Die NBA, die beste Basketball-Liga der Welt, stand diesen Sommer kopf. Eine der verrücktesten Wechselperioden der vergangenen Jahrzehnte nahm ihren Lauf und bringt nun eine Menge Spannung in die durchgewürfelte Liga.
Die Liste ist lang. Anthony Davis zu LeBron James und den Los Angeles Lakers. Mike Conley zu den Utah Jazz. Kyrie Irving und Kevin Durant zu den Brooklyn Nets. D‘Angelo Russell zu den Golden State Warriors. Kemba Walker zu den Boston Celtics. Al Horford zu den Philadelphia 76ers. Kawhi Leonard und Paul George zu den Los Angeles Clippers. Und zu guter Letzt der Mega-Trade, der Russell Westbrook bei den Houston Rockets wieder mit James Harden vereint.
Als NBA-Fan verging in dieser Transferperiode kaum ein Tag, an dem man nicht überrascht, schockiert oder erfreut über den Wechsel-Wahnsinn war. Der Free Agency, in der sich Spieler nach Vertragsende einem neuen Team anschließen können, sowie dem Trade-System, das Tauschgeschäfte zwischen den Teams ermöglicht, sei Dank. Für viele war dies der verrückteste Sommer aller Zeiten, auch gerade deshalb, weil die Machtverhältnisse innerhalb der Liga komplett durcheinander geraten sind.
Die Golden State Warriors gingen in den vergangenen fünf Jahren immer als Topfavorit in die neue Saison – und erreichte auch fünfmal die Finals. „Schon wieder die Warriors", war der allgemeine NBA-Fan geneigt zu sagen. In den letzten Finals, die die Toronto Raptors für sich entscheiden konnten, hatten vor allem die Verletzungen von Kevin Durant und Klay Thompson großen Einfluss darauf, dass der Champion in diesem Jahr nicht zum vierten Mal aus Oakland kam. In der neuen Saison hat sich dieses Bild komplett verschoben. Mit den Lakers, Clippers, Jazz, Rockets, Denver Nuggets, Portland Trail Blazers, Milwaukee Bucks, Boston Celtics und Philadelphia 76ers gibt es neun Teams, die sich durchaus realistische Titelchancen ausrechnen dürfen oder zumindest diese Ambitionen haben. Auch Golden State ist mit Stephen Curry, Draymond Green und dem im Frühjahr zurückkehrenden Klay Thompson nicht abzuschreiben, während Titelverteidiger Toronto ohne Leonard wohl keine Chance hat. Bei Brooklyn ist abzuwarten, wann Durant nach seinem Achillessehnenriss zurückkehrt. Zu der neu entfachten Spannung gesellt sich zudem das Spektakel hinzu. Lebron James steht nach seinem enttäuschenden Vorjahr ohnehin im Fokus, der neue starke Gegner in der eigenen Stadt elektrisiert ganz Los Angeles.
Insgesamt neun Teams mit Titel-Ambitionen
Zudem ist auffällig, dass es nicht mehr zwingend ein klassisches Super-Team gibt, wie beispielsweise die Golden State Warriors der vergangenen Jahre oder die Miami Heat zu Zeiten von Lebron James, Dwayne Wade und Chris Bosh. Viel mehr gibt es nun Superstar-Duos, keine kompletten Übermannschaften mehr. So haben auch die Dallas Mavericks mit Luka Doncic und Kristaps Porzingis ein formidables Duo in ihren Reihen – die Playoffs sind nach derzeitigem Stand im Westen dennoch eine Herkulesaufgabe.
Natürlich lässt sich die Frage aufwerfen, was Bekenntnisse und Verträge noch wert sind – Irving hatte Boston zu Saisonbeginn eine mündliche Zusage gegeben, in Oklahoma City wird der „Paul George Day" wohl abgeschafft. Doch für Liga und ihre Fans ist der Sommer-Wahnsinn ein Segen. Und wer weiß, was bis Oktober noch alles passiert. Dennoch zieht FORUM eine Zwischenbilanz über den verrücktesten Sommer aller Zeiten in der NBA.
Gewinner
Los Angeles Clippers:
Die Clippers landeten den Deal der Free Agency in diesem Sommer. Lange Zeit hielten sich die Los Angeles Clippers bedeckt und verlängerten nur den Vertrag von ihrem Point Guard Patrick Beverly. Nachdem es während der Saison Gerüchte gab, dass die Clippers der Favorit beim Wettbieten um Kawhi Leonard seien, wurde es während der Free Agency sehr ruhig um das Team. Doch innerhalb von wenigen Minuten ließ der Club gleich zwei Bomben platzen und krönte sich damit zum absoluten Gewinner der Free Agency. Neben der Verpflichtung von Leonard sicherten sie sich per Trade außerdem die Dienste von Paul George. Auch wenn die Clippers das teuer bezahlen mussten –
fünf Erstrundenpicks, zwei Tauschgeschäfte von Picks, Danilo Gallinari und Shai-Gilgeous Alexander, katapultierten sich die Clippers mit einem Schlag an die Spitze der NBA.
