Wird es bald einen staatlichen Krypto-Euro geben – den digitalen Bruder unseres Euros im Geldbeutel? Wenn ja, könnte das Projekt schnell von den USA und China, vor allem von Facebook überholt werden.
Die Zentralbanken sollten über Geschäftsbanken Krypto-Token ausgeben, die diese wie Sichteinlagen handhaben." So steht es in einem Verschlusspapier der Unions-Bundestagsfraktion, das FORUM vorliegt. Wer bei diesem Zitat tatsächlich nur Bahnhof verstanden hat – herzlich willkommen im Club: Wenn es um Kryptowährungen geht, braucht es neue Vokabeln für die gute alte Bankensprache, die ihren Ursprung in Italien hat: zu Giro, Diskont, Skonto oder Bilanz kommen nun Krypto, Token und Blockchain hinzu.
Das zitierte Verschlusspapier der Unionsbundestagsfraktion soll vermutlich im September in den Bundestag eingebracht werden, um der EZB Druck zu machen. Das Ziel: ein digitaler Euro. Technologische Basis soll die Blockchain sein, ganz wie der berühmte Bitcoin, nur ohne die heftigen Schwankungen. Die in entsprechenden Arbeitspapieren nur als E-Euro bezeichnete Kryptowährung ist zwar nur ein Punkt in dem Forderungskatalog der Parlamentarier zur Blockchain-Offensive. Aber ein Punkt, den alle Menschen im Lande, beziehungsweise im Internet, sehr schnell real mitbekommen werden.
Doch auch bei der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank gibt es längst entsprechende Stabsstellen, die eine mögliche Einführung des E-Euro vorbereiten, mindestens aber prüfen. Entsprechende Nachfragen in den Geldtürmen in Frankfurt am Main werden natürlich nicht wirklich beantwortet. Aber welche Zentralbank würde die Einführung eines neuen, beziehungsweise zusätzlichen virtuellen Zahlungssystems auch schon ein Jahr vorher bestätigen, von der Währungsreform 1948 haben die Deutschen schließlich auch erst einen Tag vorher erfahren.
Eine neue Währung aber soll dies nicht sein. Ein E-Euro soll zwar ebenfalls auf der Blockchain-Technologie fußen, hätte aber als Garanten die EZB und das bisherige Zentralbanksystem im Rücken, erklärt Unionsfraktionsvize Nadine Schön im Interview (ab Seite 72).
Während man sich auf der europäischen Seite über den Sprung in die Kryptowährung noch ausschweigt, ist man im Silicon Valley in den USA schon einen Schritt weiter. Anfang Juni kündigte Facebook seinen Einstieg ins digitale Bankengeschäft an. Bereits im kommenden Jahr soll es den „Libra" geben. Die Facebook-Bezahleinheit basiert ebenfalls auf der Blockchain-Technologie. Allerdings steht hinter der Kryptowährung nicht nur Facebook mit seinen gut 2,5 Milliarden Usern, sondern auch ein Reservefonds. Das Gründungskonsortium Libra Association besteht derzeit aus 30 Firmen. Dazu gehören zum Beispiel die bekannten Finanzdienstleister Visa, Paypal oder Mastercard. Auch die Namen der beteiligten Onlineplattformen sind nicht unbekannt: Spotify, Uber, Ebay oder Lyft. Dazu kommen noch weitere Kapitalanleger, Hedgefonds und natürlich Blockchain-Unternehmen.
Doch laut Facebook ist dies nur der Anfang, weitere Große aus der Real- und Digitalwirtschaft sollen folgen. Im Sommer kommenden Jahres sollen insgesamt 100 Firmen im Libra-Sicherheitsfonds versammelt sein. Geht es nach Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, sollen es nur die Größten unter den Größten sein. Denn nach Zuckerbergs Ideologie geht es bei der Einführung des Libra um nichts Geringeres, als die Welt „noch ein bisschen besser" zu machen, als sie es ohnehin schon durch Facebook geworden ist, so die Eigenwerbung. Der Plan: Die Nutzer tauschen ihre realen Euro oder Dollar gegen Libra-Token.
Das reale Geld fließt in den Reservefonds, wird dort in Staatsanleihen oder anderen Währungen angelegt. Dieser Gegenwert soll den Libra stabil halten. Der Libra fließt dagegen in den digitalen Geldbeutel, „Wallet" oder, bei Facebook, „Calibra" genannt. Dort sollen Libra-Nutzer zukünftig ihr Kryptogeld aufbewahren. Natürlich nicht zu lange. Sinn der ganzen Veranstaltung ist es, den weltweiten Zahlungsverkehr im Netz noch weiter zu vereinfachen. Also noch schneller im Internet einkaufen und verkaufen zu können.
