Der deutsche Basketball träumt bei der Heim-EM in zwei Jahren von einer Wiederholung des Goldcoups von 1993. Alba hofft vor allem auf einen Boom der Sportart in Berlin.
Bei seinem letzten Spiel im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bekam Dirk Nowitzki einen Abschied, wie ihn nur die ganz Großen erhalten. Ganz allein stand der Würzburger in der Hallenmitte, das Publikum erhob sich von den Sitzen und hörte mit dem Applaus gar nicht mehr auf. Nowitzki verneigte sich mit Tränen in den Augen. Diese Szenen spielten sich am 10. September 2015 in der Berliner Arena am Ostbahnhof ab, nachdem die DBB-Auswahl in Nowitzkis 153. und letztem Länderspiel bei der Europameisterschaft in Deutschland, Frankreich, Kroatien und Lettland ausgeschieden war. Sicher hat sich der Wahl-Amerikaner daran zurückerinnert, als der Deutsche Basketballbund (DBB) Mitte Juli den Zuschlag für die Austragung der EM 2021 bekam. „Ich habe mich sehr gefreut, dass wir diesmal die ganze EM bekommen haben", sagte der 41-Jährige. Vielleicht kommt Nowitzki ja auch als Ehrengast oder Repräsentant nach Deutschland eingeflogen, wenn vom 2. bis 19. September 2021 die 24 besten Basketball-Nationen Europas um den Titel spielen. Von den vier Vorrundengruppen wird eine in Köln und die anderen drei in Tschechien, Georgien und Italien ausgetragen. Die Finalrunde ab dem Achtelfinale findet dann in der Berliner Arena am Ostbahnhof statt. Deutschland ist als Gastgeber für die Vorrunde gesetzt und muss keine Qualifikationsspiele bestreiten.
Gejubelt wurde über diese Entscheidung des Kontinentalverbandes Fiba Europe auch bei Alba Berlin. Der Berliner Bundesligist erhofft sich durch die EM einen Boom der Sportart in Deutschland insgesamt, vor allem aber in der Hauptstadt selbst. „Die Europameisterschaft hilft uns bei all dem, was wir mit unserem Club national und in Europa versuchen", sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi. „Es gibt eine große Fanbase und sehr viele Basketballinteressierte in Berlin." Und die gilt es, trotz der großen Sportkonkurrenz für das Heimturnier zu begeistern. Helfen soll dabei vor allem Dennis Schröder. Der NBA-Profi ist sportlich und von seiner glamourösen Ausstrahlung einer, der die Massen anzieht. „Wir werden alles geben, um Basketball-Deutschland zu rocken und vor den eigenen Fans um eine Medaille zu kämpfen", sagte Schröder nach der EM-Vergabe. „Ich freue mich jetzt schon sehr darauf." Baldi sieht in der aktuellen Nationalmannschaft aber nicht nur Schröder als einen Profi mit viel Qualität, „wir haben viele starke aufstrebende Spieler". Und für die sei es „wahnsinnig wichtig, dass die im eigenen Land die Chance haben, etwas zu gewinnen und sich an großen Turnieren zu beteiligen", betonte Albas Geschäftsführer.
„Vielversprechende Generation"
Das letzte Mal, dass eine deutsche Basketball-Nationalmannschaft die entscheidenden EM-Spiele vor heimischen Fans austragen durfte, endete 1993 in München mit einem Goldcoup. Als Spieler mit dabei war damals Henrik Rödl, der heute als Bundestrainer die DBB-Auswahl betreut. Der 50-Jährige blickt dem Heim-Turnier optimistisch entgegen: „Ich denke, dass wir eine sehr vielversprechende Generation haben, die dann in zwei Jahren zu Hause die Chance hat, etwas zu reißen. Es gibt nichts Größeres als mit der Nationalmannschaft vor den eigenen Fans um den Titel zu kämpfen." Auch Nowitzki traut seinen Nachfolgern deutlich mehr zu als das bittere Vorrunden-Aus vor vier Jahren: „Ich glaube: Da kann viel gehen."
Dass der internationale Verband die Finalrunde nach Berlin vergeben hat, ist ein deutliches Signal, dass man der neuformierten und hochtalentierten Mannschaft um Schröder in zwei Jahren den Einzug in die K.o.-Runde zutraut. Es ist aber auch ein Zeichen dafür, dass man mit der Ausrichtung der EM-Vorrunde 2015 höchst zufrieden war. „Da haben die Funktionäre gesehen, was hier im Basketball-Sport geht", sagte Nowitzki. Die Halle am Ostbahnhof sei bei deutschen Spielen immer „voll" gewesen, und auch bei anderen Partien „war die Hölle los". Baldi verspricht, dass es auch in zwei Jahren wieder Basketball-Feste geben werde. „Da wird sicherlich viel Leidenschaft zu sehen sein: Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch von den Rängen", sagte der 57-Jährige. Der Verein arbeitet mit 150 Schulen zusammen, „und für alle diese Kinder wird es eine tolle Gelegenheit sein, sich ein großes Turnier anzuschauen und vielleicht auch ein paar Superstars mal zu sehen." Und ganz nebenbei „befördert das dann unsere Arbeit", freute sich Baldi, „und das ist sehr positiv".
Mehr Einsatzzeiten und Verantwortung
Am Ende sind aber die Leistungen auf dem Parkett entscheidend, ob eine Euphoriewelle durchs Land schwappt. Doch diesbezüglich stehen die Chancen gut. Der deutsche Basketball hat kein Talente-Problem mehr – ganz im Gegenteil. „Viele Jungs spielen auf höchstem Niveau, nicht nur in der NBA, sondern auch in den europäischen Top-Ligen", sagt Bundestrainer Rödl. Im deutschen Basketball habe sich schon vor dem Nowitzki-Rücktritt „unfassbar viel getan". Rödl lobt, dass der deutsche Nachwuchs in der Basketball-Bundesliga (BBL) deutlich mehr Einsatzzeiten und auch Verantwortung erhält: „Das macht sehr viel Spaß und gibt Hoffnung." Dadurch stehe ihm als Bundestrainer qualitativ und quantitativ eine viel bessere Auswahl zur Verfügung. „1993 – da waren wir mit zwölf Spielern am Start, und danach war dann nicht mehr viel", erinnert sich Rödl.
Nun ist die Leistungsdichte dank NBA-erfahrener Spieler wie Schröder, Maximilian Kleber, Daniel Theis, Paul Zipser und Christian Welp, aber auch dank herausragender Talente wie dem erst 17-jährigen Franz Wagner, der Alba Berlin nach der Saison verlassen hat und wie sein Bruder Moritz ans US-College nach Michigan gewechselt ist, sehr groß. „Aus meiner Sicht haben wir eine tolle Basketballgeneration, die Medaillen gewinnen kann", schwärmte Verbandschef Ingo Weiss. Der DBB will deswegen zusammen mit den Austragungsstädten Köln und Berlin ein EM-Turnier auf die Beine stellen, das Spielern, Fans und Medien keine Wünsche offenlässt. Etwa 15 Millionen Euro soll das Turnier kosten – gut angelegtes Geld für Weiss: „Jetzt brauchen wir auch die Nationalmannschaft im eigenen Land, um den Kids ihre Idole präsentieren zu können." Damit die nächste Basketball-Generation nachwächst.