auf dem Flur zum Kabinettssaal im fünften Stock des Kanzleramts die Fotografen erblickt, verschwindet seine Brille ganz beiläufig in der Jacketttasche. „Fotos bitte nur ohne Brille", ist zu vernehmen, bevor er in den riesigen Saal entschwindet.
Drinnen warten sieben Bundesminister und eine Kanzlerin auf seinen Rapport über Maßnahmen zur Rettung des Weltklimas.
„Eines vorweg", sagt der 57-jährige Präsident des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: „Es gibt nicht die Lösung, unserer Klimaprobleme, sondern nur verschiedene Wege, wie wir diese Aufgabe lösen können." Der Wirtschaftsweise und sein Team geben sich im Klimakabinett betont zurückhaltend, was Empfehlungen angeht. Nur soviel: „Der CO2-Preis muss im Mittelpunkt des Handelns stehen."
Eine CO2-freie Produktion ist ehrgeiziger
Das Klima soll gerettet werden, ein Baustein dazu ist die Reduktion von Kohlendioxyd, CO2. Soweit, so bekannt. Doch da setzt der Wirtschaftsweise Professor Christoph M. Schmidt schon an und kann sich dabei einen Seitenhieb auf die Kanzlerin nicht verkneifen. „Es ist immer die Rede von der Dekarbonisierung, viel richtiger muss es allerdings heißen: Defossilisierung. Es geht darum den Verbrauch von fossilen Energien zu verringern." Die einstige „Klimakanzlerin" hatte vor gut zehn Jahren die Parole von der Dekarbonisierung, also Ausstieg aus (Verbrennungs-)Prozessen, die CO2 freisetzen, ausgegeben. Defossilisierung meint wohl das Ziel einer komplett CO2-freien Produktion, ist also erheblich umfangreicher und damit ehrgeiziger.
Ob Ausstieg aus fossilen Energien, CO2-neutrale Produktion (bei der das dann noch erzeugte CO2 an anderer Stelle eingespart soll) oder eben CO2-freie Produktion: Die aktuelle Frage geht derzeit über den Weg, der einzuschlagen ist. Zwei Varianten stehen zur Debatte: Eine CO2-Steuer, wie von Bundesumweltministerin Svenja Schulze favorisiert, oder die Ausweitung des Emissionshandels mit CO2-Zertifikaten. Der bisherige Industriestandard könnte auch auf Verkehr und Wohnen ausgeweitet werden.
Allerdings würde das für Verbraucher sehr teuer werden. Derzeit wird die Tonne CO2 als Zertifikat mit 25 Euro gehandelt. Was Umweltschützer und etliche Wissenschaftler angesichts der Klimaschäden eher für einen Witz halten. Eine CO2-Steuer würde bei der Einführung pro Tonne Kohlendioxyd wohl mit 35 Euro zu Buche schlagen, auch das eher noch ein Schnäppchen. Allerdings würde dann schon der Preis für Heizöl, Diesel und Benzin um mindestens zehn Cent pro Liter steigen.
Allerdings würde das mitnichten den tatsächlichen Preis abbilden, so das Umweltbundesamt (UBA). Laut UBA müsste die Tonne CO2 mindestens 180 Euro kosten, wenn die realen Schäden für die Umwelt angemessen berechnet würden. Dieses Szenario hätte fatale Folgen für den Verbraucher. Die Heizkosten für eine durchschnittlich gedämmte Wohnung könnten im Extrem um einige hundert Euro im Jahr teurer werden, der Liter Sprit um mindestens 50 Cent ansteigen. „Das kann keiner wollen", so der Präsident der Wirtschaftsweisen, „darum müssen sich alle unsere Bemühungen darum drehen, die fossilen Brennstoffe zu verringern. Dies muss aber auch immer mit einer wirtschaftlichen Effizienz einhergehen." Allerdings bleibt wenig Zeit. „Es muss jetzt etwas passieren. Je länger wir warten, desto teurerer wird es für die späteren Generationen", warnt Schmidt.
„Je länger wir warten, desto teurer wird es für spätere Generationen"
Eine CO2-Steuer ließe sich verwaltungstechnisch innerhalb weniger Monate auf den Weg bringen. Die Ausweitung des Emissionshandels von CO2-Zertifikaten würde dagegen drei bis vier Jahre Zeit brauchen. „Eine Klimarettung, die überhaupt erst 2030 richtig greift, könnte Deutschland pro Jahr so teuer kommen, wie die Bankenrettung vor zehn Jahren", erläutert Isabel Schnabel. Die 47-jährige Wirtschaftsprofessorin aus Dortmund macht sich zudem Gedanken um die soziale Ausgewogenheit. „Eines ist klar, es wird für uns alle in Zukunft teurer. Da müssen wir aufpassen, dass mit der CO2-Bepreisung unsere Gesellschaft nicht in Schieflage gerät", sagt die Wirtschaftsweise (siehe Interview unten).
Das wiederum kommt dann schon fast der Quadratur des Kreises gleich. Egal ob CO2-Steuer oder Emissionshandel, dem Bürger sollen die Kosten zu einem vertretbaren Teil gutgeschrieben werden. Bundesumweltministerin Schulze (SPD) nannte eine Umweltprämie von 80 bis 100 Euro pro Kopf, die Wirtschaftsweisen empfehlen irgendwas um die 150 Euro, die pro Jahr ausgezahlt werden sollen. Das heißt aber auch, dass staatliche Transferleistungen hochgesetzt werden müssten, bei Wohngeld und Hartz IV müsste der CO2-Preis berücksichtigt werden. Doch damit, so der kritische Einwand, droht dann der „erzieherische Effekt" von höheren Heizkosten zu verpuffen. Frei nach dem Motto: Wenn etwas nichts kostet, ist es auch nichts wert. Genau aus diesem Grund aber soll CO2 etwas kosten, idealerweise so viel, wie es Schäden verursacht.