„Geld wird man zukünftig so einfach und schnell wie eine E-Mail verschicken können und das beinahe gebührenfrei", ist sich Patrick Hansen, Blockchain-Experte beim Digitalverband Bitkom im FORUM-Interview sicher. „Der weitere Vorteil der Kryptowährung ist ganz klar die Blockchain-Technologie. Denn zukünftig gibt es im Netz nicht mehr den einen Angriffspunkt, den eine Datenbank bisher bietet, sondern die Transfervorgänge sind auf verschiedene Register verteilt."
Druck auf die EZB ausüben
Das macht das Fälschen oder unbemerkte Verschieben einer Transaktion nahezu unmöglich. Und damit könnten wir immerhin eine Vokabel künftig streichen: den Bankräuber.
Doch die Banken in ihrer heutigen Form wird es laut Hansen auch zukünftig geben, „aber es wird auf jeden Fall erhebliche Umwälzungen bei den Geschäftsmodellen geben." Wohin das alles geht, kann heute niemand wirklich sagen, „denn dazu ist die Blockchain-Technologie und damit auch die Kryptowährung noch zu sehr in den Kinderschuhen", so Patrick Hansen.
Klar ist: Die Politik ist mit der Einführung des Libra von Facebook nicht glücklich. Sie wirkt jetzt schon als Getriebene der Wirtschaft. Unionsfraktionsvize Nadine Schön hat ein „ungutes Gefühl" dabei, wenn zukünftig ein Konsortium von aktiennotierten Unternehmen die Geschicke einer möglichen Weltwährung diktiert, so die zuständige CDU-Frau für die Digital-Agenda ihrer Fraktion. Wohler wäre ihr, wenn das zukünftig von einer staatlichen Zentralbank gestaltet würde: „Dort entscheidet ein Gremium zum Beispiel über die Geldmenge oder den Leitzins." Idealerweise würden finanzpolitische Entscheidungen dieser Größenordnung von den Interessen der Allgemeinheit geleitet und nicht von den Interessen einiger Firmenvertreter und deren Aktionären, so Schön.
Doch noch ist die Kryptowährung von Facebook nicht im Netz. Wenn doch, muss sie sich erst als marktreif erweisen und Kunden überzeugen. Der Zuckerberg-Konzern, mit Töchtern wie Whatsapp oder Instagram, wird derzeit vor allem wegen zahlreicher Bedenken im Datenschutz als nicht besonders vertrauenswürdig eingestuft. Und bei Geldangelegenheiten, egal ob real oder digital, hat das weiterhin oberste Priorität.
Hinzu kommen die Platzhirsche der Kryptowährungen. Gibt es im kommenden Sommer den Libra, dann sind da bereits zahlreiche Mitbewerber: allen voran der Bitcoin, Ethereum, XRP, Litecoin und viele andere mehr. Vor allem der Bitcoin hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Sein Kurs ist rein marktgetrieben durch Angebot und Nachfrage. So entstehen mitunter gigantische Währungsschwankungen, die nicht wirklich vertrauenserweckend sind. Beispiel: Während der Bitcoin im Dezember 2017 seinen Höchststand von über 19.600 Dollar erreichte, lag er genau ein Jahr später, im vergangenen Dezember, bei unter 3.300 Dollar. Nicht nur für Banker ist klar, dass da Spekulanten am Werk waren. Es stellt sich aber die berechtigte Frage, ob aus dem Darknet oder aber von staatlicher Seite.
Gegen solche Manipulationen will sich Facebook mit seinem Libra-Konstrukt schützen. Doch weder die US-Notenbank Federal Reserve noch die chinesische Staatsbank werden sich ein neues privates Krypto-Bezahlsystem mit dem Zeug zur Weltwährung vorsetzen lassen. Längst gibt es sowohl in Washington, als auch in Peking eigene Vorbereitungen für eine Währung im Netz. Da sind sich sowohl Bankexperten als auch Blockchain-Spezialisten sicher.
Dazu kommt dann vielleicht noch die Europäische Zentralbank mit einem E-Euro. Andererseits muss man zumindest in der westlichen Hemisphäre bezüglich Facebooks Libra-Plänen eigentlich nichts überstürzen. Als Reaktion könnte es vielleicht schon reichen, wenn die Finanzaufsichtsbehörden verbieten würden, dass die User ihre Libra wieder in Dollar oder Euro zurücktauschen können. Damit wäre ein vernünftiger weltweiter Handel im Internet auf Libra-Ebene so gut wie unmöglich – ganz schlechte Vorrausetzungen für eine angehende Weltleitwährung.