Wenn Jochen Weigel abhebt, erntet er nicht selten erstaunte Blicke. Der Saarländer ist Gyrokopter-Pilot. Auf Rundflügen über die Saar stellt er den Tragschrauber vor und lehrt in Wallerfangen-Düren andere, die ungewöhnliche Maschine zu fliegen.
Ein bisschen sieht es aus wie eine Mischung aus Auto und Motorrad. Doch der Rotor über den Köpfen der Insassen macht auf den ersten Blick klar: Dieses ungewöhnliche Gefährt kann fliegen. Zumindest das Gefühl, wenn man mit dem Gyrokopter startet, ähnelt aber dem, auf einem Motorrad zu sitzen. Denn ein Dach über dem Kopf haben Pilot und Passagier nicht. Alle Vorbereitungen sind getroffen auf dem Flugplatz in Wallerfangen-Düren, die Technik ist in Ordnung, alles ist sicher. Dann geht es los. 30 Meter braucht der sogenannte Tragschrauber nur auf der Startbahn, ehe es in luftige Höhen über die Felder rund um Saarlouis geht. Bei strahlendem Sonnenschein und 28 Grad hat man einen hervorragenden Blick über das Saarland. „Unsere Heimat hat schon wirklich viel zu bieten", sagt Jochen Weigel und strahlt hinter seiner Sonnenbrille bis über beide Ohren. Man merkt dem 39-jährigen St. Ingberter, der seit 15 Jahren in Saarbrücken wohnt, an, dass das Fliegen seine Leidenschaft ist. Und genau deshalb hat er sie zu seinem Beruf gemacht.
Der Gyrokopter-Pilot gibt als Fluglehrer sein Können an alle weiter, die es lernen wollen. Nebenbei lädt er zu Rundflügen über die Saar ein, von der Saarschleife bis zur Landeshauptstadt oder auch über Pirmasens und Trier. Der Fantasie eines Piloten des Fluggeräts in der Größe zwischen Kleinwagen und Motorrad sind keine Grenzen gesetzt. Meist ist er im Sommer auf dem Flugplatz anzutreffen, in diesem Jahr hat er die warmen Tage aber auch schon für eine Deutschlandtournee mit seiner Freundin Laura Ring genutzt. Vom Flugplatz in Wallerfangen-Düren ging es an die Nordseeküste und bis nach Helgoland. Die 40 Kilometer vor der Küste liegende Hochseeinsel mit einem Tragschrauber zu erkunden, „hat schon etwas expeditionshaftes", sagt Weigel und grinst schelmisch. Das Abenteuer ist einer der Gründe, die ihn immer wieder an die unterschiedlichsten Orte führen.
Begonnen hat diese Leidenschaft im Jahr 2010. „Ich habe damals einen Rundflug mit dem Gyrokopter gemacht und war von der Materie so begeistert, dass ich immer mehr wollte", erzählt er. „So nahm das Ganze dann seinen Lauf." Im badischen Mosbach begann die Liebe zu dem helikopterähnlichen Flieger, den Weigel dann ins Saarland brachte, wo es noch keine Flugschule für Gyrokopter gab. Dass es gerade das oben offene Fluggerät ist, das ihn so fasziniert, hat mehrere Gründe: „Das ist einfach ein besonderes Erlebnis", sagt er. „Das ist einfach etwas Ursprüngliches, du bist nah dran, spürst den Wind, und auch die Technik ist faszinierend" – und sie sorgt dafür, dass der Gyrokopter, auch, wenn er gar nicht danach aussieht, das sicherste Fluggerät der Welt ist. Das liegt an dem Hauptrotor über den Köpfen, der im Flug nicht angetrieben wird. „Nur beim Start am Boden bekommt er für ein paar Sekunden Schub, und in der Luft wird er nur vom Fahrtwind angetrieben." Für den Antrieb sorgt stattdessen ein Schubpropeller, der hinten sitzt.
An die Nordseeküste und nach Helgoland
Der Vorteil dieses Systems: Wenn der Motor ausfällt oder man ihn ausschaltet, stürzt der Gyrokopter nicht ab, sondern fliegt langsam sinkend weiter. Im Normalfall lässt sich dann ein sicherer Landeplatz finden – außer, man befindet sich gerade zwischen Helgoland und dem Festland. „Deshalb müssen wir für solche Touren Sondergepäck dabei haben, wie Automatikschwimmwesten", sagt Jochen Weigel. Außerdem ist für solche Touren ein Notwasserungstraining unabdingbar.
