Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat seinen Entwurf für die neue Grundsteuer vorgelegt. „Die Chance für eine wirkliche Reform ist vertan", meint Steuerexperte Prof. Dirk Löhr. Dass aber Wohnen wegen der neuen Berechnung nun unbezahlbar würde, davor müsse niemand Angst haben.
Herr Löhr, Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat jetzt endlich einen Gesetzentwurf für eine neue Grundsteuer vorgelegt. Ist das nun der große Wurf?
Der große Wurf ist es sicher nicht. Herr Scholz hätte ja nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr die Chance dazu gehabt – die Grundsteuer hätte eine grundlegende Reform verdient. Hiermit hätte Deutschland den Zug auf das richtige Gleis stellen können, um sich zukunftsfähig zu machen. Das fordert die OECD von Deutschland schon seit Langem.
Die Experten werden Deutschland also weiterhin kritisieren?
Das Problem ist, dass Einkommen aus Arbeit in Deutschland im internationalen Vergleich recht hoch besteuert wird und Boden sehr wenig. In Deutschland kommen gerade mal zwei Prozent des Steueraufkommens aus der Grundsteuer, in den USA zwölf Prozent. Boden ist aber volkswirtschaftlich viel sinnvoller zu besteuern, weil man nicht ausweichen kann und es daher keine falschen Anreize gibt. Die Reform von Finanzminister Scholz bietet keinen Ansatz, um hier etwas zu ändern.
Aber die neue Grundsteuer scheint doch so anders zu sein als die alte, dass dafür sogar das Grundgesetz geändert werden muss …
Was Finanzminister Scholz vorgelegt hat, ist nur ein Update des alten Systems der Grundsteuer. Es belastet vor allem Gebäude und bremst damit Bau-Investitionen. Dabei sind die ja erwünscht und wichtig, also Neubau, sowie Aufstockungen und Erweiterungen.
Finanzminister Scholz betont, er wolle eine wertabhängige Steuer, und Länder können davon abweichen. Ist das überhaupt richtig?
Scholz will, dass die Grundstücke zunächst an ihrem Verkehrswert orientiert besteuert werden, also dem echten aktuellen Wert. Die Kritik des Verfassungsgerichts war ja, dass die Wertrelationen nicht mehr stimmten und die Werte völlig veraltet waren. Allerdings ist das neue Berechnungsverfahren sehr kompliziert, da fließen Mieteinnahmen, Marktanpassungsfaktoren und viele andere Faktoren mit hinein. Bei Wohnhäusern sollen pauschale Durchschnittsmieten für eine Gemeinde in die Bewertung eingehen.
Heißt das, dass alle Immobilien in einer Gemeinde für das Finanzamt gleich viel wert sein sollen?
Im Prinzip ja, bezogen auf die Fläche – es wird dann nur noch nach dem Haustyp und dem Alter des Hauses unterschieden. Bei gleichem Typ, gleicher Fläche und gleichem Alter wird in einer Gemeinde dann ein Gebäude gleich bewertet. Dabei ist klar, dass sich in einer Stadt je nach Lage des Grundstücks sein Wert und die Mieteinnahmen stark unterscheiden können. Da wird im Endeffekt eine ähnliche Wirkung erzielt wie bei einer Flächensteuer, wie sie die Immobilienlobby gerne hätte.
Aber die Flächensteuer wollte Scholz doch gerade nicht! Der Streit um wertabhängige oder Flächensteuer ist also gar nicht der Knackpunkt? So wurde es doch meist dargestellt …
Die öffentliche Diskussion verlief tatsächlich sehr oberflächlich. Im Endeffekt ist der tatsächliche Wert des Grundstücks für die Berechnung der neuen Grundsteuer gar nicht so entscheidend. Auch bei der wertabhängigen Steuer von Scholz kann die Struktur der Belastung von Wohnimmobilien faktisch ähnlich wie bei einer Flächensteuer ausfallen. Der lageabhängige Bodenwert fällt bei der Berechnung der Steuer in sehr vielen Fällen nämlich kaum ins Gewicht.
Warum hat dann Bayern so vehement für eine Ausstiegsklausel für eine reine Flächensteuer gekämpft?
