Der Frontmann der Gruppe Thin Lizzy gilt als die Personifizierung der irischen Rockmusik. Der viel zu früh verstorbene Phil Lynott wäre am 20. August 70 Jahre alt geworden. Seine Heimatstadt Dublin hat ihn vor Jahren mit einer lebensgroßen Statue mitten im Zentrum geehrt.
Musha ring dum a doo, dum a da. Whack for my daddy-o, whack for my daddy-o, there’s whiskey in the jar-o" – das ist der Refrain des Songs, der 1973 die Charts stürmte und den charismatischen Sänger Phil Lynott und seine Band Thin Lizzy 1973 europaweit berühmt machte. Die beiden Dubliner Schulfreunde Phil Lynott und Brian Downey gründeten die Gruppe im Dezember 1969 zusammen mit dem Belfaster Gitarristen Eric Bell. Ihre Musik war eine Mischung aus Blues, Irish Folk und Hardrock. Der Erfolg war mäßig. Bis sie ein altes irische Volkslied aus dem 18. Jahrhundert aufnahmen und daraus eine Rockballade machten: „Whiskey in the Jar". Allein in Deutschland stand der Song 24 Wochen lang in den Top Ten. In den USA schafften sie ihren Durchbruch 1976 mit „The Boys Are Back in Town".
Philip Parris Lynott wurde am 20. August 1949 geboren. Seine Mutter, Philomena, war im Jahr zuvor auf der Suche nach einem Job als Krankenschwester von Dublin ins englische Manchester gezogen. Kaum angekommen, traf sie beim Tanzen den gutaussehenden Cecil Parris, der gerade aus Britisch-Guayana angekommen war, und wurde nach dem ersten Date prompt schwanger. Als Philomena die Schwangerschaft bemerkte, war Cecil längst nach London weitergereist. Als „nigger lover" abgestempelt, verlor sie ihr möbliertes Zimmer und musste nach der Geburt mit Phil in ein Heim für ledige Mütter ziehen. Sie solle ihr schwarzes Baby doch zur Adoption freigeben, riet man ihr. Sie entschied sich für ihr Kind und gegen Cecil, der ihr einen Heiratsantrag machte, als er von der Vaterschaft erfuhr. „Er flirtete zuviel mit anderen Frauen, und eine Ehe wäre nie gut gegangen", erzählt sie Jahrzehnte später in einem Interview.
In Dublin als Farbiger akzeptiert
Als der kleine Phil sieben Jahre alt und in der Schule rassistischen Bemerkungen ausgesetzt war, brachte ihn Philomena zu seinen Großeltern nach Dublin, wo er aufwuchs. Sie selbst ging nach England zurück, besuchte ihn aber regelmäßig. Anders als in England wurde er in seinem Umfeld akzeptiert und war sehr beliebt. Mit der Musik kam er dank der Motown-Plattensammlung seines Onkels Timothy in Kontakt. Sein Berufswunsch stand fest. Phil lernte Gitarre spielen, wurde als 16-Jähriger Sänger der Gruppe Black Eagles und trat mit ihnen in Dubliner Clubs auf. Als sich die Gruppe auflöste, trat er der Blues-Rock-Band Skid Row bei, in der damals auch Gary Moore spielte. Phil wollte jedoch seine eigene Band und gründete Ende Dezember 1969 zusammen mit Brian Downey und Eric Bell aus der Band Them schließlich Thin Lizzy. Der Name geht auf den Charakter „Tin Lizzy" aus der damaligen sehr beliebten Comicreihe „The Dandy" zurück. Da „thin" im irischen Dialekt wie „tin" ausgesprochen wird, machte das eingefügte H keinen Unterschied in der Aussprache, unterschied sich aber vom Comic-Helden.
Der Erfolg der Gruppe war so mäßig, dass Lynott Thin Lizzy 1972 fast verlassen hätte, um mit Ritchie Blackmore und Ian Paice von Deep Purple eine neue Band zu gründen. Er überlegte es sich in letzter Minute anders, und das war auch gut so. Denn wenig später stellte sich der lang ersehnte Durchbruch mit „Whiskey in the Jar" ein. Der Erfolg brachte Stress mit sich und Lynott griff zu Alkohol und Drogen, ab Ende der 70er-Jahre zu Heroin. Er heiratete 1980 Caroline Crowther, Tochter des englischen Comedian Leslie Crowther, mit der er bereits zwei Kinder hatte. Die Ehe zerbrach vier Jahre später an seinem zunehmenden Drogenkonsum.
