Der erste Heimatminister Deutschlands, Horst Seehofer, wollte gleichwertige Lebensverhältnisse zu seinem zentralen Projekt machen. Herausgekommen ist bislang ein „Plan für Deutschland", bei dem zentrale Punkte ungeklärt sind.
Julia Klöckner mochte ihr schmunzelndes Grinsen nicht mehr verbergen. Zu offensichtlich war bei dieser Gelegenheit, dass diese Show nur einem gehört: Horst Seehofer, dem Heimatminister. Er ließ gegen jede galante Höflichkeitsregel den beiden Damen, die ihm als Co-Vorsitzende zur Seiten saßen, kaum eine Chance. Julia Klöckner, Landwirtschaftsministerin, und Franziska Giffey, Familienministerin, bilden mit Seehofer eigentlich das Dreigestirn an der Spitze der Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse.
Jener neu geschaffenen Kommission in dem neu geschaffenen Heimatministerium, auf die viele große Hoffnung gesetzt hatten. Allein die Einrichtung schien zu signalisieren, dass in der Berliner Politik endlich ernst genommen wurde, was sich da außerhalb der Regierungszentrale im Lande entwickelt hat. Die Regionen driften auseinander, was Chancen und Entwicklungen betrifft. Gleichwertige Lebensverhältnisse – längst Fehlanzeige – und längst bekannt, dokumentiert durch zahlreiche Untersuchungen unterschiedlichster Herkunft, somit in der Summe unverdächtig, einseitig interessengeleitete Ergebnisse zu produzieren.
Seehofer selbst hatte vollmundig die Kommission als Kernstück des eigens für ihn geschaffenen Heimatministeriums erklärt – um sich dann außerordentlich viel Zeit zu lassen. Monate vergingen, bis die neue Abteilung Heimat im Ministerium überhaupt mit der Arbeit beginnen konnte. Noch mehr Zeit verstrich, bis die Kommission offiziell eingerichtet war, nach den üblichen Diskussionen, wer mit welcher Kompetenz mitmachen durfte und womit man sich überhaupt beschäftigen wollte.
Das hatte in der Tat gute Gründe. Für vieles von dem, worum es gehen sollte, sind im Grunde andere zuständig. „Wenn wir von ‚Heimat‘ sprechen, dann geht es um Infrastruktur, um Kultur, um Daseinsvorsorge. Da müssen handfeste strukturpolitische Entscheidungen getroffen werden", hatte seinerzeit der Heimat-Abteilungsleiter Michael Frehse kundgetan.
Für derlei Fragen gibt es eigentlich Minister, Ministerpräsidenten, im Zweifel auch Landräte und Rathauschefs. Die Einrichtung der Kommission muss folglich entweder damit zu tun haben, dass dort in der Vergangenheit einiges schief gelaufen ist. Oder sie sollte in erster Linie ein politisches Signal setzen. Beides dürfte mitgespielt haben.
An Erkenntnis schien damals zumindest kein Mangel zu herrschen. „Wir haben in den letzten knapp 30 Jahren fast ausschließlich nach Osten geschaut und manche Regionen im Westen vernachlässigt", erklärte Frehse, um dem Eindruck eines einseitigen Blickwinkels im Heimatministerium vorzubeugen. Das klang schon sehr nach dem politischen Slogan, Förderung „nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedürftigkeit" zu organisieren.
Mit der gerechten Verteilung staatlicher Ressourcen ist es aber so eine Sache in Deutschland. Ein eindrucksvolles Beispiel lieferten die zähen und immer wieder vom Scheitern bedrohten Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern aus der vergangenen Legislaturperiode. Da ist jedem Landeschef einerseits und dem obersten Bundeskassenwart andererseits naturgemäß das eigene Hemd näher. Das große Wort von der Solidarität wurde schon da einem Realitätstest unterzogen, der höchsten Maßstäben genügt.
Nachdem für das Verhältnis von Bund und Ländern ein Ergebnis geschafft war, das sich nach dem Nervenkrieg durchaus sehen lassen kann, sollten nun die Kommunen in den Blick genommen werden, schließlich geht es dort zwar auch um harte Fakten, aber auch um tiefer greifende Fragen. Was Menschen über Staat und Politik denken, machen sie am eigenen Erleben fest, und das spielt sich nun mal in Kommunen ab. Wenn ganze Regionen sich nicht nur abgehängt fühlen, sondern auch objektiv belegbar sind, führt das kaum zu einem vertrauensvollen Heimatgefühl.