Das technische Wissen über Gyrokopter (Gyro kommt vom griechischen gyros, zu deutsch Drehung) hat der heutige Fluglehrer im Rahmen der Pilotenausbildung und Fluglehrerausbildung gelernt. Dazu absolvierte er einen Wartungskurs beim Hersteller, der ihn zum „certified professional mechanic" für Tragschrauber machte. Sechs bis 18 Monate dauert die Ausbildung, je nach Intensität, und kostet zwischen 10.000 und 12.000 Euro. 50 Flugstunden sind die Regel, gesetzlich vorgeschrieben sind 30. Dazu kommt ein Theoriekurs, der sich aber auf zwei aufeinanderfolgende Wochenenden, jeweils von Freitag bis Sonntag, beschränkt. 2012 hatte Jochen Weigel seinen Flugschein schließlich und begann damit, Rundflüge anzubieten, wie er es noch heute mit seinem Unternehmen tut. Nach seiner eigenen Fluglehrerausbildung machte er sich endgültig als Gyrokopterlehrer selbstständig.
An vier bis fünf Tagen pro Woche unterrichtet er in der Hochphase im Sommer Flugschüler. Das Geschäft floriert vor allem in der warmen Jahreszeit, in der es aber nicht von Bedeutung ist, ob die Sonne scheint oder ob es regnet. „Wir bekommen durch den Rotor wenig vom Regen ab", erklärt Weigel. „Aber natürlich ist es schöner, wenn so ein Wetter ist wie im Moment." An diesem schönen Tag hat er einen der drei Gyrokopter aus dem Hangar gezogen, die seine Flugschule nutzt – per Hand, denn leer wiegt ein solches Fluggerät nur 250 Kilo. Ein Pilot kann es deshalb am Boden problemlos mit den Armen manövrieren und startbereit machen. Zwischen 50.000 und 100.000 Euro kostet einer der schicken, ferrariroten Flitzer, der 180 Kilometer pro Stunde zurücklegen kann und dabei Super-Kraftstoff verbraucht. Die Tanks befinden sich unter dem Passagiersitz, stören dort aber nicht. Ohnehin sitzt es sich bequem im Gyrokopter. Ein wenig wie in einem bequemen Autositz, weich und komfortabel.
Eine punktgenaue Landung ist möglich
Die Gefahr, bei einem Flug in bis zu 1.000 Metern Höhe herauszufallen, besteht aber nicht. „Wir können physikalisch gar nicht mit negativ-G-Kräften fliegen", sagt Weigel, also mit solchen Kräften, die einen aus dem Sitz schleudern würden. Stattdessen fühlt sich ein Flug im Gyrokopter eher an wie eine gemütliche Autobahnfahrt oder im rasantesten Fall, wenn es der erfahrene Pilot will, ein wenig nach Achterbahnfahrt. Dafür sorgt die Rotorneigung, die er mit dem Steuerknüppel einstellen kann und die ihn in der Luft sogar anhalten lässt. Punktgenaue Landungen sind dabei möglich und eigentlich nur dafür benötigen die Passagiere den Gurt. Denn auch der Wind kann dem Tragschrauber nichts anhaben. „Er gleicht das durch seine Bauart seht gut aus", erklärt Weigel, der neben der eineinhalb bis zweistündigen Flüge mit seinen Schülern und den großen Ausflügen wie jetzt nach Helgoland vor allem gern in Portugal fliegt. Dort hat seine Flugschule kürzlich mit einem Kooperationspartner einen zweiten Standort eröffnet, um auch im Winter Flugstunden anbieten zu können. „Dort über die Atlantikküste zu fliegen ist malerisch, es gibt kaum etwas schöneres", schwärmt er.
Im kommenden Jahr wollen seine Freundin Laura und er sogar noch mehr. Dann wollen sie von Portugal aus über die Straße von Gibraltar nach Marokko fliegen. Auf die Aussicht freuen sich die beiden schon jetzt.