Nach zwölf Alben und 20 Singles löste Lynott Thin Lizzy 1983 nach einer Abschiedstournee auf. Das letzte Konzert fand im September 1983 in Nürnberg auf dem Monsters-of-Rock-Festival statt. Phil Lynott gründete wenig später die Band Grand Slam, landete 1984 mit zwei Hits in den Charts, und dann war es auch schon wieder vorbei. Die Gruppe zerfiel noch im selben Jahr. Mit einer anschließenden Solo-Karriere klappte es auch nicht. Nun setzte er alle Hebel in Bewegung, um Thin Lizzy wiederzubeleben. Brian Downey war dabei, sowie die Gitarristen Scott Gorham und John Sykes, die ab 1974 beziehungsweise 1982 in der Band gespielt hatten.
Band-Wiederbelebung scheiterte
Aus dem Revival wurde nichts. Der Tod war schneller. Der Sänger mit der unverwechselbaren Stimme starb am 4. Januar 1986 im Alter von 36 Jahren an den Folgen seines jahrelangen Alkohol- und Drogenkonsums im Haus seiner Mutter in England. Beigesetzt wurde er jedoch „zu Hause" in Irland, denn „Phil war so stolz, Ire zu sein. Wenn wir irgendwo in der Welt mit Journalisten sprachen und sie etwas Falsches über Irland sagten, erteilte er ihnen eine Geschichtslektion", so Scott Gorham. Philip Parris Lynott fand seine letzte Ruhestätte auf dem St. Fintan’s Friedhof im Dubliner Vorort Sutton. Während seiner Grabrede nannte Pater Brian D’Arcy den Verstorbenen den Vater der irischen Rockmusik. Bis heute ist sein Grab Pilgerstätte zahlreicher Fans.
Im Auftrag der Roisín-Dubh-Stiftung, die an Lynotts zehntem Todestag zum Gedenken an den Rockstar ins Leben gerufen wurde, verewigte der Dubliner Bildhauer Paul Daly den Sohn einer Irin und eines Guyaners in einer lebensgroßen Bronzeskulptur. Die Statue mit E-Gitarre wurde am 19. August 2005 vor der Bruxelles Rock Bar in der Harry Street Nummer 8 von seiner Mutter Philomena enthüllt. Mehr als 6.000 Fans und Zuschauer wohnten dem Spektakel bei, darunter die alten Bandmitglieder, Blues-Legende Gary Moore, der zeitweise bei Thin Lizzy Gitarrist war, sowie die damalige Oberbürgermeisterin Catherine Byrne. Am Tag nach der Enthüllung wäre Phil Lynott 56 Jahre alt geworden.
Die Bruxelles Bar rühmt sich damit, dass sie in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren das zweite Zuhause von Thin Lizzy war. Damals hieß sie noch „The Grafton Mooney". Der Name änderte sich an dem Tag, als Irland der EU (zu jener Zeit EWG) beitrat. In Erinnerung an den Meilenstein in der irischen Geschichte nannte sie sich fortan „Bruxelles". Philomena Lynott hielt die Erinnerung an ihren Sohn bis zu ihrem Tod aufrecht. Sie schrieb das Buch „My Boy: The Philip Lynott Story" (1995), das zum nationalen Bestseller wurde und empfing in den vergangenen drei Jahrzehnten Tausende Fans in ihrem Zuhause. Jedes Jahr steckte sie ihrem Sohn eine rote Rose ins bronzene Revers. Als sie am 12. Juni 2019 im Alter von 88 Jahren starb, war die Statue innerhalb von wenigen Stunden mit Blumen übersät.
Mutter neben ihrem Sohn beigesetzt
Das irische Rock’n’Roll-Museum im Gebäude der Temple Lane Studios im Dubliner Temple-Bar-Viertel hat das Apollo-Studio mit dem größten Mischpult des Landes Phil Lynott gewidmet. Hier nahm er kurz vor seinem Tod die letzte Platte auf. In Schaukästen sind seine E-Gitarren, goldene Schallplatten und seine Tour-Jacken ausgestellt, die Wände sind mit Fotos des knapp 1,90 Meter großen Thin-Lizzy-Frontmanns gespickt. Die Erinnerungsstücke hat seine Mutter dem Studio vermacht. Täglich soll sie an das Grab ihres Sohnes gegangen sein und dem Grabstein einen Fußtritt versetzt haben mit den Worten „Thank you for breaking my heart". Philomena Lynott, die neben ihrem Sohn beigesetzt wurde, war in Dublin so beliebt, dass ihr Trauergottesdienst live im Radio übertragen wurde. U2, die in ihren Anfangstagen 1981 als Vorgruppe von Thin Lizzy beim Slane Concert im County Meath auftraten, würdigten die Verstorbene mit einem riesigen Blumengesteck. „Philomena und Phil: Endlich wieder vereint", schrieb ein schwedischer Fan auf eine Karte, die aus dem Blumenmeer an der Statue in der Harry Street lugte.