Die Füchse Berlin wollen in der neuen Saison nicht nur erfolgreicher, sondern auch attraktiver spielen. Trainer Velimir Petkovic steht unter Druck, ist aber auch hochmotiviert.
Bei seiner Verpflichtung im vergangenen Sommer ging die Öffentlichkeit noch davon aus, die Füchse Berlin hätten sich in Velimir Petkovic einen sogenannten „harten Hund" für den Trainerjob geholt. Doch der 63-Jährige Bosnier zeigte sich in der Hauptstadt nicht nur von seiner strengen Seite. Er wolle auch „ein Freund für die Spieler" sein, sagte Petkovic einmal: „Ich glaube, meine Spieler wissen das zu schätzen und geben es mir auf dem Feld zurück."
Nun, in der vergangenen Saison haben ihm die Profis diese Art der Teamführung nur bedingt gedankt. Zwischendurch wurde Petkovic sogar richtig böse, als er nach einer enttäuschenden Niederlage gegen Göppingen Mitte März seine Spieler öffentlich aufs Schärfste kritisierte: „Derzeit schäme ich mich für das, was meine Mannschaft zeigt."
Art und Weise war nicht mitreißend
Mit der mit Ach und Krach geglückten Qualifikation für den EHF-Pokal sowie dem Erreichen des DHB-Pokalhalbfinals und des Europacup-Endspiels kann der Club zwar auf dem Papier zufrieden sein, doch die Art und Weise war wenig mitreißend. „Das Ergebnis hat schon irgendwo gestimmt", sagte Geschäftsführer Bob Hanning der „Berliner Zeitung", „die Erlebnisse dahin haben in der Liga aber nicht gepasst."
Gefragt ist nun vor allem Petkovic. Der Trainer muss wieder die richtige Mischung aus Härte und Einfühlungsvermögen finden und auch in Sachen Taktik und Trainingsinhalt umdenken. „Das, was der Trainer jetzt vorhat, speziell die Umstellung im athletischen Bereich, wird uns guttun", prophezeit Hanning: „Für mich ist wichtig, wo sein Weg liegt und ob die Lösungsansätze kompatibel sind. Ob sein Feuer genug brennt, um das Nötige zu verändern. All das bringt er mit."
Auch deswegen geht Hanning „mit einem guten Gefühl in die neue Saison". Doch sein Auftrag an Petkovic ist eindeutig – und anspruchsvoll: „Wir müssen auf Augenhöhe kommen". Und zwar mit den Topclubs aus Kiel und Flensburg. „Wir müssen die großen Mannschaften zu Hause schlagen können und auswärts eine Chance haben", sagt Hanning. Petkovic ist hochmotiviert, sich möglichst positiv aus Berlin zu verabschieden, denn eine Zukunft darüber hinaus wird es wohl nicht geben. Sein Vertrag läuft im kommenden Sommer aus. In den Medien hatte Hanning bereits den ehemaligen Berliner Jugendspieler und -trainer Jaron Siewert als wahrscheinlichen Nachfolger auserkoren.
„Petko hat die Ziele genauso erreicht und verfehlt wie jeder andere auch. Ich finde es ungerecht, alles an ihm festzumachen", sagte Hanning zu aufkommender Kritik am Trainer. Gleichwohl hat der mächtige Füchse-Boss gespürt, dass auch im Trainerteam neue Ansätze hermüssen. Er hoffe, so Hanning, dass Petkovic „mit dem neuen Kader eine faire Chance hat, damit wir das gemeinsam korrigieren können, was uns nicht gefallen hat".
Die Liste, die Petkovic abzuarbeiten hat, ist lang. „Wir hinterfragen alles, ohne alles infrage zu stellen", sagt Hanning. Klar ist, dass das große Verletzungspech der vergangenen Monate Einfluss auf die Trainings- und Belastungssteuerung haben wird. „Darauf müssen wir natürlich reagieren, und da hat Petko viele Ideen", verriet Hanning. Der Athletik- und Kraftbereich soll zum Beispiel stärker individualisiert werden.
