Angesichts der CO2-Preis-Debatte nimmt die öffentliche Auseinandersetzung über den richtigen Weg in der Energiepolitik wieder zu. Fünf Argumente gegen die Energiewende – und was von ihnen zu halten ist.
Klimasteuer, höherer Benzinpreis, teureres Heizöl: In weniger als zwei Monaten will die Bundesregierung entscheiden, wie der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase beim Heizen von Häusern und beim Verkehr verringert werden kann. Nicht nur dadurch, auch wegen der Greta-Thunberg-Demonstrationen, nimmt die Debatte über die Energiewende an Schärfe zu. Einige Argumente hört man von Gegnern der Energiewende besonders oft. Sie sind nicht völlig falsch. Aber man kann sie entkräften.
Weil andere Länder einfach weiterheizen, nützt die Energiewende in Deutschland nichts gegen den globalen Klimawandel.
Tatsächlich verursachen die hiesigen Privathaushalte und Firmen nur einen Bruchteil der globalen Treibhausgase: rund 900 Millionen Tonnen im Vergleich zu 40 bis 50 Milliarden Tonnen weltweit. Selbst die Halbierung der bundesdeutschen Abgase würde den globalen Ausstoß nur in der Größenordnung von einem Prozent verringern.
Hinzu kommt: Während wir uns anstrengen, qualmen die Schlote in anderen Weltgegenden weiter. Indien beispielsweise hat sich noch gar kein genaues Reduktionsziel gesetzt. Die chinesische Regierung verspricht, den Höhepunkt des Ausstoßes erst bis 2030 zu erreichen. Und die US-Regierung ist schon wieder aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen ausgestiegen. Warum sollen wir uns also anstrengen?
Weil sich quasi alle Staaten der Erde im Klimaschutzabkommen von Paris 2015 verpflichtet haben, die Erwärmung der Erdatmosphäre auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Dafür müssen sie nationale Klimaschutzpläne aufstellen und zeigen, wie sie die Ziele erreichen werden. Mit den Jahren steigt der Druck auf alle, das auch zu tun. Kein Land wird sich diesem Druck entziehen können. Die Bundesrepublik hat dann schon einen guten Teil des Weges hinter sich und wird die Energiewende als Modell in andere Staaten verkaufen können.
Die Energiewende ist unökologisch.
Oft ist zu hören, dass der europäische Emissionshandel die Abgase nicht vermindert, sondern nur in andere Länder der EU verlagert. Was stimmt: Sparen hiesige Industriefirmen Kohlendioxid-ausstoß ein, können sie Verschmutzungszertifikate aus dem EU-Emissionshandelssystem etwa an polnische Unternehmen verkaufen, die dann entsprechend mehr emittieren können. Allerdings hat dieser Emissionshandel einen Deckel, der Jahr für Jahr sinkt. Die Gesamtverschmutzung in der EU geht insgesamt permanent zurück.
Gegen Windräder führen die Kritiker unter anderem ins Feld, dass ihr Bau natürlichen Boden versiegelt, die Rotoren Vögel schreddern und der Luftdruck die Lungen von Fledermäusen platzen lässt. Gegenargument: Diese ökologischen Schäden sind vermutlich geringer als das weltweite Aussterben vieler Pflanzen- und Tierarten infolge des Klimawandels und die drohende Überflutung ganzer Küstenregionen.
Eine Hochleistungs- und Wohlstandsgesellschaft wie die deutsche funktioniert wohl nicht ohne Umweltschäden. Es kann nur darum gehen, eine etwas weniger zerstörerische Variante zu entwickeln. Wer anderes will, muss die Bürgerinnen und Bürger überzeugen, auf Bequemlichkeit und materielle Lebensqualität zu verzichten.
Regenerative Energien kosten Arbeitsplätze.
Etwa 80.000 Arbeitsplätze bietet die hiesige Kohleindustrie noch – in Bergwerken, Kraftwerken, bei Zulieferern. Diese verschwinden mit dem nun vereinbarten Kohleausstieg. Auch wenn die deutsche Autoindustrie überlebt, wird sie in 20 bis 30 Jahren vielleicht nur noch 500.000 Stellen aufweisen statt wie heute rund eine Million – die Fertigung von E-Autos macht weniger Arbeit als die von Verbrennern.
Solche Zahlen relativieren sich aber im Vergleich zu bundesweit insgesamt rund 43 Millionen Arbeitsplätzen. Außerdem entstehen auch neue Stellen. Laut Bundeswirtschaftsministerium stellte die Branche der erneuerbaren Energien 2016 rund 340.000 Jobs zur Verfügung, Tendenz steigend. Die Energiewende verursacht also nicht, wie manchmal zu hören ist, eine De-Industrialisierung, sondern ist Teil eines Strukturwandels, wie es ihn immer wieder gibt.
Die hohen Kosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handel, beispielsweise gegenüber China.
Der Ökonom Justus Haucap schätzt die Kosten der Energiewende zulasten der Bürger, der Firmen und des Staates auf etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr im Zeitraum 2000 bis 2025. Diese fließen beispielsweise als Förderung an die Produzenten von Ökostrom, in Forschungsprojekte und den Netzausbau. Kritiker halten das für rausgeworfenes Geld, das man sparen könne, wenn Kohle, Öl und Atomkraft weiter genutzt würden.
Allerdings dienen die Mittel dem Aufbau einer neuen Infrastruktur, die auf den teuren Produktionsschritt des Bergbaus weitgehend verzichtet. Deutschland wird künftig kaum noch Geld für Kohle, Uran und vielleicht auch Öl ausgeben. Die Infrastruktur, die für die Energiewende nötig ist, wie Kraftwerke, digitale Steuerung oder Speicher, bedeuten neue Einnahmen für hiesige Unternehmen. In manchen Bereichen muss Deutschland technologisch global ganz vorne sein – sonst ist der Wohlstand nicht zu halten. Und offenbar schadet die Energiewende der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt nicht: Der bundesdeutsche Leistungsbilanzüberschuss (mehr Exporte als Importe) betrug 2018 rund 260 Milliarden Euro. In den Jahren zuvor war es ähnlich.
Regenerative Energien liefern nur schwankend Strom, aber keine Grundlast.
Rotoren produzieren nur Strom, wenn der Wind weht, Fotovoltaikzellen nur, wenn die Sonne scheint. Damit bei Windstille, bedecktem Himmel und nachts trotzdem genug Elektrizität vorhanden ist, brauchen wir die fossilen Grundlast-Kraftwerke weiterhin – ein unsinniges und teures Doppelsystem.
Allerdings kann künftig Ökostrom wohl gespeichert werden. Daran wird derzeit in großem Stil geforscht. Intelligente Steuerung regelt die Nachfrage – nicht jede Fabrik muss immer durcharbeiten. Aus nötiger Grundlast wird in den kommenden Jahrzehnten „Residuallast" – die Leistung, die nur im Notfall zur Verfügung stehen muss. Diese können auch umweltfreundlichere, regelbare Gaskraftwerke liefern – ohne Kohle, Öl und Uran. •