Für Altlasten und Sozialkosten keine Lösungen
Dass etwas grundlegend schief läuft, wollte man in der „großen Politik" offenbar lange nicht wahrhaben. Dabei war der „Blick nach Osten" nur ein Aspekt. Wer auf extrem Not leidende und immer höher verschuldete Kommunen in den Strukturwandelregionen des Westens hinweisen wollte, wurde insbesondere in den letzten Jahren mit ungläubigen Augen angeblickt. Bundespolitiker orientieren sich an bundesweiten Zahlen. Und die weisen für die Kommunen in den zurückliegenden Boomjahren sprudelnde Einnahmen aus. So künden es auch die Schlagzeilen.
Dass dieser Geldsegen aber extrem ungleich verteilt ist, war eine Erkenntnis, die sich nur langsam durchsetzte. Die betroffenen Regionen sehen es ja schon als einen Zwischenerfolg an, dass die Kommission immerhin diese Situation anerkennt. Die Empfehlungen der Kommission seien ein erster Schritt, sagte Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). Die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken ist führend am Bündnis „Für die Würde der Städte" beteiligt, in denen hoch verschuldete Kommunen bundesweit um eine Lösung für Altlasten kämpfen, und dafür, dass der Bund insbesondere, wenn er denn Sozialgesetze beschließt, die Kosten auch trägt und nicht auf die Kommunen abwälzt. Auf Bierdeckeln erinnerte das Bündnis an den Grundsatz: „Wer bestellt, bezahlt". Die Bündnis-Städte in Strukturwandelregionen sind naturgemäß ohnehin mit hohen Soziallasten erst recht benachteiligt. Grundsätzliche Lösungen für genau diese beiden Probleme, Altlasten und Sozialkosten, hat die Kommission nicht im Gepäck, dafür den Hinweis, dass für Lösungen auch die Länder mit ins Boot müssten.
Sind sie aber teilweise schon, schließlich kennen sie die Lage in ihren Kommunen. Das Saarland, selbst lange in höchster Haushaltsnot, hat mit den ersten freien Mitteln aus dem neuen Finanzausgleich einen „Saarlandpakt" in einer Größenordnung von einer Milliarde beschlossen, was knapp die Hälfte der rund 2,1 Milliarden kommunaler Kassenkredite ausmacht. Die Vorleistung ist also erbracht, ähnlich wie in Hessen die „Hessenkasse". Der Bundestagsabgeordnete und Grünen-Landeschef Markus Tressel befindet auch vor diesem Hintergrund, dass echte Lösungen für gleichwertige Verhältnisse aus der Kommission „nicht in Sicht" seien.
Dabei hatte doch das Innen- und Heimatministerium unmissverständlich angekündigt: „Ziel der Kommission ist es, Vorschläge für eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Möglichkeiten für alle in Deutschland lebenden Menschen zu erarbeiten" und „Die Kommission wird bis Juli 2019 einen Bericht mit konkreten Vorschlägen vorlegen".
In den Ländern, in denen noch die Erfahrungen der Verhandlungen zum Finanzausgleich wach sind, dürften Erinnerungen wieder aufleben. Damals saßen die Kommunen nicht am Verhandlungstisch, durften sozusagen beobachtend am „Katzentisch" dabei sein. Obwohl deren Finanzlage die der Länder beeinflusst – und umgekehrt. Gleichwertige Lebensverhältnisse mit Blick auf die Verhältnisse in Regionen und Kommunen zu schaffen ist im verwobenen föderalen Geflecht zugegeben eine Herkulesaufgabe. Umso mehr gilt die Frage – wie bei den Länderfinanzbeziehungen: Wer, wenn nicht eine Große Koalition, könnte Wege finden? Dass die Koalitionäre derzeit aber eher mit sich selbst beschäftigt sind, spiegelt sich im mauen Kommissions-Zwischenbericht, den Seehofer, der Heimatminister, präsentierte.
Bei so manchem dürften dabei Erinnerungen an Kommentare aufgetaucht sein, als bekannt wurde, dass Deutschland fortan einen Heimatminister hat. „Heimat- und Innenminister Seehofer. Ist das Satire?", fragte damals der Grüne Öszan Mutlu, ehemaliger Berliner Bundestagsabgeordneter. Und Linken-Chef Bernd Riexinger kommentierte bissig: Seehofer als Heimatminister meine wohl: „Regierungsbeauftragter für Dampfplauderei."