Die Position Bayerns deckte sich weitgehend mit der der Immobilienwirtschaft: Wehret den Anfängen! Das bisschen Bodenwert im Bewertungsmodell des Finanzministers war der Immobilienwirtschaft schon zu viel.
Wird nun das Wohnen unbezahlbar, wie es manche befürchteten?
Das ist völlig abwegig. Erstens betont Scholz immer wieder die Aufkommensneutralität. In der Summe wird die Grundsteuer für jede Gemeinde und auch für Deutschland insgesamt mit 14 Milliarden Euro in etwa gleich hoch bleiben wie vor der Reform. Dazu werden die Gemeinden die Hebesätze weitgehend anpassen, die auf die Besteuerungsgrundlage angelegt werden. Das ist auch in ihrem Interesse, alles andere wäre für die Bürgermeister und Gemeinderäte politischer Selbstmord. Ganz klar ist: Wohnen wird nicht unbezahlbar. Was man allerdings sagen kann, ist, dass Neubauten generell etwas stärker belastet werden als früher. Die Beträge, um die es hier geht, werden aber die Kalkulation eines Investors oder Hausbauers kaum kaputtmachen.
Finanzminister Scholz will nun auch etwas gegen die Spekulation tun, darum eine neue „Spekulationssteuer" für unbebaute Grundstücke einführen, die sogenannte Grundsteuer C. Was wird die bewirken?
Da wird man sehen müssen, wie die funktionieren soll. Es gab ja in den 60er- Jahren bereits eine solche Grundsteuer C, aber sie war in der Praxis nicht einfach umzusetzen. So ist gar nicht klar, was „unbebaut" eigentlich heißt. Es gibt Grenzfälle, wie ein noch bewohntes, aber baufälliges altes Haus oder ein Schuppen. Der kann auch schnell hingestellt werden, um eine Bebauung vorzutäuschen.
Aber man bekäme doch immerhin die Spekulation etwas in den Griff.
Die Spekulation ist quantitativ gar nicht so sehr das Problem. Das Problem ist eher, dass das Bauland in Deutschland an den falschen Stellen ausgewiesen wird. Vor allem in den Großstädten mangelt es an Baugrundstücken. In anderen, vor allem ländlicheren Kommunen, liegt oft viel Bauland ungenutzt herum. Hier müssten auch die Ortskerne gestärkt und eine weitere Bebauung nach außen gebremst werden. Doch gerade für solche Kommunen soll die Grundsteuer C nicht gelten. Also auch nicht wirklich gut durchdacht.
Welche Folgen wird die neue Grundsteuer denn nun haben – außer dass alles komplizierter wird?
Für den einzelnen Grundbesitzer ist es ohne Hilfe eines Experten kaum möglich, im Voraus zu berechnen, wie sich seine Grundsteuerlast verändern wird. Allerdings werden die finanziellen Folgen begrenzt sein. Es wird zwar Verschiebungen geben, aber da das Niveau der Besteuerung insgesamt recht niedrig ist, wird es kaum jemanden im Übermaß treffen. Unabhängig davon werden aber auch kaum sinnvolle Anreize geschaffen, für Neubau etwa oder gegen Spekulation. Das Scholz-Modell ist ein Kompromiss, bei dem zwei Steuern in einer verschmelzen. Ganz offensichtlich wollte Scholz hier sowohl den Mietern einen Gefallen tun, aber auch der Immobilienwirtschaft entgegenkommen.
Wie sähe denn eine ideale Grundsteuer aus?
Das Beste wäre, nur die Bodenwerte der Besteuerung zugrunde zu legen. Egal, ob und wie ein Grundstück bebaut ist: Es wird dann so besteuert, als ob es optimal genutzt ist. Dann würde man etwas Druck machen auf die Eigentümer, die bauen könnten, es aber nicht tun. Viele Kommunen ärgern sich ja darüber, dass Grundstückseigentümer aus finanziellem Eigeninteresse die Stadtplanung durchkreuzen und die Wohnungsnot verschärfen. Eine solche Bodenwertsteuer wäre volkswirtschaftlich die beste Lösung. Sie ist einfach und funktioniert auch gut, da gibt es international genügend Beispiele. Dass die Finanzierung des Staates aus den Bodenerträgen in wirtschaftlich erfolgreichen Ländern Ostasiens, etwa in Singapur, so eine große Rolle spielt, spricht ja für sich.