Außerdem muss der Trainer die vielen technischen Fehler im Spielaufbau minimieren. Er muss einen Weg finden, wie er Nationalspieler Fabian Wiede, der nach der WM im eigenen Land überspielt wirkte, im Rückraum als Spielgestalter stärker entlasten kann. Dem 23-Jährigen Christoph Reißky, auf den Hanning große Stücke hält, traute Petkovic den schnellen Durchbruch nicht zu. Reißky wurde nach GWD Minden ausgeliehen. „Das muss man akzeptieren als Geschäftsführer", sagt Hanning.
„Ergebnisse haben irgendwo gestimmt"
Schwerer zu akzeptieren waren dagegen die Torhüterleistungen der Vorsaison. Deswegen verpflichteten die Füchse mit dem Serben Dejan Milosavljev einen Torhüter, der auf Anhieb Silvio Heinevetter und Neuzugang Martin Ziemer auf die Ersatzbank oder gar Tribüne verdrängen dürfte. Der 23-Jährige war ein Garant dafür, dass der mazedonische Club Vardar Skopje beim Final Four in Köln zum zweiten Mal nach 2017 die Champions League gewann.
Hanning hält sich aber noch bedeckt. „Es wird keine klare Nummer eins geben", sagte er in der Hoffnung, die starke Konkurrenzsituation könne „nur förderlich sein". Für mehr Druck von unten soll außerdem Tim Mathes sorgen, der Nachwuchsmann wurde mit einem Profivertrag ausgestattet und soll Bjarki Elisson im Kader ersetzen. Aus der Füchse-Schmiede werden in naher Zukunft noch reichlich Talente den Weg nach oben schaffen, verspricht Hanning: „Wir haben einen überragenden 2002er-Jahrgang, sowohl vom Kopf als auch von der Leistungsfähigkeit. Ich war noch nie so stolz."
Petkovic muss einen Spagat hinbekommen. In seinem letzten Vertragsjahr kann er nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg schauen, sondern muss auch die Integration von Nachwuchsleuten im Blick haben. Hanning legt extrem viel Wert auf eine Durchlässigkeit zwischen der von ihm mit viel Geld und Zuwendung geförderten Nachwuchs- und der Profiabteilung. Für einen Stimmungsumschwung müssen aber vor allem die Leistungsträger sorgen. Zumindest in der Öffentlichkeit betonen diese, dass Trainer Petkovic das Team mit seiner Arbeit und seiner Ansprache noch erreicht. „Petko appelliert sehr viel an die Ehre und an das Herz", sagt Nationaltorwart Heinevetter: „Das macht er sehr gut". Und Kapitän Hans Lindberg lobte die Motivation seines Trainers, die ungebrochen scheint: „Er will alles tun, um erfolgreich zu sein." Das wird auch nötig sein, denn der Druck auf Petkovic nach der laut Hanning „schwierigsten Spielzeit, die wir je hatten", ist gewachsen. Man habe „viele Probleme" im Laufe der Vorsaison nicht lösen können, so Hanning. Doch jetzt ist Petkovic als Problemlöser gefragt.
Kurz nach dem Trainingsstart am 10. Juli absolvierte das Petkovic-Team bereits seine ersten Testspiele gegen den Landesligisten TV Borken und den Oberligisten Schalke 04. Die konditionellen Grundlagen für die lange Saison holten sich die Spieler in einem fünftägigen Athletik-Trainingslager in Lübbenau. Die Generalprobe für den Ligastart ist der Internationale Heide-Cup in Schneverdingen vom 9. bis zum 11. August.
Erstmals ernst wird es dann am 17. August beim Auftakt im DHB-Pokal, wo die Füchse in der ersten Runde auf den amtierenden Drittligameister HSG Krefeld und den Sieger der Partie zwischen TuS N-Lübbecke und TuS Spenge treffen. Für Hanning sind diese Duelle eine gute Chance zum Einspielen, „und deshalb freuen wir uns bereits jetzt sehr auf das Turnier".