Wolfgang Ziegler legt nach mehr als 50 Bühnenjahren sein 14. Album vor. Der Sänger schaffte es auch nach dem Superhit „Verdammt" immer wieder in die Hitparaden.
Kaum hat der Reporter sein Auto eingeparkt, steht Wolfgang Ziegler schon am Tor seines großen Grundstücks in Berlin-Kaulsdorf. Ein Star zum Anfassen ist der Pop-Promi vielleicht nicht unbedingt, einen coolen Spruch hat er aber immer drauf. Egal, ob beim Bäcker um die Ecke oder mit dem FORUM-Mitarbeiter.
Seit mehr als 30 Jahren lebt Wolfgang Ziegler im grünen Teil von Marzahn-Hellersdorf. Die den Bezirk prägenden Plattenbauten sind von hier aus nicht zu sehen, dafür viel Grün und eine bunte Blumenrabatte. Abgesehen von Ost-Schlager-Legende Frank Schöbel, der drei Autominuten weiter südlich in Mahlsdorf wohnt, dürfte Ziegler der größte Promi im Revier sein. Hier schuf sich der Star ein Refugium, in dem er an neuen Songs tüftelt und nach Auftritten die Akkus auflädt.
Mit der Gruppe Wir gab er einst bis zu drei Konzerte am Tag. „Das war in der Sowjetunion, wo wir von Moskau bis Wladiwostok tourten. Manchmal frage ich mich, wie wir das damals geschafft haben", lächelt er. Er wurde im Osten auch im „Kessel Buntes" gefeiert und landete 1987 mit „Verdammt" einen der größten DDR-Hits. Bis heute wird der Ohrwurm auf Partyhütten zum Après-Ski sowie in Diskotheken in ganz Europa gespielt.
„Das war damals mein zweiter Song als Solist überhaupt. Dass der so durch die Decke geht und bis heute wirkt, als wäre er gerade erst produziert, hätte ich nie gedacht", erinnert sich der Musiker. Was viele nicht wissen: Der Text von „Verdammt" stammt von Radiolegende Gregor Rottschalk aus dem damaligen Westberlin. In der DDR kam Wolfgang Ziegler damit nur durch, weil der frühere Rias-Mann Rottschalk unter dem Pseudonym Christian Heilburg textete. Von Ziegler selbst stammt die Komposition. Und nicht nur die. Auch die Musik zum Kinderfilm „Die Reise nach Sundevit" hat er zusammen mit Karl-Ernst Sasse geschrieben. 1966 spielte er die Songs des Streifens mit seiner ersten Band Baltics ein. Da war der Sänger gerade mal 23.
Die Produktion dauerte sieben Monate
Hits wie „Gartenparty", „Uralt" und „Verdammt" zu landen, ist das eine. Diesen Erfolg über Jahre zu halten, noch mal eine ganz andere Sache. In den letzten Monaten feierte Wolfgang Ziegler mit seinem aktuellen Album „Verdammt zum Glück" große Erfolge. Die Auskopplungen „Zum Glück" und „Wir feiern dieses Leben" laufen nicht nur im Radio gut. Eingängige Sounds und Texte mit klarer Ansage geben Zieglers Lebensgefühl authentisch wieder.
Sieben Monate dauerte die Produktion der neuen CD. Nach den Worten des Musikers ist es ein permanenter Prozess, bei dem eingesungen, geprobt und auch mal verworfen wird: „Ein durchweg geiles Album hinzulegen, das allen gefällt, ist schwierig. Aber zwei, drei richtig gute Songs sollten dabei sein. Dann kannst du in der ersten Liga mitspielen." Er lässt keine Zweifel aufkommen, dass er sich zu dieser dazu zählt.
Doch seine Hits fielen nie vom Himmel. „Aus dem Ärmel schüttele ich das jedenfalls nicht", betont Ziegler, der in den 70er-Jahren Gesang und Komposition studierte. Die Kunst, ein gutes Autorenteam um sich zu scharen, neue Inspirationen aufzugreifen und sich dennoch treu zu bleiben, scheint der gebürtige Rostocker zu beherrschen. Hinter seiner Leichtigkeit auf der Bühne stecken offenbar viel Arbeit, Fleiß und Disziplin. Routine auf der Bühne? Nicht mit Wolfgang Ziegler. „Ich hinterfrage mich nach jedem Auftritt. Das sind für mich keine Selbstläufer. Jedes Konzert ist eine neue Herausforderung, mit Bauchkribbeln und Aufregung. Ob vor 2.000 oder 200 Leuten – ich gebe immer alles!" Meist steht der Kaulsdorfer rund eine Stunde auf der Bühne: wohlgemerkt mit aktuellen Songs, nicht nur mit Oldies. „Verdammt" muss er natürlich immer singen, das ist klar. Zu Glücksmomenten zähle, wenn er auf Konzerten Paaren sichtbar den Sound ihrer Liebe liefert.
