Fünf Freunde – fünf Winzer: Seit mehr als einem Vierteljahrhundert arbeiten sie gemeinsam an den Spitzenweinen der Südpfalz – und sind auch für die Zukunft bestens gerüstet.
Anfang der 90er-Jahre war es unter den Winzern der Südpfalz – und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nur in dieser Weinbauregion – Usus, benachbarte Winzer und somit Konkurrenten, nicht an den Geheimnissen der eigenen Weinbereitung teilhaben zu lassen. Jeder Weinbauer verfolgte seine eigene Philosophie schon im Weinberg. Seine Weinberge bearbeitete der Winzer meist nach Vorgaben der Agrarchemie, spritzte vorbeugend Mengen an Pflanzenschutz (Fungizide) gegen Mehltau, Grauschimmel (Botrytis cinerea) und andere, immer wiederkehrende Pflanzenkrankheiten. Und was die Arbeit im Weinkeller betraf, griffen viele Weinbauern in das Arsenal der kellerchemischen Zauberkiste, entfernten Wein-Fehltöne durch Schönung, was das Deutsche Weingesetz seit 1971 zuließ, und taten vieles, was zu einem trinkbaren Endprodukt führte. Doch diese Jahre waren auch der Beginn eines Wandels. In der Südpfalz formierten sich fünf Winzer, die sich teils aus Schulzeiten kannten. Im Sinne des Fortschrittes für die Region, in der sie groß geworden waren, beschlossen Hansjörg Rebholz (Siebeldingen), Friedrich „Fritz" Becker (Schweigen), Karlheinz Wehrheim (Birkweiler), Thomas Siegrist (Leinsweiler) und Rainer Keßler (Godramstein), die erste weinproduzierende Boygroup der Südpfalz zu gründen.
„Dem Weinbau in der Südpfalz ging es damals nicht sonderlich gut, Wein war kein Genussmittel wie heute, sondern ein Lebensmittel", sagt Ökonomierat Hansjörg Rebholz. Fritz Becker fügt hinzu: „Wir wussten, dass es dauerhaft so nicht weitergehen konnte. Die Weine der Südpfalz wurden oft belächelt. Wir mussten sie unbedingt qualitativ aufwerten und dies ging nur über eine Mengenbeschränkung und innovative Kellerarbeit. 10.500 Liter pro Hektar, wie es das Weingesetz erlaubt, waren einfach zuviel." Den fünf Individualisten war klar geworden, dass die Zukunft des Südpfälzer Weinbaus in der Mengenbeschränkung und in enger Zusammenarbeit lag. Das heißt, sie wollten ihre Erfahrungen gemeinsam nutzen und offen diskutieren, um das Bestmögliche zu schaffen. Die fünf Freunde, heute allesamt Mitglieder im Verband der Prädikatsweingüter-VDP, diskutieren ihre Anstrengungen im Weinberg und im Kellerbereich, besprechen Ideen, mit denen sie Weine von höchster Qualität erzeugen können und gehen so schon mehr als ein Vierteljahrhundert gemeinsam durch die oftmals nicht ganz einfache Welt der Spitzenweine. Ihre Erfahrungen bringen die fünf Winzer in die Gruppe ein, doch in der Verantwortung für ihre Weingüter und die Arbeit ihrer Vorfahren handeln sie unabhängig.
Gemeinsam höchste Qualität erzeugen
Oft wurden die Bemühungen der fünf innovativen Winzer, den Weinbau der Südpfalz nach vorne zu bringen, als Marketingprodukt in eigener Sache belächelt. Hinter vorgehaltener Hand, manchmal auch ganz offen, gab man der Gruppe gerade mal zwei bis drei Jahre bis zur Auflösung. Doch ohne ihr unermüdliches Engagement hätte es wahrscheinlich im deutschen Weinbau keine Nachahmer gegeben, die deutschen Wein, allem voran den Riesling, in der globalen Weinwelt zur Spitze gebracht hätten. Fünf junge Winzer, die sich ebenso wie ihre Vorbilder „Fünf Freunde" dem ökologischen Weinbau zugewandt haben, gründeten Anfang 2000 die Gruppe „Südpfalz Connexion", die in der deutschen Weinszene eine feste Größe geworden ist. Es folgten die „Moseljünger" mit dem Motto „Inspiration aus steilen Hängen" zur gleichen Zeit, sowie einige andere Gruppen der deutschen Weinlandschaft. „Fünf Freunde – Fünf Winzer" aus der Südpfalz waren die Initiatoren, die wussten, dass nur durch Überzeugung und dem Wissen im Zusammenspiel von Tradition und Kreativität großartige Weine entstehen können.