Brooklyn Nets:
Neue Machtverhältnisse herrschen seit diesem Sommer in New York City. Die Brooklyn Nets haben sich bereits am ersten Tag der Free Agency namhaft verstärkt. Kyrie Irving und Kevin Durant schlossen sich jeweils für vier Jahre den Nets an. Bereits im nächsten Jahr sollte Brooklyn um den Heimvorteil in den Playoffs im Osten spielen können. Sobald Durant von seiner Verletzung zurück ist, gelten die Nets direkt als Mitfavorit um den Titel. Dies wird voraussichtlich aber erst 2020 der Fall sein, da Durant wohl die gesamte kommende Saison mit einem Achillessehnenriss aussetzen wird.
Philadelphia 76ers:
Die Philadelphia 76ers hatten gleich mehrere eigene Free Agents, von denen sie realistisch gesehen nicht jeden halten konnten. J.J. Redick und Jimmy Butler verließen zwar die Sixers, allerdings konnte sich Philly mit Al Horford adäquat verstärken. Außerdem überzeugten sie ihren dritten Free Agent Tobias Harris von einem Verbleib. Für Butler gab es sogar noch einen kleinen Gegenwert. Da Butler per Sign and Trade nach Miami ging, schickten die Heat mit Josh Richardson einen talentierten Guard nach Philadelphia.
Oklahoma City Thunder:
Die Oklahoma City Thunder waren das leidtragenden Team beim Deal um Paul George. Trotzdem sind sie ein Gewinner. Nach dem Verlust von George hat General Manager Sam Presti konsequent die Reißleine gezogen und alles auf Neuaufbau ausgerichtet. Dementsprechend wurde nicht nur Jeremi Grant nach Denver verschifft, auch das Gesicht der Franchise, Russell Westbrook, in einem Blockbuster-Deal nach Houston getradet. Im Gegenzug haben sich die Thunder eine rekordverdächtige Zahl an Erstrundenpicks für die Zukunft gesichert. OKC stehen in den kommenden sechs Jahren sage und schreibe 15 Zugriffe zu! Außerdem bekamen sie bei den drei Deals Chris Paul, Shai-Gilgeous Alexander und Danilo Gallinari.
Verlierer
New York Knicks:
Der Traditionsklub aus dem Big Apple bekommt die großen Namen einfach nicht an die Angel. Nachdem die Knicks im Frühjahr einen Platz unter dem Salary Cap schafften, indem sie Kristaps Porzingis zu den Dallas Mavericks tradeten, konnten sie nun keine Stars von sich überzeugen. Daher mussten die New Yorker sich unter anderen mit Julius Randle – drei Jahre, 63 Millionen Dollar –, Marcus Morris – ein Jahr/15 Mio. – und Taj Gibson – zwei Jahre/20 Mio. – zufriedengeben.
Toronto Raptors:
Mit dem Titel haben die Toronto Raptors Historisches geleistet. Der gewagte Trade für Kawhi Leonard aus dem Vorjahr zahlte sich aus. Aber mehr als der eine Titel wird in Zukunft wohl nicht rausspringen. Mit Leonard verloren die Raptors ihren Superstar und konnten diesen – zumindest bisher – nicht ersetzen. Die Playoffs sollte Toronto zwar schaffen, aber dort könnte in den nächsten Jahren schnell Schluss sein. Für den Meister wird es immer schwierig bleiben, namhafte Free Agents nach Kanada zu locken. Ihre historische Saison wird den Raptors dennoch keiner nehmen können.
Dallas Mavericks:
Die Mavericks konnten den von den Knicks verstoßenen Kristaps Porzingis zwar langfristig – fünf Jahre für 158 Millionen Dollar – binden. Dennoch gelten sie als einer der Verlierer, da sie keine weiteren Spieler nach Big D locken konnten. Kemba Walker, Tobias Harris, Patrick Beverly oder Malcolm Brogdon galten alle als mögliche Verstärkung für die Mavs. Allerdings kam davon niemand.
Charlotte Hornets:
Die Hornets gaben Kemba Walker ohne Gegenwert ab und verloren dadurch ihr komplettes Gesicht. Wenn ihnen ein „Super-Max" mit 220 Millionen Dollar über fünf Jahre zu teuer war, hätten sie ihn im Februar traden müssen. So finden sich die Hornets im Niemandsland der Liga wieder und müssen den Neuaufbau angehen. Mal wieder.