Facebook ist dabei, mit dem Libra eine Kryptowährung mit beträchtlicher Marktmacht zu schaffen. Eine Reihe von Bundestagsabgeordneten will einen eigenen staatlichen Digital-Euro initiieren, darunter auch Unions-Fraktionsvize Nadine Schön, zuständig für die Digitalagenda der CDU.
Frau Schön, Facebook hat angekündigt, im kommenden Jahr eine eigene Kryptowährung, den Libra, einzuführen. Wie überraschend kam die Ankündigung?
Die dezentral organisierte Kryptowährung Bitcoin gibt es seit gut zehn Jahren und hat sich in dieser Zeit als digitales Zahlungsmittel etabliert. Es kommt also nicht komplett überraschend, dass nun auch große Player im Internetmarkt das Potenzial von Kryptowährungen nutzen wollen.
Beeindruckend sind aber die Schnelligkeit und die Dimension. Immerhin will Facebook schon im kommenden Jahr gleich mit einem ganzen Konsortium von Partnerunternehmen auf den Markt. Dieses Konsortium soll am Ende 100 Unternehmen umfassen. Dazu gehören alleine aus dem Finanzbereich zum Beispiel Visa, Paypal oder Mastercard. Libra wird damit nicht dezentral organisiert sein wie der Bitcoin. Facebook und das oben genannte Konsortium können das Vermögen und dessen Nutzung kontrollieren. Das ist schon eine ziemliche Marktkonzentration, die sich da zusammenballt.
Was haben Sie denn gegen den Libra?
Es steht völlig außer Frage, dass ein solcher Service für die Kunden ein bequemes und sicheres Zahlungsmittel wäre. Gerade für die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern mit sehr schwachen Währungen und keinem oder einem schlechtem Bankensystem wäre eine Kryptowährung sicherlich wünschenswert. Aber für mich stellen sich an diesem Punkt einige Fragen: Muss die Digitalwährung von der Privatwirtschaft kommen? Wollen wir unser internationales Finanzsystem auf diese Art und Weise privatisieren? Daraus resultiert dann natürlich sofort die nächste Frage: Wie sollen Staaten auf diesen Schritt von Facebook reagieren? Es geht hier um ein Kernelement staatlicher Souveränität. Darüber haben in der letzten Woche auch die G7-Finanzminister und die Notenbankchefs der Länder gesprochen. Fazit: Man wolle sehr sorgfältig kontrollieren, ob alle heutigen Vorschriften eingehalten werden und womöglich zusätzliche Regeln nötig seien. Große Skepsis habe es vor allem in den Bereichen Datensicherheit und demokratische Kontrolle gegeben.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Wir müssen darüber nachdenken, ob es nicht besser ist, eine eigene staatliche Kryptowährung auf den Markt zu bringen. Das ist Sache der Zentralbanken. Dennoch sollten wir uns für einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen in der EU einsetzen. Ich persönlich finde, dass man jetzt schnell reagieren muss, sonst verlieren wir den Anschluss. Wir werden sicher nicht die einzigen sein, die darüber nachdenken. Eine stabile digitale Währung hat das Potenzial zur neuen Weltwährung zu werden. Ich will nicht, dass deutsche Unternehmen dabei beispielsweise auf ein chinesisches Angebot zurückgreifen müssen.
Also die Einführung eines Digital-Euro?
Ja, genau. Eine europäische Kryptowährung, die ebenso wie der Bitcoin auf der Blockchain-Technologie basiert und damit hohe Sicherheitsstandards bietet. Dazu kommt der einfache Transfer der Währung ohne hohe Transaktionskosten über Banken. Der Digital-Euro wäre entgegen dem Bitcoin natürlich nicht solchen Kursschwankungen unterworfen, denn er wäre an den Euro gekoppelt. Das wäre für die Verbraucher eine zusätzliche Sicherheit.
Wann könnte der Digital-Euro kommen?
Die Einführung einer europäischen Kryptowährung ist Sache der Zentralbanken – sicherlich in Abstimmung mit der Europäischen Zentralbank (EZB). Als Unionsfraktion haben wir ein Papier geschrieben, in dem wir anregen, hier tätig zu werden. Diese Entwicklung darf man nicht verschlafen.
Der Bitcoin wird dieses Jahr zehn Jahre alt, aber erst die Privatwirtschaft zwingt die Politik zum Handeln. Ist es so dramatisch?
Was heißt dramatisch? Der Plan von Facebook, mit Libra bereits im kommenden Jahr an den Markt zu gehen, hat sich herumgesprochen – auch in China und den USA. Ich gehe nicht davon aus, dass die chinesische Staatsführung da tatenlos zusieht. Der US-Kongress hat sich bereits skeptisch geäußert. Wir müssen beachten: Ist eine Entwicklung im digitalen Umfeld erst auf dem Weg, geht es manchmal ganz schnell. Schauen sie sich allein die Entwicklung der letzten zehn Jahre an. Vor zehn Jahren wurde Whatsapp entwickelt, heute sind dort über 1,5 Milliarden Menschen als Kunden registriert. So ein Kundenstamm war im letzten Jahrhundert für Unternehmen kaum aufbaubar. Da dürfte der Grundstein für die Etablierung einer neuen Weltwährung am Anfang ebenso unbemerkt und dann aber ganz schnell gelegt sein.
Sollte eine zukünftige Kryptowährung besser in staatlicher Hand als beispielsweise bei Facebook liegen?
Ja, auf jeden Fall. Wie bereits gesagt, geht es hier um ein Kernelement staatlicher Souveränität. So entscheidet der EZB-Rat zum Beispiel über die Geldmenge, über den Leitzins und hat damit auch Einfluss auf die Stabilität des Euro. Diese Entscheidungen müssen von den Interessen der Allgemeinheit und nicht von denen einiger Firmenvertreter und deren Aktionären geleitet sein. Dennoch ist es natürlich so, dass ein digitaler Euro selbst keinen Einfluss auf die Geldpolitik hätte. Es wird auch kein neues Geld geschaffen, sondern ein kleiner Teil der bestehenden Geldmenge digitalisiert und einer globalen Infrastruktur zugänglich gemacht.
Was wird Ihnen denn zukünftig lieber sein? Der Euro in der Tasche oder auf dem Smartphone?
(lacht) Oh, ich glaube, die Frage wird sich uns so in naher Zukunft gar nicht stellen, es wird ein „sowohl als auch" geben. Es geht hier nicht um die Abschaffung unseres Hartgeldes, sondern sozusagen um eine Erweiterung unserer Währung. Wir müssen uns den digitalen Anforderungen in allen Bereichen stellen. Und das auch bei den Währungsfragen. Da wird zukünftig eine weltweite Kryptowährung eine Rolle spielen und wir müssen aufpassen, dass wir diese Entwicklung nicht verschlafen. Ich hatte da ja eben schon erwähnt, wie schnell mittlerweile digitale Entwicklungen die Welt und damit auch uns überrollen.
Und Sie persönlich? Lieber Geld in der Tasche oder auf dem Smartphone?
Auf dem Smartphone. Dann habe ich auch immer den passenden Betrag dabei, ohne Kramerei.