In Deutschland sind Strohballenhäuser noch wenig bekannt. Obwohl nicht nur die Ökobilanz für diesen natürlichen Baustoff spricht, sondern die Gebäude auch in Sachen Kostenaufwand, Langlebigkeit oder Wärmespeicherung keinen Vergleich mit Häusern konventioneller Bauweise zu scheuen brauchen.
Im US-Bundesstaat Nebraska wurden die ersten Strohballenhäuser um 1880 errichtet, nachdem um 1872 die erste einfache Strohballenpresse entwickelt worden war. Die Idee, aus dem Abfallprodukt der Landwirtschaft Häuser zu bauen, war damals dem Tatbestand des Holzmangels in dieser amerikanischen Region geschuldet. Die Ballen wurden wie Ziegelsteine übereinander geschichtet und waren für die gesamte Statik des Gebäudes verantwortlich. Diese sogenannte lastentragende Bauweise ohne jegliche unterstützende Holzstruktur wurde um das Jahr 1936, als man begann, zweigeschossige Strohballenhäuser zu errichten, größtenteils zugunsten der sogenannten Holzständerbauweise mit tragendem Holzgerüst aufgegeben. Das älteste noch erhaltene selbsttragende Strohhaus aus dem Jahr 1903 ist das „Burke Haus" in der Nähe des Nebraska-Städtchen Alliance, weitere vergleichbare Gebäude aus den 1920er-Jahren sind das „Martin Monhart Haus" oder die „Pilgrim Holiness Kirche" in der Nebraska-Gemeinde Arthur. Als erster Holzständerbau der Welt gilt die 1938 in Huntsville (Alabama) eingeweihte zweigeschossige „Burrit Mansion" mit seinen 2.200 Strohballen, die noch heute, ein Museum beherbergend, der Nachwelt erhalten ist.
In Deutschland gibt es etwa 500 Strohgebäude
In Europa tauchte im französischen Loire-Städtchen Montargis mit dem „Maison Feuillette" bereits 1920 eine Vorform des Holzständerhauses auf, bei dem der Ingenieur Emile Feuillette für sein zweigeschossiges Fachwerkgebäude eine Strohballenausfachung benutzte. Stichwort Frankreich: Hier haben Strohbauten eine wesentlich längere Tradition als in deutschen Landen, ihre Zahl wird heute auf 5.000 bis 6.000 taxiert. In den USA (und mit Abstrichen auch in Kanada) hatte ein im Dezember 1984 im Magazin „Fine Homebuilding"veröffentlichter Artikel des kalifornischen Architekten Jon Hammond über die Strohbauweise einen kleinen Boom vor allem in der US-Alternativszene ausgelöst, weshalb es in den USA heute bereits wieder 14.000 Strohballenhäuser gibt. Auch in der Schweiz, wo sogar die lasttragende Bauweise erlaubt ist, in Österreich oder in den Niederlanden ist der Strohballenbau verbreiteter als in der Bundesrepublik. In Deutschland sind es laut Schätzungen des dem Fachverband Strohhallenbau Deutschland e. V. (FASBA) vorstehenden Architekten Dennis Harms in der „Süddeutschen Zeitung" bislang erst rund 500 Strohgebäude – Ein- oder Zweifamilienhäuser. Im niedersächsischen Vreden wurde 2014 auch schon ein Bürogebäude errichtet, das mit 17 Metern bislang höchste Strohballenhaus Europas.
In Sachen Langlebigkeit stehen die Strohballenhäuser ihren aus den konventionellen Baustoffen Stahl und Beton erbauten Pendants in nichts nach, wie die bereits genannten denkmalgeschützten Beispiele hinreichend belegen können. Auch das Brandrisiko ist keineswegs höher, weil Strohballenhäuser mit einem hinreichend dicken Verputz von Lehm und Kalk (Auflage von fünf Zentimetern) die Vorgaben der Brandschutzklasse F90 erfüllen, sprich sie können mindestens einem 90 minütigen Feuer mit einer Hitze von 1.200 Grad standhalten, ohne zusammenzubrechen, womit sie genauso brandsicher sind wie klassische Betonbauten. Das größte Plus des natürlichen, regional und schnell nachwachsenden, CO2-neutralen Baustoffs Stroh ist seine Nachhaltigkeit und Energieeffizienz.