Fritz Becker und Thomas Siegrist kannten sich bereits von der Weinbauschule in Neustadt/Weinstraße. Karlheinz Wehrheim und Hansjörg Rebholz standen durch die persönlichen, freundschaftlichen Kontakte ihrer Väter bereits in engerem Kontakt. Rebholz erinnert sich: „Fritz war schon damals ein Revoluzzer und ging eigene Wege, was seinem Vater nicht immer gefiel. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der Fritz Becker vor seinem Vater Otto oft in Schutz nahm. Heute sehe ich das so, der Geist der Zusammenarbeit und des Zusammenhalts war schon damals in unseren Familien da. Man hatte schon früh erkannt, durch gemeinsames Arbeiten kommt man deutlich weiter."
„Ende der 80er-Jahre", so erinnern sich Rebholz, Siegrist und Becker weiter, „waren wir schon in einer besonderen Situation. In der Kombination Wehrholz/Rebholz und Becker/Siegrist nahmen wir als Vierergruppe an einem Weinfestival teil. Damals gab es in der Südpfalz nichts, was den Pfälzer Wein hervorgetan hätte, folglich war es für uns einfacher, gemeinsam etwas Neues zu probieren."
Die vier wussten, dort wo ein gewisses Niveau bestand, Wohlstand und ein besonderes Image bereits vorhanden waren, würde es schwierig werden, Kollegen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Bei einer Spätburgunderprobe in Schweigen entstand die Idee, einmal gemeinsam aufzutreten und das wenige Image, welches sie sich erarbeitet hatten, zusammenzuwerfen und öfter mal die Südpfalz zu vertreten. „Wir waren zwar die ‚Wilden‘, die ‚Etablierten‘, zu wenig aber für eine Gruppe von Südpfälzern", sagt Fritz Becker. Thomas Siegrist fügt an: „Wir überlegten, wer noch zu uns passen könnte? Wir dachten an die Kesslers aus Godramstein, die schon zur damaligen Zeit wirklich gute Weine machten. Zudem passten die Kesslers auch menschlich bestens zu uns."
Jahr für Jahr müssen mehr als 100 Fässer für sie gebaut werden
Aus der anfänglichen Idee der „Boygroup", gemeinsam zum Wohle der Pfalz als Fünfergruppe junger engagierter Winzer dem Weinbau in der Südpfalz frisches Leben einzuhauchen, weg von der Masse, hin zur Klasse, waren sie es, die dem Südpfalz-Wein wieder eine Seele gaben. Seit etwa Mitte der 1970er-Jahre gingen sie zur Flaschenvermarktung über. Mit höchstem Anspruch an die eigenen Weine entschieden sich die fünf Pfälzer, verstärkt auf den Ausbau im Barrique zu setzen. Dazu brauchten sie gerade gewachsene Eichenstämme. Und die fanden sie quasi direkt vor der Haustüre im Pfälzer Wald. Der Siebeldinger Förster Siegfried Weiter ließ sich für ihre Idee, Weinfässer aus heimischer Eiche herstellen zu lassen, begeistern und unterstützte die fünf Freunde tatkräftig. Heute lassen sie Jahr für Jahr mehr als 100 Fässer von einem Küfer im Burgund herstellen, denn der Bedarf wächst ständig. Jeder Winzer aus der Gruppe hat sich auf besondere Rebsorten spezialisiert. Den Schweigener Friedrich Becker, der nicht nur Pfälzer Weinberge sondern auch im angrenzenden Elsass kultiviert, kennt man in der Weinwelt als Rebellen, der öfter einmal althergebrachte Konventionen ausblendet. Becker, dessen großes Vorbild die Burgunder „Domaine de la Romanée-Conti", einem der weltbesten Spätburgunder produzierenden Weingüter ist, hat sich mit dieser Rebsorte in den oberen Reihen der deutschen Weinproduzenten einen Platz geschaffen, den ihm so leicht keiner streitig machen kann. Seine Spätburgunder besitzen unverwechselbaren Charakter mit einem starken Profil. Ebenso hat sich Hansjörg Rebholz, Vorsitzender des VDP-Pfalz, mit seinen unverwechselbaren trockenen, biodynamisch erzeugten Weißweinen einen Spitzenplatz in der deutschen Winzergemeinschaft erarbeitet.