Natürlich ging nicht immer alles glatt. So hatte Wolfgang Ziegler im „Kessel Buntes", der internationalen TV-Show des DDR-Fernsehens, mal einen Kamm statt einem Mikrofon in der Hand. Kurz vor seinem Auftritt richtete sich der Künstler eigenen Worten nach die Haare, vergaß dann aber in der Aufregung, Kamm gegen Mikro zu tauschen. Bei einem Stadtfest landete er nach der Anmoderation zu einem Song nach einem Ausrutscher neben statt auf der Bühne.
Wolfgang Ziegler kann über diese Episoden herzhaft lachen. Er ist ein Künstler, der seine Arbeit, aber nicht sich selbst, zu ernst nimmt. Sitzt man dem großgewachsenen Wahlberliner gegenüber, kann man kaum glauben, dass er schon Mitte 70 sein soll. Doch auf der Geburtsurkunde ist tatsächlich das Jahr 1943 eingetragen. Gute Gene und den Luxus, meist ausschlafen zu können, nennt der Promi als mögliche Gründe für seine erstaunliche Vitalität. Besonders viel Sport treibe er jedenfalls nicht, wie er betont. Die Ausnahme: Wassersport. Dieser Leidenschaft ging er früher häufig auf dem Berliner Müggelsee in Köpenick nach. Heute darf es auch gern mal ein Brandenburger Gewässer abseits der hektischen Hauptstadt sein. Wenn er mal wieder „in See sticht", dann aber nur „ganz auf locker", wie er sagt.
Er wollte Schauspieler werden
Ursprünglich hat der Sänger und Produzent mal Motorenbauer gelernt, ein Job, den er nach der Lehre nie ausübte. „Eigentlich wollte ich Schauspieler werden, scheiterte aber am Improvisieren einzelner Szenen. Im Nachhinein bin ich froh darüber", sagt der frühere Wir-Frontmann und schmunzelt. Mit den Baltics war er im Norden der DDR schnell eine große Nummer. Als er 1972 mit Berufskollege und Texter Jens Gerlach die Gruppe Wir gründet, kommt die Karriere so richtig in Fahrt. Eine Konsequenz ist der Umzug nach Berlin, wo Rundfunk, Fernsehen und das Ost-Plattenlabel Amiga firmieren. „Und hier hatte ich am Anfang wirklich nichts – außer einer mickrigen Wohnung mit Blick in einen Hinterhof." Doch auch in der DDR konnten es Stars zu etwas bringen und gut verdienen. Geld allein verschaffte ihm allerdings noch nicht das schicke Eigenheim in Kaulsdorf, betont Wolfgang Ziegler. Wie jeder DDR-Bürger musste man Beziehungen nutzen, um Baustoffe zu ergattern. Viel Stehvermögen sowie „Geduld und Spucke" seien beim Hausbau nötig gewesen.
Von der großen Terrasse geht der Blick in den herrlichen Garten. Hinter dem Treppenabsatz ähnelt die Terrassenkonstruktion ein bisschen einer Bühne, und Ziegler läuft zum Scherz auf und ab und imitiert die Begrüßung des Publikums: „Hallo Freunde, Musik ist so schön." Der Publikumsliebling sagt das zwar mit einem Augenzwinkern, doch die gespielte Ansage nimmt man dem Sänger glatt ab. Nach der Trennung von der Band Wir schafft er 1986 mit „Du fehlst mir sehr" gleich den Sprung in die Hitparaden. Sein Song „Verdammt" macht ihn ein Jahr später nicht nur im Osten zum Star. Der Hit wird auch im Westradio gespielt. Das hilft Wolfgang Ziegler später, die für Ost-Unterhaltungskünstler harte Wendezeit zu überstehen. „Ich hatte aber nie Zweifel, dass ich als Sänger weitermache. Das stand überhaupt nie zur Debatte."
Dennoch haben sich die Zeiten offenbar geändert. Machten Plattenfirmen einst 100.000 Euro und mehr für eine CD-Produktion locker, so erstellen Musiker ihre Alben heute oft selbst. „Du lieferst dabei komplett fertige Songs ab, stehst durch die Eigenverantwortung und eigene Finanzierung aber auch mehr dahinter", betont Wolfgang Ziegler. Der kann die Zügel aber auch mal locker lassen – am liebsten im grünen Osten der Hauptstadt. „Ich fühle mich wirklich wohl in Berlin, schwärme aber auch nach Brandenburg aus." Der Ostseeküste fühlt sich der Sänger nach wie vor verbunden. Neben Rostock peilt er gern die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst an. Seine große Liebe gilt allerdings Mallorca, wo er regelmäßig in Port d’Andratx das Mittelmeerklima und die Leichtigkeit des Seins genießt.
Apropos Liebe: Da gibt es zum Schluss noch eine traurige Nachricht für alle Frauen unter den Fans. Denn seit über 30 Jahren ist Wolfgang Ziegler mit seiner bildschönen Frau Jeanette zusammen. Irgendwelche Amouren waren seitdem passé, wie der Barde schwört. „Ich hätte unsere Liebe nie für ein Abenteuer aufs Spiel gesetzt." Ein Liebesbekenntnis, das zu diesem verdammt sympathischen Typ passt.