Als Abfallprodukt der Getreideernte ist Stroh in Überfluss vorhanden, ein Fünftel des Strohs, das bei einer durchschnittlichen Jahresernte in Deutschland übrigbleibt, würde laut Berechnungen des FASBA für die Errichtung von 350.000 Einfamilienhäusern ausreichen. Wobei vor allem Stroh von Weizen und Roggen als Baumaterial geeignet ist, Haferstroh hingegen weniger, weil es zu weich ist. Die Wärmedämmungseigenschaften (wie übrigens auch der Schallschutz) der Strohballen sind so gut, dass bei einer Wandstärke von 40 bis 50 Zentimetern der Passivhausstandard erreicht werden kann, sprich das im Gebäude höchstens 15 Kilowattstunden Heizwärme pro Quadratmeter und Jahr benötigt werden. Weshalb eine Notheizung, ein Kohle- oder Kachelofen völlig ausreichend sind.
Das größte Problem beim Strohballenbau ist ähnlich wie bei Holzhäusern die Feuchtigkeit, da Stroh dadurch schnell schimmeln kann. Daher ist es sinnvoll, das Haus auf einem Betonsockel oder einen gemauerten Kellergeschoss zu errichten. Zusätzlich sollte auf der Wetterseite ein ausreichend großer Dachüberstand gewährleistet sein und die Fassade in diesem Bereich mit einer Verschalung gegen Starkregen geschützt werden. Auch aus dem Innenbereich darf keine Feuchtigkeit in die Strohballen gelangen. Dafür sorgt ein entsprechender Verputz. Nachdem die Strohballen in den Holzständer-Rohbau eingepasst worden sind, werden drinnen die Wände mit drei Lagen Lehmputz (Lehmschlemme, Grobputz und Feinputz) überzogen, außen wird ein Kalkputz auf die Fassaden aufgetragen, weshalb sich ein Strohballenhaus von seinem Äußeren nicht von einem normalen Betonhaus unterscheiden lässt. Im Innenbereich sorgt der Lehm dafür, überschüssige Feuchtigkeit aufzunehmen und sie bei Bedarf wieder abzugeben. Was stets eine optimale Luftfeuchte und damit letztlich das bei Strohballenhäusern immer wieder besonders gelobte behagliche und gesunde Wohnklima zur Folge hat. Bis 2014 benötigte man in Deutschland zur Errichtung von Strohballenhäusern noch eine gesonderte Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde. Doch inzwischen genügt bei geplanten Ein- oder Zweifamilienhäusern das normale Baugenehmigungsverfahren.
Spezialisierten Architekten beauftragen
Was die Baukosten betrifft, so kann davon ausgegangen werden, dass sie in etwa gleich denen eines normalen Betongebäudes sind. Zwar ist der Baustoff Stroh vergleichsweise spottbillig zu haben, aber es ist mit einem deutlichen Mehraufwand an handwerklicher Arbeit zu rechnen. Wer Lust und etwas Geschick für Eigeninitiative mitbringt, kann allerdings die Baukosten drastisch minimieren, zumindest das Einpassen der Strohballen ins Holzgerüst soll angeblich leicht zu erlernen sein. Die nur mit Schnüren zusammengehaltenen, möglichst dicht gepressten Strohballen (die Rohdichte sollte bei 100 Kilogramm pro Kubikmeter liegen) können für kleines Geld (etwa einen Euro für einen Ballen, was selbst bei repräsentativen Gebäuden die Kosten für die gesamten Wände auf weit unter 1.000 Euro beschränkt) von vielen Bauern auf Vorbestellung bezogen werden, wobei die Strohhalme möglichst lang und unbeschädigt sein sollten.
Die amtlich zuvor noch geprüften und zertifizierten Ballen müssen in geeigneten Räumlichkeiten, am besten unter schützenden Planen, bis zum Gebrauch ganz trocken gelagert werden. Wer also nicht gerade eine Lagerhalle, einen großen Schuppen oder eine Scheune zur Hand hat, kann damit schon ein Problem bekommen. Bei der Hausplanung sollte auf die Mitarbeit eines spezialisierten Architekten zurückgegriffen werden. Auch für Putz und elektrische Arbeiten sollten mit dem Metier vertraute Handwerkerfirmen engagiert werden. Eine Reihe von Zimmerei-Betrieben haben die Marktlücke inzwischen erkannt. Wenn alles rund läuft, kann davon ausgegangen werden, dass ein Haus mit 150 Quadratmetern komplett in sechs Monaten bezugsfertig ist.