Der Gault-Millau bezeichnet Ökonomierat Rebholz und sein Weingut als das zweiterfolgreichste deutsche Weingut. Seine Großen Gewächse (GG) werden schon seit Jahren zu den Besten gezählt. Regelmäßig aus der Reihe fällt sein Großes Gewächs Riesling Birkweiler Kastanienbusch, sein Weißburgunder wurde zum zweiten Mal als Bester des Jahres prämiert und sein Chardonnay R verpflichtet zu Großem. Der Birkweiler Winzer Karlheinz Wehrheim zählt auch zu den Besten der Pfalz. Auch er steht für beste Weinerzeugnisse. Die wichtigsten Rebsorten sind Riesling, Weiß- und Spätburgunder (80 Prozent) aus den besten Lagen Kastanienbusch, Mandelberg und Rosenberg. Wehrheims biodynamisch erzeugte, klassisch trockene Weine werden regelmäßig zu den Besten erkoren. Natürlich werden auch die Weine von Thomas Siegrist aus Leinsweiler regelmäßig von den Weinführern Eichenmann, Gault-Millau und Fachzeitschriften wie Vinum et cetera zu den Preziosen der Pfalz gezählt. Siegrist ist einer der Barriquepioniere. In 225-Liter-Eichenfässern erzeugen er und sein Schwiegersohn Bruno Schimpf Riesling, Chardonnay, Weiß- und Spätburgunder. Einzigartige Weine moderner Prägung, filigran, frisch und spritzig.
Kinder führen die Tradition ihrer Väter und Großväter fort
Der fünfte Winzer im Bunde mit seiner Familie ist Rainer Keßler aus Landau-Godramstein. Familiensinn und der Ehrgeiz, besondere Weine zu vinifizieren, hält die Winzerfamilie seit Generationen aufrecht. Doch wären die Weine nicht machbar, gäbe es die Kalk-Lage Münzberg nicht, berichtet der Winzer. Dieser nach Süden ausgerichtete Hügel, dessen Terroir besondere Pflege der Winzerfamilie erfährt, ermöglicht die Herstellung hochwertiger weißer und roter Burgunderweine. Auch die Keßler-Weine gehören zu den Spitzengewächsen der Südpfalz und werden jedes Jahr mit Prädikaten ausgezeichnet. 2017 vergab die österreichische „wein.pur Trophy" dem GG (Großes Gewächs) 2015er Schlangenpfiff Weißburgunder 92 Punkte. Anspruchsvollen Fußballfreunden schenkt der DFB das GG bei Heimspielen unserer Nationalmannschaft im VIP-Bereich aus. „Mittlerweile können wir Fünf Freunde – Fünf Winzer auf ein Update 2.0 verweisen", sagt Hansjörg Rebholz, „denn unsere Kinder haben sich entschieden, die Tradition der Väter und Großväter fortzuführen." Für die kommenden Jungwinzer sind die Vorlagen ihrer Altvorderen die beste Basis, auch in Zukunft tolle Weine in der Pfalz zu produzieren. Ohne die fünf Freunde hätte es die Südpfalz kaum oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten über einen längeren Zeitraum geschafft, den Wiederaufstieg als Qualitätsweinbauregion zu erreichen. Wahrscheinlich hätte sich dies ohne die moderne Ausrichtung des Quintetts nicht ereignet.
Weitere Infos: www.fuenf-winzer.de